Die Europäische Union muss ihre derzeitige Bioenergie-Politik beenden, da sie im Widerspruch zu den globalen Nachhaltigkeitszielen und dem Pariser Klimaabkommen steht. Denn mit „bio“ oder „öko“ hat der sogenannte „Biosprit“ nichts zu tun.
„Biosprit“ vertreibt Menschen und heizt den Klimawandel an
Oxfams neuer Bericht „Burning land, burning the climate“ dokumentiert zahlreiche Fälle aus Tansania, Peru und Indonesien, bei denen Menschen von ihrem Land vertrieben und Waldgebiete abgeholzt werden, um Pflanzen für die Produktion von „Biosprit“ anzubauen.
So weist die indonesische NGO Sawit Watch allein im Jahr 2014 auf 731 Landkonflikte hin, die mit dem Palmölanbau zusammenhängen. Der europäische Palmölmarkt, Indonesiens zweitgrößter Exportmarkt für Palmöl, ist heute doppelt so groß wie 2003, dem Jahr der Einführung der europäischen „Biosprit“-Ziele. Der Großteil der EU-Palmöl-Importe wird inzwischen im Verkehrs- und Energiesektor verbraucht.
Auch klimapolitisch ist „Biosprit“ ein Irrweg: Bei der Umwandlung des Landes zu Ackerflächen und deren agrarindustrieller Bewirtschaftung entstehen immense Mengen an Treibhausgasen. Durchschnittlich verursachen Kraftstoffe aus Nahrungsmittel-Pflanzen über 50 Prozent mehr Treibhausgase als fossile Brennstoffe. Die Treibhausgas-Emissionen aus dem Verkehr in der EU werden durch den Verbrauch von „Biosprit“ bis 2020 deutlich gestiegen sein, anstatt zu sinken.
So versucht die „Biosprit“-Industrie, Reformen zu verhindern
Auch in Brüssel hat man den Reformbedarf erkannt: Am 7. Dezember diskutiert die EU-Kommission die Überarbeitung ihrer Bioenergie-Politik.
Doch hinter den Kulissen hat sich ein ungeheuerliches Lobby-Monstrum gebildet, das notwendige Reformen blockiert: In Brüssel arbeiten rund 400 Lobbyisten in der „Biosprit“-Industrie, von der Rohstoffproduktion bis hin zu „Biosprit“-Herstellern. Alle zusammen haben allein im letzten Jahr gut 14 Millionen ausgegeben, um ihre Wirtschaftsinteressen in Brüssel durchzusetzen. Ihre Ausgaben für die Einflussnahme auf europäische Institutionen sind damit genauso hoch wie die der Tabaklobby.
Die Folgen sind fatal: Bis 2030 könnte die globale „Biosprit“-Industrie rund 600.000 Quadratkilometer für sich vereinnahmen – eine Fläche so groß wie Frankreich.
Um den Hunger zu beenden und den Klimawandel zu begrenzen, muss sich die EU aus dem Zugriff der „Biosprit“-Industrie und ihrer Verbündeten befreien.
Der Bundesrat weist in Sachen „Biosprit“ den Weg
Oxfam fordert seit Langem, die Förderung von „Biosprit“ bis 2020 abzuschaffen. Mitte September 2016 hat sich endlich auch der Bundesrat dafür ausgesprochen, dass aus Nahrungsmittel-Pflanzen hergestellte Biokraftstoffe nach 2020 nicht mehr öffentlich gefördert werden sollten
Um dies möglich zu machen, muss Deutschland nicht auf die bevorstehende europäische Reform der Bioenergie-Politik warten. Aktuell steht die Umsetzung der letzten Reform der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie auf Bundesebene an. Diese bietet ausreichend politischen Spielraum, um die öffentliche Förderung von Biokraftstoffen einzustellen. Die Bundesregierung darf diese Chance nicht verstreichen lassen.
Zudem sollte sie sich bei den EU-Verhandlungen zur Bioenergie-Politik dafür einsetzen, dass die öffentliche Förderung schnellstmöglich auch auf europäischer Ebene eingestellt wird.