Nicht nur die Ferien geben Anlass, sich mit anderen zu vergleichen: Wieso macht Adnan so tolle Urlaubsreisen? Wieso hat Steffi immer die neuesten Computerspiele? Wieso kommt Matteo nie auf eine Geburtstagsfeier? Und sind die Wohnungen der anderen Kinder eigentlich größer oder kleiner als unsere?

Unterschiede zu erkennen ist erstmal ganz normal. Die Frage ist, was wir als Familien daraus machen. Hier fünf Tipps, um als Bezugsperson sicher durch die ersten Gespräche über Ungleichheit zu navigieren:

1. Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Viele Eltern und Bezugspersonen fragen sich, ob es nicht zu früh ist, mit Kindern über Ungleichheit zu sprechen. Muss man die Kleinen wirklich schon jetzt damit belasten?

Nun ja, es wäre schön, man müsste nicht, doch in Deutschland gelten im Jahr 2021 2,88 Millionen Kinder und Jugendliche als armutsgefährdet.  Diese Kinder werden sich zwangsläufig mit dem Thema auseinandersetzen, aber auch nicht-armutsbetroffene Kinder kommen mit diesen Themen früher oder später in Kontakt – sei es im Kindergarten, in der Schule, durch ältere Geschwister, Bücher oder Medien. Daher ist es wichtig, dass sich Eltern und erwachsene Bezugspersonen Zeit nehmen, auf Fragen ihrer Kinder einzugehen und bereit sind, sich vorab selber zu den Themen zu informieren.

Diese Gespräche können Kinder außerdem stärken. Damit sie füreinander einstehen, damit sie sich nicht schämen und damit sie gar nicht erst anfangen, andere auszugrenzen.

2. Wie sag ich es?

Wenn man die Augen offen hält, findet man allerlei Gründe, mit Kindern über Ungleichheit ins Gespräch zu kommen: Werbeplakate, die öffentliche Bücherei, der Zoo, der Fußballverein – Kinder wissen schon, was es bedeutet, Zugang zu haben oder eben nicht.

Wenn man mit Kindern altersgerecht über Ungleichheit sprechen möchte, sollte man ein paar Grundsätze beachten. Sie sollten dadurch etwa keine Existenzängste entwickeln, auch wenn das für Familien, die selbst finanzielle Sorgen haben, nicht immer leicht ist.

„Wie findest du das“ ist eine Frage, die man besser gegen „Was denkst du“ austauscht, sonst läuft man Gefahr mit „Gut“ bzw. „Schlecht“ nur die Antwort zu bekommen, die man vermeintlich hören möchte und nicht wirklich zum Nachdenken anzuregen.

Es sollten keine Klischees oder Rassismen reproduziert werden. So gibt es etwa kein Land und sicher keinen Kontinent auf der Welt, auf dem alle Menschen arm sind. Leute, die auf der Straße leben, haben nicht alle Suchtprobleme. Und Menschen in prekären Jobs haben es sich nicht so ausgesucht. Jede Ungleichheit hat strukturelle Hintergründe, die man gemeinsam erörtern kann. Am besten bei einem Spaziergang oder einer gemeinsamen Aktivität, vor dem Schlafengehen sollte man schwierige Themen nicht mehr anschneiden.

Von dem Anspruch, auf alles sofort eine Antwort zu haben, darf man sich getrost verabschieden. „Das muss ich mir erst genauer ansehen, lass uns gern morgen weiter darüber sprechen“, ist eine gute Antwort und vermittelt Kindern, dass es keine Schande ist, sich erst zu informieren, bevor man über etwas spricht.

3. Sind wir jetzt arm oder reich?

Kinder wollen ihre Position in der Welt kennen. Nur ist diese Frage oft gar nicht so eindeutig zu beantworten. Denn ab wann ist man reich? Wenn man ein Dach über dem Kopf hat? Wenn man in Urlaub fährt? Wenn man Goldbarren besitzt wie Dagobert Duck? Und ab wann ist man arm? Wenn man nichts zur Seite legen kann? Wenn Mahnungen im Briefkasten liegen? Oder wenn man beim Einkaufen im Kopf die Preise addieren muss, bevor man zur Kasse geht?

Wer reich ist und wer arm ist, ist vor allem in den Extremen eindeutig zu beantworten. Die meisten Menschen dazwischen neigen dazu, sich als ärmer oder reicher einzuschätzen, als sie tatsächlich sind. Wer es schwierig findet, das mit seinen Kindern konkret zu besprechen, kann die Frage zur Reflektion nutzen, um mehr über die Sicht der Kinder zu erfahren. Wie ordnen sie sich selbst ein und wieso? Was haben sie, das ihnen ein Gefühl von Reichtum gibt? Was fehlt ihnen? Und kann man das für Geld überhaupt kaufen?

4. Was wir sehen können und was nicht

Auch wenn es die offensichtliche Ungleichheit ist, die Kinder anfangs dazu bringt, Fragen zum Thema zu stellen, sollte man ihnen erklären, dass von außen oft gar nicht sichtbar ist, wer wie viel hat.

Dass Leute finanzielle Probleme aus Scham verstecken müssen, ist Teil des Problems. Es ist wichtig, dass Kinder verstehen, dass der Großteil der Bevölkerung dem Einkauf bei der Tafel viel näher ist als dem Privatjet. Und dass Menschen, die in Notlagen geraten, gemeinsam geholfen wird. So verstehen Kinder, was es bedeutet, zu einem sozialen Netz beizutragen. Und man kann ihnen so die Angst nehmen, dass die eigene Familie ins Nichts fällt, wenn mal was schief läuft.

Illustration: Die Tiere im Wald bauen gemeinsam einen Krankenwagen

5. Was können wir ändern?

Kinder wollen helfen und das sollte man unterstützen. Möglichkeiten, etwas zu tun, gibt es viele: Den öffentlichen Bücherschrank füllen. In der Schule eine Spielzeugbörse gründen und anonyme finanzielle Hilfe für Ausflüge fördern.

Aber Kinder können noch viel mehr tun, sie können zum Umdenken bewegen. Sie können etwa Geburtstagsfeiern veranstalten, bei denen sie sich gebastelte oder Secondhand-Geschenke wünschen – oder gar keine Geschenke. Auch die kleinen Tüten für die Gäste kann man streichen. Das ist nicht nur gut fürs Kinderzimmer, sondern auch gut für die Umwelt.

Doch bei aller Arbeit im eigenen Umfeld, sollte man nicht vergessen, Kindern zu erklären, wer für Fragen der Verteilung im Großen verantwortlich ist und, dass sie später selbst mitentscheiden dürfen, wer das sein wird.

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