Südafrikanische Trauben – das klingt nach einer leckeren Erfrischung. Wenn wir diese süßen Früchte essen, gilt unser erster Gedanke vermutlich nicht den Arbeiterinnen, die diese Trauben ernten.

Es ist nicht viel Geld. Nein, das ist kein angemessener Lohn. Einmal hat uns jemand besucht, der mit uns über gesunde Ernährung gesprochen hat. Dass wir Obst und Gemüse essen sollten. Aber wo ist das Geld, um das zu kaufen?
Landarbeiterin auf einer Farm, die für Lidl im Gebiet De Doorn Tafeltrauben anbaut

Es sind solche Aussagen, die von den schwierigen Lebensumständen der Farmarbeiterinnen auf den Weinplantagen zeugen. Armut und unwürdige Lebensbedingungen sind oft eine Folge von Menschenrechtsverletzungen. Nach dem Ende der Apartheid 1994 wurde zwar ein neues Arbeitsrecht eingeführt. Es wurde jedoch bisher nicht flächendeckend umgesetzt.

Frauen sind besonders betroffen

Insbesondere Frauen leiden unter strukturellen Problemen wie prekären Arbeitsverhältnissen, mangelndem Gesundheitsschutz, Niedriglöhnen, fehlenden Inspektionen auf den Farmen, mangelnder gewerkschaftlicher Vertretung sowie miserablen Unterkünften.

Ein großes Problem für die Frauen ist zudem, dass sie nur zeitlich begrenzt auf den Weinfarmen arbeiten können. Die Erntesaison dauert von November bis April, außerhalb der Saison haben sie nur wenige Einkommensmöglichkeiten. Staatliche Unterstützung gibt es kaum. Und selbst während der Saison ist nicht sicher, dass sie einen der prekären Arbeitsverträge auf den Farmen erhalten.

 
Aus einer aktuellen Untersuchung von Women on Farms Project wissen wir, dass 57 Prozent der landwirtschaftlichen Haushalte in Südafrika regelmäßig Hunger leiden. Das heißt: Monatlich hungert mindestens ein Haushaltsmitglied, meist eine Mutter, ein paar Tage vor dem Monatsgehalt oder der Sozialhilfe.
Nina Harder, Projekt-Referentin für Südafrika

 

Die Frauen brauchen daher dringend zusätzliche Einkommensmöglichkeiten, die sie von der Arbeit auf den Weinfarmen unabhängig macht. Hier setzt das „Women on Farms Project“ an, das „Unternehmer für Unternehmer“ seit Sommer 2018 finanziell unterstützt.

„Women on Farms Project“ stärkt das neu entdeckte Selbstbewusstsein der Frauen

„Women on Farms Project“ ist Oxfams Partnerorganisation. Sie stärkt seit 1992 die Frauen auf den Farmen. Der Name ist Programm, denn er steht für die Farmarbeiterinnen selbst: Die Farmarbeiterinnen sind die „Women on Farms“, sie selbst sind die Aktivistinnen, die von Arbeitgebern, Gerichten und der Politik gerechte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für die Farmarbeiterinnen einfordern.

In einer stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft lernen die Frauen im Projekt, sich zu behaupten. Das Einfordern ihrer Rechte ist einer von vielen Schritten hin zu einem neuen Selbstbewusstsein, für das „Women on Farms Project“ steht.

Die Aufseher schreien uns an und beschimpfen uns. Aber man kann nichts tun. Wenn man sich darüber beschwert, schicken sie einen für eine Woche nach Hause, ohne Bezahlung.
Landarbeiterin, die Weintrauben erntet und verpackt

Nach dem Motto „Nothing about us without us / Nichts über uns ohne uns“ treten sie füreinander und für andere betroffene Frauen ein. Sie organisieren sich, um sich gegenseitig  zu stärken, über ihre Rechte zu lernen und sich gemeinsam für diese einzusetzen

Pilotprojekt in Stellenbosch

Um den Farmarbeiterinnen zu mehr Unabhängigkeit zu verhelfen, startete „Women on Farms Project“ im Sommer 2018 ein Pilotprojekt. 150 Saisonarbeiterinnen und Arbeitslose in und um die Region Stellenbosch (Westkap) profitieren davon ebenso wie ihre Familienangehörigen, Haushaltsmitglieder, Nachbarn und Gemeindemitglieder.

Die Frauen werden motiviert, gefördert und darin bestärkt, ihre Potenziale zu erkennen und sie für sich zu nutzen. Sie sollen sich trauen, nicht nur das Offensichtliche zu sehen, sondern auch „größer“ zu denken und Träume zu verwirklichen. So werden sie in die Lage versetzt, ihre Situation nachhaltig zu verbessern. Bei einem großen Treffen, das mehr als 100 Frauen zusammenführte, tauschten sich die Frauen über ihre Fähigkeiten und Ideen aus. 

Das Treffen zeigte: 88 Prozent der Frauen besitzen bereits Fertigkeiten wie Nähen, Backen, Perlenstickerei, Stricken, Matten- und Konservenherstellung oder Obst- und Gemüseanbau. 12 Prozent von ihnen benötigen qualifiziertes Training, um  diese Fähigkeiten zu erlangen. Durch den intensiven Austausch entstanden auch Ideen wie die Gründung von Kinderbetreuungseinrichtungen, Catering und die Herstellung von Dekorationsbedarf für Veranstaltungen in den eigenen Gemeinden, Wäscheservice oder die Eröffnung eines Friseursalons.

Training und Coaching für die Frauen

Darauf aufbauend bietet „Women on Farms Project“ Trainings und Coaching an, damit die Frauen ihre Fähigkeiten professionalisieren und neue hinzulernen können. Zudem soll es Trainings geben, in denen die Frauen Wissen über Buchhaltung, Markt- und Sparmechanismen, Produktvertrieb und -marketing sowie Verbrauchererwartungen lernen.

Auch das Anlegen eigener Gemüsegärten soll unterstützt werden. Denn Armut und Hunger gehen oft zusammen. Mit eigenen Gärten können die Frauen ihre Ernährungssituation und insbesondere die ihrer Kinder erheblich verbessern. Des Weiteren können sie über den Eigenbedarf hinaus Produkte für den Weiterverkauf produzieren und sich so ein zusätzliches Einkommen sichern. Das Wissen, das sie rund um den Gemüseanbau erwerben, geben sie wiederum an Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung weiter, damit auch sie ihre Ernährungssituation verbessern können.

Mehr über die prekären Arbeitsbedingungen auf den Weinfarmen und ihre Folgen erfahren Sie in unserer Studie „Billig verkauft, teuer bezahlt“, die in Zusammenarbeit mit „Women on Farms Project“ entstanden ist.