Unsere Wirtschaft ist aus den Fugen: Wachsende soziale Ungleichheit spaltet Gesellschaften – nicht nur wirtschaftlich, auch sozial und politisch. Globale Konzerne nutzen ihre Macht, um Steuern zu umgehen und Preise zu diktieren, von denen Produzent*innen nicht leben können. Und die Klimakrise sorgt für Dürren, Stürme und Überflutungen, die vor allem im Globalen Süden Millionen Menschen ihre Existenzgrundlagen rauben.

Vielen ist bewusst, dass es ein „Weiter so“ nicht geben kann, wenn wir die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen tatsächlich erreichen wollen, wie es sich die Weltgemeinschaft bis 2030 vorgenommen hat. Dazu zählen die Überwindung der Armut und des Hungers, menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle und der Schutz natürlicher Ressourcen und ihre nachhaltige Nutzung.

Wirtschaft anders denken

Die britische Ökonomin und ehemalige Oxfam-Mitarbeiterin Kate Raworth plädiert vor diesem Hintergrund dafür, Wirtschaft radikal anders zu denken. Dabei sollten die langfristigen Ziele der Menschheit im Zentrum stehen. Ein solches Denken würde wegführen von der Dominanz der klassischen Kennzahl für wirtschaftliche Entwicklung, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Gegen die Wachstumskurve als Idealbild einer funktionierenden Wirtschaft stellt sie ein Schaubild, das an einen Donut erinnert: ein Ring, dessen äußerer Rand die planetaren Grenzen markiert, über die wir nicht hinauswirtschaften dürfen. Nach innen ist der Ring begrenzt durch menschenrechtlich begründete Mindestanforderungen sozialer, politischer und kultureller Teilhabe, die wir nicht unterschreiten dürfen. Dazwischen befindet sich „jener angenehme, ideale Bereich, der den Menschen einen sicheren und gerechten Raum bietet.“ Der Donut, so Raworth, ist so etwas wie unser Kompass für das 21. Jahrhundert.

Die Grafik zeigt das Donut-Modell: Ein äußerer Ring symbolisiert die ökologische Decke, die nicht überschritten werden darf; ein innerer Ring das gesellschaftliche Fundament, dessen Unterschreitung einen Mangel bedeutet.

Eine interaktive Version des Donut-Modells (auf englisch) gibt es auf der Website von Kate Raworth.

Demokratische Unternehmen mit Gemeinwohlbilanz

„Wirtschaftlicher Erfolg sollte in Zukunft nicht nur am Wachstum gemessen werden, sondern auch daran, ob die Menschen zufriedener werden, positiv in die Zukunft schauen, mehr Zeit für Familie und Freunde haben oder sich in der Gesellschaft wertgeschätzt fühlen“, fordert Ellen Ehmke, die sich bei Oxfam Deutschland gemeinsam mit Barbara Sennholz-Weinhardt damit befasst, welche Regeln und Strukturen ein nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes Wirtschaftsmodell braucht. Denkbar wäre etwa eine Gemeinwohlbilanz von Unternehmen, die diese nach ihrem ökologischen, sozialen und demokratischen Verhalten bewertet und auf deren Grundlage der Staat Unternehmenssteuern festlegt.

„Dies würde Betriebe fördern, die sich nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als soziale Akteure begreifen“, meint Barbara Sennholz-Weinhardt. Frauen, benachteiligte Gruppen (etwa Kleinbäuer*innen), Gewerkschaften sowie Menschenrechts- und Umweltorganisationen müssten in ihnen eine gewichtige Stimme haben. Dies trüge dazu bei, dass die Rechte aller Beteiligten respektiert werden und alle ihren fairen Anteil am erwirtschafteten Gewinn erhalten.

Direktvermarktung und Teilhabe

Dass solche Ansätze keine ferne Utopie sind, zeigen Beispiele aus Oxfams Programmarbeit: Im südlichen Indien gründeten 2006 mit Unterstützung von Oxfam vier landwirtschaftliche Gemeinden ein Unternehmen, das Modellcharakter hat. Die Just Change India Producer Company wirtschaftet nach Fairtrade-Prinzipien, vermarktet ihre Produkte wie Tee, Kaffee oder Honig direkt und garantiert den Produzent*innen einen Preis, der über dem gängigen Marktpreis liegt. Doch das Konzept geht über klassisches Fairtrade hinaus: Produzent*innen, Konsument*innen und Kapitalbesitzer*innen sind gleichberechtigte Anteilseigner*innen, die entsprechend ihres Beitrages an den Gewinnen beteiligt werden.

Im Nordosten Kambodschas unterstützt Oxfams Partnerorganisation Northeast Rural Development (NRD) lokale Gemeinden dabei, ihre Fischereigründe am Mekong zu schützen. Zu diesem Zweck haben sich in sieben Dörfern gemeinschaftlich betriebene Fischereien gegründet und für ihren Teil des Flusses Regeln für den Fischfang aufgestellt, zum Schutz der Laichgebiete, zur Begrenzung der Netzgrößen oder zum Verbot von schädigenden Fangmethoden. Verwaltet werden die Betriebe von einheimischen demokratisch organisierten Komitees.

„Bislang handelt es sich um wirtschaftliche Nischen“, räumt Ellen Ehmke ein. „Ob sie gesellschaftlich dominant werden können, ist jedoch weniger eine ökonomische als vielmehr eine politische Frage.“

 

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Der Kurzfilm „Die 25-Prozent-Revolution“ zeigt, wir jetzt und hier damit anfangen können, eine Wirtschaft für morgen zu gestalten: Er verdeutlicht die versteckten Kosten unseres aktuellen Wirtschaftssystems, konkretisiert das Modell der Donut-Economy und ermutigt zum Widerstand gegen Unterdrückung und Umweltzerstörung.