„Wir hatten mehr als 150 Ziegen“, berichtet Hafsa Abdikader Ahmed aus Somalia. „Jetzt sind es nur noch zwei. Alle anderen sind verdurstet oder verhungert in Folge der Dürre.“ Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern floh die 20-Jährige in ein Camp in der Nähe von Garowe, doch die Lage ist hier kaum besser – Wasser ist Mangelware.

Die junge Frau ist eine von 14,3 Millionen Ostafrikaner*innen, die im vergangenen Jahr aufgrund extremer Wetterereignisse ihre Heimat verlassen mussten – 9,6 Millionen mussten sich innerhalb ihres Heimatlandes einen Ort suchen, der ein Weiterleben ermöglicht, und 4,7 Millionen Menschen sind ins Ausland geflüchtet. Ganze Landstriche veröden, anderswo reißen gewaltige Überschwemmungen alles mit sich. Für Hafsa Abdikader Ahmed und ihre Familie ist der Verlust ihrer Ziegen verheerend: „Sie sind unsere Lebensgrundlage. Sie geben uns Milch, Fleisch und Geld, wenn wir sie verkaufen.“

Interview mit Ahmed Mohamud Omar - Viehhirte in Kenia

Porträt von Ahmed Mohamud Omar. Er ist mit einem blau-weiß karierten Hemd und einem rot-weißen Tuch bekleidet
Ahmed Mohamud Omar ist 70 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in Kenia. Das Land ist neben Somalia und Äthiopien am stärksten von Wasserknappheit betroffen.

Ahmed Mohamud Omar, wovon leben Sie?

Wir haben immer von den Tieren gelebt. Früher hatten wir Kamele, Kühe und Ziegen. Ich würde sagen, wir waren wohlhabend, wir hatten jede Menge Milch und Fleisch. Jetzt, wo die Dürre über uns hereingebrochen ist, sind die meisten Tiere gestorben. Früher hatten wir Esel, die Wasser von den Brunnen zu unseren Dörfern transportiert haben. Aber die einzigen, die noch da sind, sind zu schwach, um solche Lasten zu tragen. Ich habe einige Tiere verkauft, um eine Autorikscha zu kaufen, damit ich Wasser holen kann. Aber nun gibt es kein Benzin mehr. Das Leben ist so schwer geworden. Nicht nur für uns, für alle hier.

Was brauchen Sie gerade am dringendsten?

Wir brauchen Essen und Wasser. Ich habe Angst, dass die übrigen Tiere sterben. Ich habe sogar Angst, dass meine Kinder sterben. Jeden Morgen bete ich und zerbreche mir den Kopf darüber, wie ich an Lebensmittel und etwas Wasser kommen könnte – und wenn es nur 20 Liter sind. Ich wünsche mir so sehr, dass es meiner Familie wieder gut geht und dass wir Essen aus der Stadt kaufen können und wieder mehr Tiere haben.

Wie war das Leben hier vor der Dürre?

In den Tagen des Wohlstands war das ganze Land grün. Alle Viehzüchter lebten in diesen Gebieten, den ganzen Tag hörte man die Rufe der Tiere. Eselskarren fuhren umher, um Wasser von den Brunnen in die Dörfer zu transportieren. Kamele, Kühe und Ziegen tranken davon. Es gab Milch, Fleisch und Tee. Das ist jetzt nicht mehr so. Die Tiere sind verschwunden. Der Besitzer von 100 Kamelen hat nur noch 40 oder 30, und der Besitzer von 100 Ziegen hat nur noch 20. Kühe gibt es gar nicht mehr.

Der afrikanische Kontinent ist mit am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen. Dürren und Überflutungen zerstören besonders in Ostafrika lebenswichtige Ernten und Weideflächen und führen somit zum dramatischen Anstieg der Lebensmittelpreise. Hinzu kommen die Folgen des Krieges in der Ukraine: Der Preis für Weizen ist seit seinem Beginn um etwa ein Drittel gestiegen.

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Kurzfristige Nothilfe reicht nicht mehr

Kenia, Somalia und Äthiopien gehören zu den afrikanischen Ländern, die besonders stark von Wasserknappheit betroffen sind. Auch die Lebensmittel werden knapp: Auf den vertrockneten Böden wächst nichts mehr, das Vieh hat weder Wasser noch Gras, um zu überleben. Somalia leidet aktuell unter der schlimmsten Dürre seit 40 Jahren, die Vereinten Nationen warnen vor tausenden Hungertoten.

„Wir brauchen Essen für die Kinder und Futter für das Vieh“, sagt Abdulahi Farah Isse, der mit seiner Familie im nordöstlichen Somalia lebt.

Abdulahi Farah Isse steht, bekleidet mit einem weißen Shirt und einem grauen Wickelrock, auf einem sehr trockenen Boden. Im Hintergrund ist seine Unterkunft zu sehen.
Der Viehhirte Abdulahi Farah Isse steht vor seinem Haus in Puntland (Somalia). Durch die wiederkehrenden starken Dürreperioden hat er einen Großteil seines Viehbestands verloren und damit auch seine Haupteinnahmequelle.

„Seit ich klein bin, gab es immer wieder Dürreperioden, aber diese ist die schlimmste, die ich je erlebt habe.“ Er ist erst 27 Jahre alt, aber die Sorgen und der Hunger der vergangenen Monate haben sein Gesicht gezeichnet. Für ihn, seine Frau und die drei Kinder gibt es schon jetzt nicht mehr genug Nahrung. „Diese Dürre wird auf jeden Fall Konsequenzen für uns haben“, sagt Abdulahi Farah Isse. Fast die Hälfte seiner Kamele hat er in den vergangenen Monaten verloren. „Meine Kinder brauchen die Milch der Kamele. Wenn die Tiere sterben, weiß ich nicht, was wir tun sollen.“

Mehr als 44 Millionen Menschen in Ostafrika sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen; 24 Millionen Menschen in der Region sind von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen und brauchen dringend Nahrungsmittelhilfen. Hier zeigt sich, dass kurzfristige Nothilfemaßnahmen gegen die Auswirkungen der Klimakrise nicht mehr ausreichen. Prognosen nach wird schon im Jahr 2025 die Hälfte der Weltbevölkerung in wasserarmen Gebieten leben. Organisationen wie Oxfam stehen vor der Herausforderung, ihre humanitären Hilfsmaßnahmen neu auszurichten – hin zu vorausschauenden, präventiven und nachhaltigen Lösungen.

Eine Hand zieht einen grünen Eimer aus einem Steinbrunnen
Damit Brunnen und Wasserstellen wieder genutzt werden können, müssen sie saniert werden. Hierfür werden Frauen und Männer handwerklich ausgebildet.

„In Somalia konzentrieren wir uns aktuell darauf, gemeinsam mit lokalen Organisationen bestehende Wasserversorgungssysteme zu sanieren“, erklärt Lea Wende, Oxfam-Referentin für humanitäre Hilfe und Expertin auf dem Gebiet der nachhaltigen Wasser, Sanitär- und Hygiene (WASH)-Versorgung. Dies sind in erster Linie Brunnen und andere Wasserstellen, die rehabilitiert und so wieder nutzbar gemacht werden. „Weil das Grundwasser in weiten Teilen Somalilands, einer Region im Norden Somalias, zudem von Natur aus stark salzhaltig und deshalb zum Trinken ungeeignet ist, wurden hier vier solarbetriebene Entsalzungsanlagen installiert, die das Wasser durch Filtrierung von Salz und Sand befreien.“ So wird es für die Gemeinschaften vor Ort und für die Menschen, die vor der Dürre geflohen sind, aufbereitet.

Eine Hungersnot dramatischen Ausmaßes

Während es hier an Wasser mangelt, kommt es andernorts zu verheerenden Fluten: Der Südsudan ist seit Jahren immer wieder von Überschwemmungen betroffen – im letzten Jahr aber war die Lage besonders dramatisch. Große Teile des Landes standen unter Wasser, UN-Expert*innen sprachen von den schlimmsten Überschwemmungen seit 60 Jahren. „Die Lage hier ist schlecht“, sagt Christine Lundambuyu, Oxfam-Koordinatorin für Geschlechtergerechtigkeit und Sicherheit im Südsudan. „Viele Menschen mussten vor den Wassermassen fliehen.“ Expert*innen gehen von weiteren Fluten in diesem und den kommenden Jahren aus.

Hochwasser in einer Landschaft mit Bäumen. In der Mitte ist eine Plane sichtbar, die etwas in der Größe eines Autos zum Schutz abdeckt. Sie wird von großen Ästen beschwert.
Wie hier im Südsudan zerstören Überschwemmungen immer wieder die Lebensgrundlagen der Menschen. Die Klimakrise verstärkt solche Wetterphänomene seit Jahren.

In dem von bewaffneten Konflikten betroffenen Land mangelte es auch vorher schon an Lebensmitteln und sauberem Wasser. Die Fluten haben die Lage noch einmal verschärft: „Die meisten Menschen hier haben nicht einmal mehr annähernd genug Lebensmittel im Haus, obwohl sie zwei oder mehr Mahlzeiten pro Tag ausfallen lassen und an manchen Tagen gar nichts essen“, berichtet Christine Lundambuyu. Nach Angaben von OCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) gelten 1,3 Millionen Kinder im Südsudan als akut unterernährt. Eine Hungersnot entwickelt sich schleichend über Jahre, so Christine Lundambuyu: „Sie wird nicht überraschend kommen. Aktuell sehen wir, wie sie sich direkt vor unseren Augen abspielt.“

Rechts im Bild steht ein gelber Kanister mit blauem Deckel (Livesafer-Wasserfilter) auf einem Tisch, links daneben stehen zwei Gläser Wasser auf einem grünen Tablett. Im Hintergrund sitzt bzw. steht eine Gruppe von Menschen
In überfluteten Regionen wie Jonglei State im Südsudan kann eine Familie mit diesem von Oxfam entwickelten Lifesaver-Wasserfilter bis zu sechs Monate lang ihr Trinkwasser reinigen.

Aktuell leistet Oxfam in insgesamt drei betroffenen Regionen Nothilfe: Lakes State, Jonglei State und Pibor. Die Notmaßnahmen umfassen unter anderem die Verteilung von Nothilfesets zur Aufbereitung und sicheren Lagerung von Wasser, die Bereitstellung von Seife sowie Sets für die Menstruationshygiene für Frauen und junge Mädchen. Zudem werden Wasserlöcher gereinigt und wieder instandgesetzt. Um der weiteren Ausbreitung von infektiösen Krankheiten wie Cholera und COVID-19 entgegenzuwirken, informiert Oxfam außerdem die regionale Bevölkerung und bildet sogenannte Hygienepromotor*innen aus, die ihre Gemeinschaften über sichere Hygienepraktiken und COVID-19-Präventionsmaßnahmen unterrichten.

Drei Grundsätze nachhaltiger Wasser- und Hygieneversorgung

Langfristige Betriebsmodelle

Um auf die Klimakrise und ihre Auswirkungen zu reagieren, sollten Versorgungssysteme für Wasser und Sanitäranlagen sowie Hygienmaßnahmen (WASH) langfristig geplant werden – über die akute Notsituation hinaus. Camps für Geflüchtete bestehen durchschnittlich über 26 Jahre, was bedeutet, dass sie eine kontinuierliche Versorgungsinfrastruktur benötigen.

Innovation

Gemeinsam mit lokalen Partnern arbeitet Oxfam fortlaufend an der Entwicklung und Pilotierung innovativer Lösungsansätze und  -technologien, um eine nachhaltige WASH-Versorgung in humanitären Krisen gewährleisten zu können. So werden die Entsalzungsanlagen in Somaliland ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben.

Feedback

Damit die WASH-Versorgung tatsächlich von der Bevölkerung angenommen und genutzt wird, entsteht sie im engen Dialog mit den Menschen, für die sie gedacht ist. Beispielsweise wird geprüft, welche Ansprüche Einwohner* innen in einer bestimmten Region an eine Latrine stellen; die Bedürfnisse von Frauen stehen hierbei besonders im Fokus.

Die Klimakrise verschärft globale Ungleichheiten

Die Ereignisse in Somalia und dem Südsudan sind nur die Vorboten einer globalen Klimakatastrophe, die in den kommenden Jahrzehnten noch viel mehr Menschen aus ihrer Heimat vertreiben  wird. Obwohl es in erster Linie die reichen Industrienationen sind, die die Klimakrise weiter anfachen, werden die wirtschaftlich benachteiligten Länder die schwersten Folgen tragen – sie tun es schon heute.

Rexo Chimotokoma aus Malawi demonstriert die Bedienung eines grünen Wassereimers mit Oxfam-Logo drauf.
Wassereimer mit Hahn, Henkel und Deckel werden z. B. verteilt, damit in ihnen Trinkwasser sicher gelagert und vor Verunreinigungen geschützt werden kann.

Die Auswirkungen der Klimakatastrophe werden in den kommenden Jahrzehnten die Zahl der Menschen, die durch extreme Wetterereignisse vertrieben werden, drastisch erhöhen. Auch um die akuten Folgen dieser beispiellosen Krise abzumildern. Weltweit ist der Bedarf an humanitärer Hilfe so groß wie nie zuvor.

Extremwetterereignisse und langfristige Klimaveränderungen erfordern dabei eine Neuausrichtung; vorausschauendes, präventives und nachhaltiges Handeln werden zunehmend zu einer Grundvoraussetzung der humanitären Hilfe. Deshalb steht Nachhaltigkeit auch in Oxfams humanitärer Programmarbeit im Fokus – ganz besonders im Bereich der Wasser- und Hygieneversorgung.

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