Oxfam hat im Jemen rund 1.000 Menschen befragt, die vor den Kämpfen in andere Landesteile fliehen mussten. Drei Viertel von ihnen wurden von Luftangriffen in die Flucht getrieben, bei denen zudem die Wohnhäuser von 20 Prozent der Befragten zerstört wurden. Fast zwei Drittel gaben an, enge Familienangehörige seien getötet oder verletzt worden. Fast die Hälfte aller Familien hat unbegleitete Kinder bei sich aufgenommen.

Zerstörte Infrastruktur, Wirtschaft am Boden

Wer in seinen Heimatort zurückkehrt, findet dort zerstörte Schulen, Fabriken und Krankenhäuser vor. Nichtdetonierte Granaten, Minen und Bomben stellen eine ständige Gefahr dar. Die Wirtschaft liegt am Boden: Ein Viertel aller Unternehmen musste schließen, 70 Prozent der Arbeitskräfte wurden entlassen. Der Konflikt verursachte bislang Zerstörungen in Höhe von sieben Milliarden US-Dollar und ökonomische Verluste in Höhe von 12 Milliarden US-Dollar.

„Die Schutzlosesten zahlen den höchsten Preis in diesem brutalen Konflikt. Millionen Menschen droht Hunger, wenn die Welt nicht endlich handelt. Der Bedarf an humanitärer Hilfe ist riesig und finanziell bei Weitem nicht gedeckt. Die Regierungen mit Einfluss in der Region müssen alles daran setzen, im Jemen Frieden zu schaffen“, so Robert Lindner, Referent für humanitäre Krisen bei Oxfam Deutschland.

Perspektivlosigkeit treibt Männer zu bewaffneten Gruppen

Der Verlust an Einkommen und die hohe Inflation lassen die Finanzmittel zusammenschmelzen, mit denen sich die Menschen bislang über Wasser gehalten haben. Aus Mangel an ökonomischer Perspektive schließen sich viele Männer bewaffneten Gruppen an. Die von Oxfam Befragten berichten dabei auch von Zwangsrekrutierungen junger Männer und teilweise von Kindern. Die Spannungen zwischen lokalen Gemeinschaften und innerhalb von Familien steigen, Kriminalität und soziale Unruhen nehmen zu. Um ihre Töchter vor Armut und sexueller Belästigung zu schützen oder die Einkommenssituation von Familien zu verbessern, werden Mädchen häufiger als vor dem Krieg in Ehen gezwungen.

Offiziellen Angaben zufolge kamen seit Beginn des Konflikts im März 2015 3.799 Zivilisten ums Leben, 6.711 wurden durch Luftangriffe, Kämpfe und Granatenbeschuss verletzt und 3,1 Millionen Menschen mussten aus ihrem Heimatgebiet fliehen. Über 80 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, das sind rund 20 Millionen Menschen.

Oxfam fordert von allen Kriegsparteien Verhandlungen für eine politische Lösung des Konflikts, um das Blutvergießen zu beenden.