Das Wort Lieferkettengesetz ist aktuell in aller Munde. Während sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen seit Jahren für ein Lieferkettengesetz einsetzen, steht die Debatte laut Koalitionsvertrag für 2020 nun endlich auf der politischen Tagesordnung. Im CDU- und SPD-Parteitagsbeschluss war zu lesen, dass es gesetzliche Regelungen braucht und nicht darauf gesetzt werden kann, dass Unternehmen freiwillig Menschenrechte einhalten und Umweltschäden vermeiden. Das heißt: The Time is Now!

Mittlerweile haben das auch viele andere Akteure verstanden. So haben sich vergangenen Dezember erstmals über 40 deutsche Unternehmen für ein verbindliches Lieferkettengesetz zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards ausgesprochen. Darunter Nestlé Deutschland, Ritter Sport, Tchibo und Vaude. Im Januar hat sich sogar Primark-Deutschland-Chef Krogmann für ein Lieferkettengesetz positioniert. Das mag überraschen, denn das Fast-Fashion-Konzept und die Niedrig-Preis-Politik sind eigentlich dafür bekannt, zu Menschenrechtsverletzungen beizutragen.

Das Beispiel zeigt aber: Ein Lieferkettengesetz erhält immer breitere Unterstützung. Das ist auch in der Politik angekommen: So haben Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil angekündigt, Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz vorzulegen. Ein gesetzlicher Rahmen ist unerlässlich – und keine Zauberei.

Das zeigt unser Rechtsgutachten, das wir als Teil der Initiative Lieferkettengesetz mitentwickelt und veröffentlicht haben. Warum ein Gesetz längst überfällig ist und die Politik das Rechtsgutachten ernst nehmen sollte und endlich handeln muss? Hier 5 Gründe:

1. Weil es schon mehr als genug Schreckensmeldungen gibt

In den letzten Jahren ereigneten sich weltweit immer wieder schreckliche Katastrophen, an denen deutsche Unternehmen mit ihren Geschäften direkt oder indirekt beteiligt waren. So starben 2012 bei einem Brand in einer Textilfabrik in Pakistan, bei der KiK Hauptkunde war, über 250 Menschen. Und das ist leider nur die Spitze des (sehr großen) Eisbergs. Von brennenden Fabriken, über Gesundheitsfolgen durch Pestizide und zerstörte Regenwälder: Oxfam und viele andere Organisationen haben zahlreiche Belege für Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Es braucht also keinen weiteren Prüfprozess, ob ein Gesetz nun notwendig ist oder nicht. Denn all die Schreckensmeldungen zeigen überdeutlich: Deutsche Unternehmen tun zu wenig, um Menschenrechte in ihren Lieferketten zu achten. Ein Gesetz ist längst überfällig.

2. Weil wir uns nicht länger die Taschen volllügen sollten: Freiwilligkeit IST gescheitert

Unternehmen betonen immer wieder, dass sie sich für die Achtung von Menschenrechten und den Schutz der Umwelt einsetzen wollen. Doch warum reißen dann die Schreckensmeldungen nicht ab?

Jüngst haben sich sieben große Handelsketten in Deutschland zur Förderung existenzsichernder Einkommen für Erzeuger in Herkunftsländern verpflichtet. Doch entschied auch hier das Gutdünken der Unternehmen, wer dabei ist und wer nicht. So hat sich Edeka, der größte Lebensmittelhändler Deutschlands, komplett rausgezogen. Das Beispiel zeigt: Es braucht gesetzlich verankerte Standards, die für die gesamte Branche gelten. Verbindliche Regeln helfen dann den Unternehmen, die Menschenrechtsprobleme wirklich ernsthaft angehen wollen. Sie leiden endlich nicht länger unter Wettbewerbsnachteilen.

3. Weil ein Gesetz zu positiven Veränderungen beitragen kann und die Rechte von Betroffenen stärker geachtet würden

Ein Lieferkettengesetz bringt potentiell viele positive Veränderungen in der Produktion und beim Anbau vor Ort. So profitieren Anwohner*innen in der Nähe einer Fabrik natürlich davon, wenn sich diese an verpflichtende Abgaswerte hält und giftige Abwässer nicht länger ins Grundwasser geleitet werden. Auch würden Betroffene von Menschenrechtsverletzungen durch ein Gesetz endlich die Möglichkeit haben, ein Unternehmen bei Verstößen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Rechte der Betroffenen müssen geachtet und die Lücke im deutschen Recht geschlossen werden.

4. Weil Erwachsene nun einmal Verantwortung tragen – das gilt auch für Unternehmen

Bislang haften deutsche Unternehmen nicht dafür, wenn entlang ihrer Lieferkette Menschenrechtsverletzungen auftreten. Doch wer Schäden anrichtet, muss dafür Verantwortung übernehmen. Deutsche Unternehmen profitieren von der Möglichkeit weltweiter Märkte, sind aber nicht dazu verpflichtet, entsprechend Verantwortung zu nehmen. Das muss sich ändern!

5. Weil Deutschland hier nicht Bummelletzter sein darf und die Politik auf die Bürger*innen hören sollte

Deutschland ist hinter den USA und China das drittgrößte Importland und hat damit einen wichtigen Stellenwert im globalen Lieferkettengesetz-Gefüge. Doch bei gesetzlichen Regelungen kommt es seiner Verantwortung, die mit diesem Stellenwert einhergeht, nicht nach. Dass ein Gesetz zum Schutz von Mensch und Umwelt sehr wohl durchsetzbar ist, haben andere Länder bereits vorgemacht: In Frankreich, Finnland, Belgien und den Niederlanden sind z.B. Gesetze verabschiedet oder auf den Weg gebracht worden. Wenn es ein Gesetz in Deutschland gäbe, würde auch der Druck auf die EU-Kommission steigen, eine starke europäische Regulierung zu erarbeiten. Mit dem jüngst veröffentlichten Rechtsgutachten der Initiative Lieferkettengesetz gibt es auch für ein Gesetz in Deutschland schon einen konkreten Rahmen, auf den nun gut aufgebaut werden kann.

Last but not least: Bereits über 100.000 Menschen fordern im Rahmen der Initiative Lieferkettengesetz von der Bundesregierung ein Lieferkettengesetz. Konsumentinnen und Konsumenten wollen ihre Tasse heiße Schokolade und ihren Kaffee genießen können, ohne fürchten zu müssen, dass dafür Mensch und Umwelt Schaden getragen haben.

1 Kommentar

Wir müssen gemeinsam dazu beitragen, dass wir unsere Existenzgrundlagen nicht noch weiter zerstören. Die Schönheit unseres Planeten darf nicht durch die Machenschaften von Konzernen und verantwortungslosen Politiker*innen vergehen.
Menschenrechte müssen geachtet werden.

Kommentieren

Wir freuen uns über anregende Diskussionen, sachliche Kritik und eine freundliche Interaktion.

Bitte achten Sie auf einen respektvollen Umgangston. Auch wenn Sie unter einem Pseudonym schreiben sollten, äußern Sie bitte dennoch keine Dinge, hinter denen Sie nicht auch mit Ihrem Namen stehen könnten. In den Kommentaren soll jede*r frei seine Meinung äußern dürfen. Doch es gibt Grenzen, deren Überschreitung wir nicht dulden. Dazu gehören alle rassistischen, rechtsradikalen oder sexistischen Bemerkungen. Auch die Diffamierung von Minderheiten und Randgruppen akzeptieren wir nicht. Zudem darf kein*e Artikelautor*in oder andere*r Kommentator*in persönlich beleidigt oder bloßgestellt werden.

Bitte bedenken Sie, dass Beleidigungen und Tatsachenbehauptungen auch justiziabel sein können. Spam-Meldungen und werbliche Einträge werden entfernt.

Die Verantwortung für die eingestellten Kommentare sowie mögliche Konsequenzen tragen die Kommentator*innen selbst.