Ackerbau, Tierhaltung und Fischerei versorgen weltweit Menschen mit Nahrung. Paradoxerweise zerstören sie gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen. In ihrer Maßlosigkeit verantwortet die industrielle Landwirtschaft einen Großteil des weltweiten Süßwasserverbrauchs und verursacht bis zu 30 Prozent der Treibhausgase. Leergefischte Meere, abgeholzte Wälder, Monokulturen und Chemikalien, die massiv zum Artensterben beitragen, zeichnen ein düsteres Bild von der Zukunft.

Eine Dystopie, die für Kleinbäuer*innen und Landarbeiter*innen in wirtschaftlich benachteiligten Ländern längst Realität ist: „An vielen Orten fehlt den Menschen Wasser zum Trinken, Waschen oder Kochen“, so Marita Wiggerthale, Oxfams Expertin für Welternährung. „Giftige Pestizide gefährden nicht nur die Gesundheit von Feldarbeiter*innen, sondern auch von Familien, die in der Nähe der Anbauflächen leben. Und immer mehr Bäuer*innen geraten in Abhängigkeit von teuren Pestiziden und Kunstdünger – viele müssen sich deswegen verschulden.“

Großkonzerne versus Kleinbäuer*innen

Massenproduktion von Nahrungsmitteln auf der einen, Hunger auf der anderen Seite: Mindestens drei Milliarden Menschen können sich nach neuesten Schätzungen keine gesunde Ernährung leisten, konstatiert der von Oxfam mitveröffentlichte Bericht „Towards a Wellbeing Economy“.

Internationale Unternehmen profitieren immens von einer Landwirtschaft, die auf die chemische Keule setzt.
Marita Wiggerthale

Übermächtige Konzerne dagegen verdienen sich auf dem Lebensmittelmarkt eine goldene Nase. Platz Eins und Zwei der reichsten Personen in Deutschland nehmen die Eigentümer der Discounterkette Aldi und Dieter Schwarz ein, dem unter anderem der Rivale Lidl gehört. Doch nicht nur Supermarktketten machen Gewinne mit Ausbeutung und Leid, erklärt Marita Wiggerthale: „Auch internationale Agrochemie- und Saatgutunternehmen profitieren immens von einer Landwirtschaft, die auf die chemische Keule setzt. Sie nutzen ihre Macht, um sich einen Großteil der Gewinne zu sichern, während diejenigen, die die Nahrungsmittel produzieren, zu ruinösen Preisen oder Hungerlöhnen schuften müssen. Gleichzeitig üben die Konzerne großen Einfluss auf die Politik aus, um eine gerechtere und nachhaltigere Landwirtschaft zu blockieren.“

Aber ist es überhaupt möglich, sozial und ökologisch gerecht fast acht Milliarden Menschen satt zu bekommen?

Ja, sagt Oxfams Ernährungsexpertin: „Die Agrarökologie bietet Lösungen für Probleme wie Armut, Ungleichheit und Hunger. Diesen ganzheitlichen Ansatz haben ländliche soziale Bewegungen entwickelt, größtenteils in wirtschaftlich benachteiligten Ländern. Grundlage sind ökologische Prinzipien und das Menschenrecht auf Nahrung.“

Oxfams burundische Partnerorganisation ADISCO ist überzeugt von diesem Ansatz. Gemeinsam mit Kleinbäuer*innen vor Ort entwickelt und verbreitet ADISCO agrarökologische Anbaumethoden. In Feldversuchen testen sie unter anderem verschiedene natürliche Pflanzenschutzmittel oder die Gewinnung von ökologischem Dünger. Die so gefundenen Lösungen passen perfekt zu den lokalen Gegebenheiten und sorgen für gute Ernten, ganz ohne teure Chemikalien – und ohne Abhängigkeit von Agrarkonzernen.

Dünger und Steinwälle steigern Erträge

Häufig entstehen sogar neue Arbeitsplätze. Stanislas Ndabirorere aus der Kommune Ngozi etwa hat sich zur Herstellung von Dünger die Methode der Schnellkompostierung angeeignet. „Die Technik erfordert keinen großen Aufwand und die Zersetzung geschieht sehr schnell“, berichtet der Kleinbauer. „Jetzt verkaufe ich den überschüssigen Dünger hier in Ngozi.“ Vom Gewinn bezahlt er nicht nur das Schulgeld für seine Kinder, sondern konnte auch Leute anstellen, die seine Felder pflügen.

In der malischen Sahel-Sudanzone wendet Oxfams Partnerorganisation STOP-SAHEL mit den Kleinbäuer*innen andere Lösungen an: Sie errichten lange Steinwälle, um dem Regenwasser die nötige Zeit zum Versickern zu geben. Fanèké Coulibaly aus der Kommune Badia hatte die Methode bereits früher ausprobiert – allerdings ohne den gewünschten Erfolg.

Heute weiß er es besser: „Durch das Projekt haben wir gelernt, Höhenlinien zu vermessen und beim Bau der Steinwälle zu berücksichtigen“, erklärt der Landwirt. Denn besonders zu Anfang der Regenzeit, wenn der Boden trocken ist, können sich schon bei kleinen Höhenunterschieden wahre Sturzbäche bilden. Nur exakt an den Höhenlinien entlang platzierte Steine bremsen die Fluten zuverlässig.

118 Meter Steinwälle hat Fanèké Coulibaly bereits gelegt, nächstes Jahr will er die Länge noch einmal verdoppeln. Denn die bessere Durchfeuchtung hat auch positive Wirkungen auf die Bodeneigenschaften: „Den Unterschied sieht man auf der einen und der anderen Seite des Steinwalls“, demonstriert er. „Wenn man auf der geschützten Seite ein bisschen gräbt, erkennt man gleich an der Farbe, dass hier viel mehr Nährstoffe im Boden sind.“

Arbeit fällt auf fruchtbaren Boden

Wenn im malischen Landkreis Kita die Regenzeit beginnt, können die ausgetrockneten Böden das Wasser kaum aufnehmen. Es fließt von den Feldern und spült dabei wertvolle Nährstoffe fort. Die Steinwälle, die Fanèké Coulibaly auf sein Bohnenfeld gesetzt hat, halten das kostbare Nass auf. Auf dem Weg bergab passiert es viele der kleinen Dämme, die parallel zu den Höhenlinien auf dem Feld verlaufen. Gelöste Nährstoffe bleiben so am nächsten Steinwall wieder hängen. Die Bodenfruchtbarkeit wächst dadurch schnell – und damit auch die Ernten. 

Fanèké Coulibaly hockt auf seinem Bohnenfeld und platziert Steine zu einer Mauer
Der malische Kleinbauer Fanèké Coulibaly setzt Steinwälle auf sein Bohnenfeld, um das Regenwasser effektiver für den Boden nutzen zu können

Information, Austausch und Vernetzung

Die mühevolle Arbeit lohnt sich nur, wenn die Menschen ihre Parzellen dauerhaft nutzen können. Doch flächenintensive Landwirtschaft, Bergbau und Urbanisierung vertreiben immer mehr Kleinbäuer*innen von ihrem Land. Gesetze zu ihrem Schutz finden häufig keine Anwendung, obwohl die malische Regierung lokale Kommissionen eingesetzt hat, die in Landrechtsfragen beraten sollen.

Bei einem Workshop, zu dem STOP-SAHEL Verwaltungs- und Kommissionsmitglieder sowie Bauernvertreter*innen eingeladen hat, wurde deutlich, warum: Für ihre Arbeit wichtige Informationen kamen einfach nicht bei diesen Stellen an. Zudem stehen den Kommissionen schon seit Jahren Gelder zu, die sie nun einfordern werden.

Wissen austauschen, sich vernetzen und Rechte gemeinsam durchsetzen: Auch das ist ein wichtiges Prinzip der Agrarökologie. So können ländliche Gemeinschaften dauerhaft die Kontrolle über ihre Ressourcen und Lebensgrundlagen zurückgewinnen.

 

Abbildung von Saatgut, das auf landwirtschaftlichen Boden verstreut wird

In vielen Ländern des Globalen Südens setzt Oxfam gemeinsam mit Kleinbäuer*innen auf agarökologische Anbauprinzipien als nachhaltiger Weg aus der Armut. Unterstützen Sie unsere Arbeit!

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4 Kommentare

Mein 1902 geborene Vater war viele Jahre neben seinem Beruf als Bauernverbandsfunktionär agrarjournalistisch tätig.
Die Erhaltung des Kleinbauerntums weltweit lag ihm besonders am Herzen. Von seinen Kollegen wurde er in den 60er
Jahren belächelt. Interessant ist der Gedanke des ökologischen Fußabdrucks. Die Kleinbauern haben im Gegensatz
zur modernen Agrarindustrie die jahrhundertelang umweltverträglich gearbeitet. Die Arbeit von Oxfam finde ich ermutigend.

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