Die COP27 steht vor besonderen Herausforderungen – der Krieg in der Ukraine erzeugt einen erheblich veränderten geopolitischen Kontext und birgt für die internationale Zusammenarbeit absehbar große Gefahren. Auch die indirekten Folgen, wie etwa die in Deutschland omnipräsente Energiekrise und die Auswirkungen der weltweiten Ernährungskrise, die wiederum einen negativen Einfluss auf die wachsende Schuldenkrise in wirtschaftlich benachteiligten Ländern hat, verändern die Gemengelage und sind alles andere al günstige Vorzeichen für Fortschritte in der internationalen Klimapolitik.

Hinzu kommen besorgniserregende Nachrichten der Klima-Agenda. Nach wie vor steuern wir, wegen der viel zu schwachen Klimaziele der meisten Länder, auf eine Verschärfung der Klimakrise zu. In dieser sind Hitzewellen und Waldbrände in Europa, die schlimme Dürre im östlichen Afrika und zuletzt die extremen Überschwemmungen in Pakistan noch vergleichsweise milde Vorboten einer katastrophalen Zukunft globalen Ausmaßes.

Keine leichte Ausgangslage also für die nächsten zehn Tage.

Ausreichend Klimaschutz? Fehlanzeige.

Den Folgen der globalen Erwärmung steht die eklatante Unzulänglichkeit der Klimaziele der Länder unter dem Pariser Abkommen gegenüber. Gerade noch hatte das Klimasekretariat der Vereinten Nationen in einer Auswertung der eingereichten Klimaziele der Länder festgestellt, dass die globalen Emissionen bis 2030 noch um 11 Prozent ansteigen werden. Und das obwohl sie um 45 Prozent fallen müssten (gegenüber 2010), um die Erderhitzung auf maximal 1,5°C zu begrenzen, wie es das Pariser Abkommen zum Ziel hat. Das ist alles nicht wirklich neu und war auch schon Thema vergangener Klimakonferenzen. Die Vorgabe der COP26, dass jedes Land seine unzureichenden Klimaziele innerhalb eines Jahres nachbessern solle, haben die meisten Länder trotzdem schlicht ignoriert – dabei betreibt fast kein Land ausreichend Klimaschutz.

Die COP27 muss dringend gegensteuern – und konkrete Schritte vereinbaren, die Klimaziele nachzubessern und die globale Kooperation zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur Abkehr von den klimaschädlichen fossilen Energieträgern zu vervielfachen. Spielraum ist keiner. Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte schon vor einem Jahr festgestellt, dass es für die Einhaltung der 1,5°C-Grenze keine neuen Investitionen in fossile Energien mehr geben dürfe.

Wer zahlt für die Klimaschäden? 

Großes Konfliktpotential für die COP27 birgt auch der Umgang mit den unvermeidlichen Klimafolgeschäden in den einkommensschwachen und von den Folgen der Klimakrise besonders betroffenen Ländern des „Globalen Südens“. Wenn dort die Möglichkeiten zur Anpassung an den Klimawandel erschöpft sind, kommt es unweigerlich auch zu Zerstörungen, Schäden und Verlusten – etwa infolge zunehmender Unwetterkatastrophen oder durch schleichende Veränderungen wie veränderte Niederschlagsmuster, die Ernten zurückgehen lassen.

Klar ist: Das bestehende System der Humanitären Hilfe reicht nicht aus. Noch vor einem Jahr hatten die Industrieländer einen Beschluss blockiert, der die finanzielle Unterstützung für die Bewältigung solcher Klimafolgeschäden auf eine verbindlichere Basis hätte stellen sollen. Benötigt wird diese Sicherheit etwa für den Wiederaufbau nach Unwetterkatastrophen oder die Schaffung alternativer Einkommensmöglichkeiten, wenn die bisherigen Lebensgrundlagen buchstäblich auf den Feldern vertrocknen oder im steigenden Meeresspiegel untergehen.

Vor allem wirtschaftlich benachteiligte Länder fordern nun von der COP27 Fortschritte. Die COP27 muss jetzt dringend den Weg ebnen für geeignete Instrumente und Einrichtungen, über die betroffene Länder durch die Verursacher der Klimakrise verlässlich und ausreichend unterstützt werden können. Die Industrieländer (darunter Deutschland) sollten durch neue Finanzzusagen auf der COP27 für die Bewältigung künftiger Zerstörungen auch ein deutliches Signal senden: Dass sie bereit sind, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Finanzielle Unterstützung ungenügend

Auch bei der bereits zugesagten, und auch im Pariser Abkommen verpflichtend festgeschriebenen, Unterstützung bei Klimaschutz und Anpassung an die Veränderungen für einkommensschwache Länder hapert es. 2009 hatten die Industrieländer versprochen, die Klima-Hilfen bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu steigern. Nicht nur klammert diese Unterstützung den Bereich Klimafolgeschäden aus, sondern die Industrieländer haben auch ihr Versprechen nicht halten können. 2020 kamen nach der Zählung der Geberländer lediglich knapp über 80 Milliarden US-Dollar zusammen. Und auch diese Zahl ist geschönt, denn sie unterschlägt, dass viele der in dieser Summe zusammengefassten Projekte oft weder Klimaschutz noch Anpassung wirklich als Ziel verfolgen. Nun soll das 100-Milliarden-Ziel bis 2023 erreicht werden – aber einige Länder, darunter vor allem die USA, aber auch Deutschland, halten sich bisher nicht an die eigenen Zusagen.

Zudem werden rund 70 Prozent der öffentlichen Gelder in Form von Krediten verliehen, die die Schuldenlast der einkommensschwachen Länder noch weiter in die Höhe treiben – zur Bewältigung einer Krise, zu der diese Länder oft kaum oder gar nicht beigetragen haben.

Ein dauernder Kritikpunkt bleibt, dass der Großteil der Gelder für den Klimaschutz und nur zwischen einem Viertel bis einem Drittel der Gelder für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen genutzt wird. Letzteres ist aber für besonders betroffene Länder sehr wichtig, um ihre Ernten zu sichern oder die lokale Bevölkerung vor Stürmen, Überschwemmungen oder Dürren zu schützen. Deswegen hatte immerhin die Klimakonferenz im letzten Jahr zum Ziel, die Klima-Hilfen für die Anpassung bis 2025 zu verdoppeln – einen Fahrplan dafür, wie das gelingen soll, sind die Geberländer bisher aber schuldig geblieben.

Und Deutschland?

Die Bundesregierung sieht sich oft als Vorreiter im Klimaschutz und als konstruktiven Akteur auf den alljährlichen UN-Konferenzen. Wieviel davon in Scharm El-Scheich zu spüren sein wird, bleibt abzuwarten. Zwar hatte die Bundesregierung noch zugesagt, die Klima-Hilfen für einkommensschwache Länder bis 2025 auf jährlich mindestens 6 Milliarden Euro anzuheben, für 2022 und 2023 aber sollen die Mittel nicht steigen. Auch die Energiewende in Deutschland stockt, und jetzt möchte Bundeskanzler Scholz offenbar im Senegal neue Gasvorkommen erschließen und beim Aufbau der nötigen Infrastruktur helfen, um die russischen Gasimporte zu ersetzen. Dabei war Deutschland letztes Jahr noch Teil einer viel beachteten Initiative mehrerer Länder, die sich verpflichtete, bis Ende 2022 die Finanzierung fossiler Energieprojekte im Ausland zu beenden. So schnell geht Kehrtwende. 

2 Kommentare

Das Verursacher-Prinzip sollte überall gelten, aber noch drücken sich die reichen Industriestaaten vor ihrer Verantwortung und die Verhandlungen drohen in politischen Sandkastenspielchen à la „Wenn du das nicht machst, dann mach‘ ich das auch nicht!“ stecken zu bleiben.
Wird am Ende wieder einmal der Nationalegoismus die Oberhand behalten?
Außenministerin Baerbock hat ja vollkommen Recht: Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, nicht der Charity! Aber die Vorschläge bleiben vage, und eine Einigung ist leider ungewiss.

Es ist unerträglich, wie sämtliche Klimaziele verwässert werden! So eine schlimme COP gab es selten. Aber wen wundert das, denn der Ukraine Krieg und die Energiekrise dominieren das Denken, zudem findet sie doch in einem Land statt, wo selbst das Demonstrationsrecht drastisch eingeschränkt ist und Aktivisten über Jahre gefangen gehalten werden. Nicht nur ein Haufen Greenwasvon, sondern sogar Rückschritte, was den Ausstieg aus den Fossilen, die 1,5 Grad Grenze und die Verpflichtung, MAPA zu angemessen zu unterstützen (loss & damage) angeht.
Deswegen veranstalten wir am Ende der COP27 von 15.30 -16:45 eine Mahnwache mit Performance (Earth Jenga und Red Rebels) vor dem Zukunftsmuseum Nürnberg.
Rebel for Life!

Nico, Extinction Rebellion Nürnberg

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