Die Zahl der Menschen, die mit dem neuartigen Corona-Virus infiziert sind, ist auf fast 10 Millionen angewachsen, fast eine halbe Million Tote sind weltweit zu beklagen. Nach Europa und den USA erreichen uns jetzt erschreckende Bilder aus Brasilien, Mexiko und Peru. Dagegen sind gegen Ende Juni die Zahlen in Afrika mit ungefähr 350.000 registrierten Infizierten und 9.000 Toten vergleichsweise niedrig. Bedeutet das Entwarnung für den afrikanischen Kontinent?

Zur Erklärung der vergleichsweise niedrigen Zahlen gibt es unterschiedliche Gründe und verschiedene Theorien. So wird in vielen afrikanischen Ländern viel weniger auf das Virus getestet als in anderen Regionen der Welt. Während in Deutschland Mitte Juni 60.000 Tests auf eine Million Einwohner kamen, waren es im Sudan nur 9 und in Burundi 32. Fehlende Testkapazitäten, häufig auch fehlender politischer Wille, führen in vielen Ländern dazu, dass Zahlen noch unzuverlässiger sind als in Europa oder den USA.

Dies ist jedoch nicht überall der Fall: In Mauritius wurden schon über 10% der Gesamtbevölkerung getestet, und auch in Dschibuti, Marokko, Botswana und anderen afrikanischen Ländern sind die Test-Raten recht hoch – die Fallzahlen aber dennoch vergleichsweise niedrig.

Sind afrikanische Länder besser vorbereitet?

Eine weitere Erklärung: Viele afrikanische Länder sind auf den Umgang mit Epidemien vorbereitet. Vor allem die Ebola-Ausbrüche der letzten Jahre haben das Bewusstsein bei Regierungen und in der Bevölkerung geschärft, es wurden effektive Kontrollen und Hygienemaßnahmen eingeführt, die jetzt leicht reaktiviert werden konnten. Dazu gehört, dass Fallmanagementsysteme und Richtlinien zum Umgang mit übertragbaren Krankheiten bereits vorhanden und eingeübt sind, die jetzt zügig auf Covid-19 angepasst werden konnten. In vielen Ländern gibt es bereits „rapid-response-teams“ und Menschen, die darin ausgebildet sind, Kontaktketten nachzuverfolgen. 

Zudem haben die meisten Staaten Afrikas schon Anfang März ihre Grenzen geschlossen, internationale Flüge gestrichen und Quarantäne-Maßnahmen verhängt. Zu dem Zeitpunkt war die Pandemie in Europa schon weit verbreitet - die Zahl der Infizierten in den meisten afrikanischen Ländern war aber noch sehr gering. Die senegalesische Regierung hatte bereits im Januar 2020 damit begonnen, Maßnahmen gegen den Ausbruch der Pandemie zu ergreifen, als gerade die ersten internationalen Warnungen ausgesprochen wurden. In Ghana wurde später das kostengünstige „Pool testing“ eingeführt und Tests mit Drohnen in abgelegene Regionen gebracht. Reagieren manche afrikanische Regierungen vielleicht sogar besser auf die Pandemie?

Keine Entwarnung – im Gegenteil

Für Besorgnis sorgen hingegen Zahlen aus Ländern wie Südafrika, Ägypten und Nigeria, wo Zehntausende infiziert und tausende Menschen gestorben sind und die Infektionszahlen in den letzten Tagen rasant nach oben geschnellt sind.

Unabhängig von der Frage der Infektionszahlen hat die Pandemie jedoch schon jetzt zu massiven Problemen geführt: Auf einem Kontinent, auf dem mehr als zwei Drittel der Stadtbevölkerung im informellen Sektor arbeitet, bedeuten fehlende Einkommensmöglichkeiten in kürzester Zeit Armut und Hunger. Allein in Westafrika könnte die Zahl der Menschen, die von Ernährungsunsicherheit und Unterernährung bedroht sind, von 17 auf 50 Millionen Menschen steigen.

Ostafrika ist sogar von drei Krisen gleichzeitig bedroht: Neben den Folgen der Corona-Pandemie leidet die Region seit Monaten unter Heuschreckenschwärmen und Überflutungen – eine tödliche Mischung, die nach Aussagen der Oxfam Regionaldirektorin Lydia Zigomo „Hunger, Armut und Leid über Millionen schutzbedürftige Menschen zu bringen droht.“

Angesichts fehlender sozialer Sicherungssysteme besteht die Gefahr, dass es in Afrika weitaus mehr Tote durch Hunger geben wird als durch das Virus selbst. Weltweit wird befürchtet, dass 40 Millionen Menschen aufgrund der Corona-Pandemie sterben könnten, wenn nicht drastische Maßnahmen ergriffen werden, um dies zu verhindern. Die internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt, dass 200 Millionen Menschen arbeitslos werden könnten.

Unter diesen Bedingungen sind dauerhafte Ausgangsbeschränkungen kaum durchzuhalten, was wiederum das Risiko erhöht, dass das Virus sich ausbreiten könnte. Angesichts der großen Herausforderungen durch die Folgen der Pandemie haben afrikanische Intellektuelle und Schriftsteller*innen ihre Regierungen in einem offenen Brief dazu aufgefordert, die Interessen ihrer Bürger*innen in den Mittelpunkt der Anstrengungen zur Eindämmung und Überwindung der Krise zu stellen.

Das Schlimmste verhindern

Es gibt also leider keine Entwarnung für Afrika, und die Anstrengungen afrikanischer Regierungen müssen dringend unterstützt und ergänzt werden. Hierfür ist ein umfassender Schuldenerlass ein unabdingbarer und längst überfälliger Schritt. Da, wo Regierungen die Betroffenen nicht erreichen, müssen die Menschen mit Hilfsangeboten unterstützt werden, um die massive Ausweitung von Armut und Hunger zu vermeiden. Oxfam trägt dazu mit ganz konkreten Maßnahmen bei: Von Präventions- und Hygienekampagnen zu COVID-19 über  die Verteilung von Geld und Hygienesets bis zur Ausgabe von kostenlosen Mahlzeiten an Wanderarbeiter*innen. Mehr zu unseren Forderungen und Maßnahmen finden Sie hier.

11 Kommentare

Ein Schuldenschnitt ist extrem wichtig aber nur die eine Seite. Wenn es nicht gelingt, den Steuerwettbewerb in Europa und der Welt zu beenden, wird sich die Krise der Globalisierung vertiefen, das Arm -Reich - Gefälle weiter vergrößern und der Nationalismus fortschreiten - ein erschreckendes Szenario.

Der Grund ist schlicht und ergreifend das in vielen Teilen Afrikas seit Jahrzehnten Hydroxichloroquin als Malaria-Mittel im Einsatz ist.

Ich danke Euch für den sehr ausgewogenen Artikel und empfehle ihn auch in den Oxfam-Läden in geeigneter Form an die BesucherInnen zu verteilen. Einen Schuldenerlass befürworte ich 100%ig. Eine kurze Info über www.erlassjahr.de ist hilfreich für die Empfänger des newsletter.

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