Zu Recht wurde die COP26 in Glasgow schon im Vorfeld zur wichtigsten UN-Weltklimakonferenz seit dem Klimagipfel Ende 2015 in Paris gekürt. Warum das so ist? Keine der großen Wirtschaftsnationen – auch nicht Deutschland – ist derzeit bereit, fair und ausreichend zum global nötigen Klimaschutz beizutragen, damit die Klimakrise nicht außer Kontrolle gerät. Wirtschaftlich privilegierte Länder mit hoher Verantwortung für das Verursachen der Klimakrise müssten dabei deutlich mehr reduzieren als Länder mit geringen Treibhausgasemissionen und weit verbreiteter Armut. Zusammen bräuchte es bis 2030 eine Halbierung der globalen Emissionen, um die globale Erwärmung unter der kritischen Grenze von 1,5°C halten zu können, wie es das Pariser Abkommen vorsieht. Tatsächlich aber ergeben die nationalen Selbstverpflichtungen, die alle Länder unter dem Pariser Abkommen alle fünf Jahre verschärfen müssen, bis 2030 eine deutliche Steigerung der Emissionen. Diesem krassen Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit mussten sich die Staaten in Glasgow stellen.
Verschärfung der Klimaziele
Dass die Regierungen mit neuen Klimazielen im Gepäck nach Schottland kommen würden, war nicht zu erwarten. Immerhin – sozusagen als letzte Sicherheitsleine – findet sich nun aber im „Pakt von Glasgow“ (so, vielleicht etwas überhöht, die Bezeichnung des Abschlussdokuments der COP26) die Aufforderung, ihre schwachen Klimaschutzziele nicht erst in fünf Jahren, sondern schon bis nächstes Jahr nachzubessern. Das ist ein wichtiges Ergebnis. Aber damit es Früchte trägt, müsste schon viel passieren, da reicht schon ein Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Deutschland: Die nächste Bundesregierung müsste unverzüglich einen robusten Plan vorlegen, der Deutschland auf einen Pfad bringt, der mit der 1,5°C-Grenze des Pariser Abkommens verträglich ist. Zwei der drei beteiligten Parteien aber haben offenbar kein Problem damit, die Ergebnisse von Glasgow gleich wieder zu verraten, kaum dass die Tinte unter den Beschlüssen trocken ist. Das wird in vielen anderen Ländern ähnlich sein, denn rückwärtsgewandte Politiker*innen gibt es überall.
Ein anderer interessanter Punkt im Abschlussdokument: Alle Staaten sind aufgefordert, die Abkehr von der klimaschädlichen Kohle und den Abbau von Subventionen für die fossilen Energien zu beschleunigen. Das würde man für selbstverständlich halten, aber tatsächlich gab es um diese Passage in der Schlussphase der COP26 noch einmal heftige Auseinandersetzungen. Auch außerhalb der formalen Verhandlungen gab es fast täglich Ankündigungen zu neuen Initiativen oder Allianzen, etwa zum internationalen Waldschutz, zum Ende der öffentlichen Finanzierung fossiler Energien im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit oder zum Ende des Verbrennermotors. Solche Initiativen senden zwar wichtige Signale aus, dass sich das Zeitalter der fossilen Klimakiller dem Ende zuneigt. Sie dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir die Klimakrise nur in den Griff bekommen, wenn die Regierungen solche letztlich freiwilligen Initiativen auch in eine Verschärfung ihrer Klimaschutzziele übersetzen.
Heiße Luft im Pariser Abkommen
Problematisch sind die Ergebnisse zur Umsetzung des Artikel 6 des Pariser Abkommens. Dieser besagt, dass Regierungen oder Unternehmen in Kooperationsprojekte in anderen Ländern investieren können, um für den erzielten Klimaschutz CO₂-Gutschriften zu erhalten, die dann weiterverkauft werden oder auf eigene Klimaschutzziele angerechnet werden können. Die Gefahr ist groß, dass es bei solchen Projekten zu sozialen und ökologischen Verwerfungen kommt, wenn es vor allem darum geht, möglichst billig an diese CO₂-Gutschriften zu kommen. Und: Ab demnächst sollen ungenutzte CO₂-Gutschriften aus alten Klimaschutzprojekten mit oft zweifelhafter Qualität unter den Mechanismen des Kyoto-Protokolls auf die derzeitigen Klimaziele der Länder unter dem Pariser Abkommen angerechnet werden dürfen. Diese „heiße Luft“ hatte schon damals in Form überschüssiger Zertifikate den europäischen Emissionshandel geschwächt. Auch für Unternehmen, die sich vielleicht weniger aus Einsicht, sondern eher zu PR-Zwecken die Klimaneutralität zum Ziel gesetzt haben, bieten die neuen Regeln Gelegenheit für kolossales Greenwashing.
Unterstützung für besonders betroffene Länder
Was die Unterstützung für Länder mit geringem Pro-Kopf-Einkommen angeht, fordert die Klimakonferenz die Industrieländer dazu auf, ihre Unterstützung für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen zwischen 2019 und 2025 zu verdoppeln. Damit bleibt die Konferenz ein gutes Stück hinter den Forderungen der am stärksten von der Klimakrise betroffenen Länder zurück. Trotzdem ist das ein Schritt nach vorne, den nun auch die nächste Bundesregierung gehen muss, indem sie die Klima-Hilfen aus Deutschland in den kommenden Jahren über die geltenden Zusagen der bisherigen Bundesregierung hinaus deutlich erhöht.
An anderer Stelle haben die Industrieländer allerdings bis zum Schluss geblockt: Die Forderung besonders betroffener Länder, insbesondere der kleinen Inselsaaten, nach Unterstützung bei der Bewältigung von Schäden und Zerstörungen infolge des Klimawandels – wenn die Grenzen der Anpassung erreicht sind – blieb wieder nahezu ungehört. Mit Glück können sie in den kommenden Jahren auf begrenzte technische Unterstützung – etwa bei der Planung zum Wiederaufbau nach Unwetterkatastrophen – hoffen, nicht aber auf Finanzhilfen für den Wiederaufbau selbst. Mit den wachsenden Kosten der ökonomischen Folgeschäden bleiben die betroffenen Länder also weiterhin allein. Diese überwältigende Ungerechtigkeit ist der hässliche Fleck auf dem Ergebnis von Glasgow.
Wie weiter?
Und jetzt? Der „Pakt von Glasgow“ enthält Licht und Schatten, mit einem wirklichen Erfolg sind die Delegationen aber sicher nicht nach Hause gefahren. Jetzt kommt es darauf an, dass mit dem Erreichten der Klimaschutz wieder an Fahrt aufnimmt. Auch in Deutschland.
Wir fordern von der EU einen europaweiten Aktionsplan für Klimagerechtigkeit und einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft. Machen Sie jetzt mit und unterzeichnen Sie unsere Petition.