Inzwischen liegt die globale Durchschnittstemperatur 1,1°C höher als noch zu Beginn der Industrialisierung, und auch wenn das Pariser Abkommen die Erwärmung auf 1,5°C begrenzen soll, machen die Klimaschutzprogramme der Länder eine Erwärmung um 2,7°C wahrscheinlich.
Mit den steigenden Temperaturen nehmen Häufigkeit und Intensität klimatischer Extremereignisse zu. Schwere Dürren, extreme Hitze, Überschwemmungen, gewaltige Stürme und der steigende Meeresspiegel sind für Milliarden Menschen inzwischen bittere Realität. Die Ungerechtigkeit dabei: Obwohl sie kaum oder gar nicht zur Klimakrise beigetragen haben, treffen die Folgen vor allem die in Armut lebenden Menschen in den einkommensschwachen Ländern und dort insbesondere Frauen, die oft weniger Zugang zu Land und Ressourcen haben, trotzdem für die Versorgung der Familien zuständig sind und oft gleichzeitig auch die (zunehmend schwierigere) Feldarbeit leisten müssen.
Zerstörungen, Verluste und Schäden als extreme Folge der Klimakrise
Bis zu einem gewissen Grad kann man sich an die Veränderungen anpassen – zum Beispiel durch Bewässerungssysteme, um die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegenüber langen Trockenzeiten zu machen, durch den Aufbau von Kooperativen, damit Menschen in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Zeiten geringerer Erträge bessere Preise herausschlagen können, durch Frühwarnsysteme gegen extreme Wetterlagen oder durch die Wiederherstellung von Mangrovenwäldern zum Küstenschutz.
Zunehmend aber sind die Grenzen der Anpassung erreicht – weil die Menschen nicht über die finanziellen Ressourcen verfügen, weil es trotz internationaler Versprechen und Verpflichtungen an Unterstützung durch die reichen Industrieländer mangelt – oder einfach deswegen, weil die Auswirkungen der Klimakrise immer gravierender werden. Dann nehmen Schäden und Verluste zu. Stürme und Überschwemmungen können Gebäude beschädigen und die Infrastruktur zerstören. Schwere Dürren lassen die Ernten einbrechen oder können, wenn sie zum Dauerzustand werden, ganze Landstriche unbewohnbar machen. Der steigende Meeresspiegel kann Grundwasserspeicher und Ackerland mit Salz kontaminieren. Flache Küstenstreifen oder auch ganze Inselstaaten versinken im steigenden Meeresspiegel.
Schon heute erreichen uns regelmäßig Nachrichten darüber, wie die Klimakrise Menschenleben kostet, Land, Häuser, Infrastruktur und Lebensgrundlagen zerstört - und sie bringt hohe Kosten mit sich: Die Kosten dieser Klimafolgeschäden könnten in den Ländern des Globalen Südens insgesamt bis 2030 auf jährlich 290-580 Milliarden US-Dollar ansteigen. Zwar ließe sich das erheblich reduzieren, wenn deutlich mehr Geld für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen bereitstünde. Auch hier dürften nach Berechnungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) die Kosten bis 2030 aber auf jährlich bis zu 340 Milliarden US-Dollar wachsen. Diesen Summen steht die vergleichsweise bescheidene Zusage der Industrieländer gegenüber, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung in einkommensschwachen Ländern bereitzustellen – eine Zusage, die die Industrieländer bislang nicht erfüllen, und in der zudem kein Cent für die Bewältigung von Klimafolgeschäden vorgesehen ist. Ohnehin lassen sich bei weitem nicht alle Verluste und Schäden finanziell bewerten. Der Verlust von Kultur, Traditionen, Heimat und sozialen Netzwerken oder im Extremfall der Verlust von Staatsgebiet und Staatlichkeit kleiner Inselstaaten ist durch Geld nicht auszugleichen.
30 Jahre Blockade durch die Industrieländer: Der Entschädigungsfonds
Neu ist das alles übrigens nicht. Vor 30 Jahren schlugen die kleinen Inselstaaten einen globalen Ausgleichsfonds für die Kosten des Meeresspiegelanstiegs in den gefährdeten Ländern vor. Die Industrieländer blockierten den Vorschlag und ließen seither kaum eine Gelegenheit aus, das Thema möglichst von den alljährlichen UN-Weltklimakonferenzen fernzuhalten oder es in Arbeitsgruppen und auf Nebenschauplätze zu verlagern. Der Grund dafür: die Angst vor künftigen Kompensationsforderungen für angerichtete Schäden durch das Verursachen der Klimakrise.
Wegen des wachsenden Drucks der besonders gefährdeten Länder (insbesondere der kleinen Inselstaaten) und vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen (darunter auch Oxfam) kam es auf der UN-Weltklimakonferenz COP27 Ende 2022 schließlich doch zum Durchbruch: Über einen neuen multilateralen Fonds sollen besonders betroffene Länder bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden unterstützt werden. Damit könnte nun eine dritte Säule der Unterstützung für die einkommensschwachen Länder entstehen – neben der bereits vorhandenen (wenn auch völlig unzureichenden) Unterstützung beim Klimaschutz und bei der Anpassung an die klimatischen Veränderungen.
Bis der Fonds arbeiten kann, wird noch Zeit vergehen. Details werden auf der kommenden UN-Weltklimakonferenz COP29 in Dubai Ende 2023 beschlossen. Bis dahin arbeitet ein zwischenstaatlicher Ausschuss an der Ausgestaltung des Fonds, seiner Struktur und seinen Fördermodalitäten. Klar ist, dass dieser Fonds zielgerichtet auf die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen in den einkommensschwachen Ländern des Globalen Südens ausgerichtet werden muss. Geförderte Programme müssen partizipativ und inklusiv entwickelt und umgesetzt werden, um auch wirklich den Bedürfnissen der betroffenen Menschen gerecht zu werden.
Klimakiller zur Kasse!
Insbesondere wird es auch darum gehen, woher das nötige Geld kommt. Für einen klimagerechten Umgang mit den Klimafolgeschäden muss dabei das Verursacherprinzip eine zentrale Leitplanke sein: Die reichen Industrieländer sind für rund die Hälfte aller Treibhaugase seit 1850 verantwortlich. Würde man zudem das für die Einhaltung der 1,5°C-Grenze des Pariser Abkommens gerade noch tolerierbaren Treibhausgasbudget fair verteilen, wären die Industrieländer sogar für 90 Prozent der Klimakrise jenseits der 1,5°C-Grenze verantwortlich. Und es sind vor allem die Menschen mit höherem Einkommen, die die Klimakrise anheizen, durch häufigere Flugreisen, größere Wohnungen und insgesamt höheren Konsum, im Extremfall mit Privatjets, Megajachten und Luxusvillen. So hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung im Zeitraum 1990-2015 mehr als doppelt so viel Emissionen verursacht wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.
Für die ausreichende finanzielle Ausstattung des Fonds sind damit im Wesentlichen die Industriestaaten verantwortlich. Auch die Bundesregierung sollte sich darauf vorbereiten, zu dem Fonds mit einer ansehnlichen Zusage beizutragen. Das Geld dafür ist durchaus vorhanden und könnte so mobilisiert werden, dass insbesondere Akteure mit hoher Verantwortung für die Klimakrise und hoher wirtschaftlicher bzw. finanzieller Leistungsfähigkeit in die Pflicht genommen werden. Dazu eignen würden sich zum Beispiel Abgaben auf die Förderung von Kohle, Öl und Gas oder eine Übergewinnsteuer für (fossile) Konzerne (wie auch von UN-Generalsekretär António Guterres gefordert), aber auch Vermögenssteuern für Reiche und Superreiche. Letztere könnte weltweit jährlich 1,7 Billionen Dollar an Einkünften erzielen, die für diverse Aufgaben der sozialen Gerechtigkeit eingesetzt werden könnten, darunter auch die Bewältigung unvermeidlicher Klimafolgeschäden in den einkommensschwachen Ländern.
Weiterlesen: Zerstörungen, Verluste und Schäden: Wer zahlt für die extremen Folgen der Klimakrise? Oxfam-Hintergrundpapier.
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1 Kommentar
Nur wenn Staaten für die angerichten Schäden an der Natur verurteilt werden haben sie eine Motivation diese Schäden vorsorglich zu verhindern.