Oxfam-Aktivist/innen haben Anhänger mit Schockbildern in Lidl-Filialen verteilt, um auf die „Hauptzutat Ausbeutung“ in unseren Lebensmitteln hinzuweisen. Hier beantworten wir einige Fragen zu der Aktion.
Warum markiert Oxfam Lebensmittel mit unappetitlichen Schockbildern wie auf Zigarettenpackungen?
Genau wie bei Zigaretten stecken in vielen Lebensmitteln gefährliche Bestandteile, die Menschen schädigen können. Darüber wollen wir aufklären. Bei den von uns markierten Produkten handelt es sich allerdings nicht um Schäden, die uns als Verbraucher/innen betreffen, sondern die Arbeiter/innen, die die Produkte anbauen. Doch deshalb sind sie nicht weniger schlimm.
Warum verursacht Bananenanbau Krebs, Fehlgeburten und Hautkrankheiten?
Hauptursache sind die hochgiftigen Pestizide, mit denen die Arbeiter/innen in Kontakt kommen. Sowohl auf Bananenplantagen in Ecuador und Ananasplantagen in Costa Rica als auch auf Weintraubenplantagen in Südafrika haben uns viele Arbeiter/innen berichtet, dass sie keine Schutzbekleidung gegen Pestizide erhalten, dass sie auf den Feldern sind, während die Pestizide versprüht werden oder die Pausen nach dem Sprühen viel zu kurz sind. Für die Arbeiter/innen kann das lebensgefährlich sein. Eine Studie der Organisation Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt (AEGU) weist nach, dass für Arbeiter/innen im konventionellen Anbau von Bananen ein drastisch erhöhtes Krebsrisiko durch Pestizide besteht. Von acht typischen Kernanomalien oder Markern, die auf ein erhöhtes Krebsrisiko hindeuten, waren bei Arbeiter/innen im konventionellen Anbau alle deutlich erhöht, teils um bis zu 155 Prozent. Damit haben diese Menschen ein vielfach höheres Risiko, an Krebsarten wie dem Non-Hodgkin-Syndrom oder Leukämie zu erkranken, als Arbeiter/innen im ökologischen Landbau.
Auch durch Vergiftungen ausgelöste Fehlgeburten und schwere Hautkrankheiten sind bei den Menschen, die unser Obst anbauen, weit verbreitet, wie die Oxfam-Studie „Süße Früchte, bittere Wahrheit“ zeigt.
Sind diese Beispiele nicht nur Einzelfälle?
Nein. Ob im Bananenanbau in Ecuador, im Ananasanbau in Costa Rica, im Traubenanbau in Südafrika: Überall berichten uns Arbeiter/innen von den gleichen Problemen.
Oxfam hat dazu in den letzten Jahren mehrere Studien herausgebracht, die Fälle auf der ganzen Welt belegen. Auch andere Organisationen sowie Journalisten haben über Fälle auf der ganzen Welt berichtet, in denen Arbeiter/innen, die das Essen anbauen, das wir im Supermarkt kaufen, ausgebeutet werden und ihre Gesundheit auf Spiel setzen müssen. Wir haben eine Übersicht über Fälle auf der ganzen Welt erstellt.
Warum sollen wir uns an die Politiker/innen wenden?
Menschenrechte sind nicht verhandelbar, sie einzuhalten darf keine Frage der Freiwilligkeit sein. Es ist fahrlässig, dass die deutschen Politiker/innen es deutschen Unternehmen selbst überlassen, ob sie sich im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeiten für den Schutz der Menschenrechte einsetzen oder durch ihr Geschäftsverhalten das Risiko von Verletzungen noch erhöhen. Unsere Beispiele sind keine Einzelfälle: Die Arbeiter/innen werden systematisch ausgebeutet. Ein grundsätzliches Problem braucht eine grundsätzliche Lösung: ein Gesetz gegen Ausbeutung.
Kann man so ein Gesetz so einfach einführen?
Ja. Ein Gesetz gegen die Ausbeutung durch Zulieferer ist nicht nur dringend nötig, sondern auch machbar, wenn der politische Wille dazu da ist. Die Vereinten Nationen haben bereits festgelegt, dass Unternehmen nicht nur für ihre eigenen Aktivitäten verantwortlich sind, sondern auch für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit. Frankreich hat Unternehmen jüngst gesetzlich für Menschenrechtsverstöße im Ausland haftbar gemacht. Daran sollte sich Deutschland orientieren.
Oxfam hat in Kooperation mit Amnesty International, Brot für die Welt und Germanwatch bereits ein Gutachten zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen inklusive Gesetzesvorschlag erstellt.
Es ist deshalb schlicht eine Frage des politischen Willens, ob das Gesetz kommt oder nicht. Die neue Bundesregierung muss zeigen, auf welcher Seite sie steht: der unbegrenzten Profite oder der Menschenrechte.
Ich dachte, die Supermärkte müssen sowieso auf Nachhaltigkeit bei ihren Produkten achten?
Nein. Menschenrechte sind in den Zulieferbetrieben deutscher Unternehmen oft ein Fremdwort. Das Versprechen nachhaltiger Produktionsbedingungen ist meist nur ein Lippenbekenntnis. Weil die Unternehmen durch günstige Rohstoffe und Waren profitieren, ignorieren sie die Missstände konsequent.
Müssten die Supermärkte nicht auch etwas gegen diese Missstände tun?
Ja, um die Situation zu verbessern, müssen sowohl die Regierungen in Importländern und in Exportländern als auch die Unternehmen Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass Menschen, die unsere Lebensmittel herstellen, nicht ausgebeutet werden.
Die Supermarktketten und Importeure müssen dafür sorgen, dass ihre Lieferanten die Menschenrechte einhalten. Die Politiker/innen in Deutschland müssen Supermarktketten und Importeure gesetzlich verpflichten, die Einhaltung von Menschenrechten bei ihren Lieferanten und Produzenten sicherzustellen. Und sie sollten sich in ihrer Außenpolitik dafür einsetzen, dass auch die Regierungen in den Ländern, in denen unser Essen hergestellt wird, die Einhaltung der Menschenrechte durchsetzen.
Sollten wir Verbraucher/innen diese Produkte nicht einfach boykottieren?
Jeder Boykott schadet den Menschen, denen es sowieso oft an Grundlegendem fehlt: nämlich den Arbeiter/innen, die die Produkte herstellen und durch Boykott Gefahr laufen, ihren Job zu verlieren. Wir rufen daher grundsätzlich nur zum Boykott auf, wenn die Arbeiter/innen in den Ländern, aus denen die Produkte stammen, dies selbst initiieren. Stattdessen wollen wir aufmerksam machen und zum Nachfragen anregen: sowohl im Supermarkt bei den Mitarbeiter/innen als auch bei der deutschen Politik.
Was können wir Verbraucher/innen sonst noch tun?
Produkte ohne Ausbeutung zu kaufen ist häufig unmöglich. Die Supermarkgiganten entscheiden, was wir kaufen können und was nicht. Faire Produkte haben sie kaum im Angebot. Auf gute Siegel wie Fairtrade zu achten oder im Weltladen einzukaufen, kann ein Anfang sein, doch den kompletten Einkauf fair zu gestalten, ist in Deutschland leider immer noch unrealistisch. Doch steter Tropfen höhlt den Stein: Fragen Sie immer wieder im Supermarkt nach, unter welchen Bedingungen die Produkte angebaut werden und bitten Sie die Mitarbeiter/innen, Ihr Anliegen auch innerhalb des Unternehmens weiterzugeben. Oxfam veranstaltet außerdem immer wieder Aktionen, um auf die Situation der Arbeiter/innen aufmerksam zu machen, gegen Konzernmacht anzukämpfen und Änderungen zu bewirken. Abonnieren Sie unseren Newsletter, wenn Sie auch weiterhin Druck gegen Ausbeutung machen möchten.