Doch noch der Durchbruch: Eigentlich schien das EU-weite Lieferkettengesetz (CSDDD) aufgrund der Blockade der FDP und der daraus resultierenden Enthaltung der Bundesregierung zum Scheitern verurteilt. Dank des zivilgesellschaftlichen Drucks, den wir alle gemeinsam aufgebaut haben – und am Ende auch mittels Verhandlungsgeschick der belgischen Ratspräsidentschaft – ist am 15. März auch ohne deutsche Stimme eine qualifizierte Mehrheit im Rat der EU zustande gekommen. Das ist eine große Erleichterung für Betroffene von unternehmensverschuldeten Menschenrechtsverletzungen.

Vielen Dank an alle, die sich mit uns in den letzten Jahren für Menschenrechte in den Lieferketten eingesetzt haben!

Bereits mehrfach haben Oxfam-Studien in der Vergangenheit Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten der deutschen Supermärkte aufgedeckt, so zum Beispiel sklavenähnliche Arbeitsbedingungen im Kaffeeanbau in Brasilien oder Löhne weit unter dem Existenzminimum bei einem Ananas-Zulieferer von Edeka in Costa Rica. Geschädigte von Ausbeutung erhalten mit der Implementierung des EU-Lieferkettengesetzes fortan endlich ein deutlich verbessertes Instrument, um Schadensersatz zu erstreiten – auch vor deutschen Gerichten.

Rund 50 Prozent der Bananen, die Costa Rica verlassen, gehen in die Europäische Union. Wenn dort alle Unternehmen unter demselben Gesetz stünden, könnte sich für die Arbeiterinnen und Arbeiter wirklich etwas bewegen.
Didier Leitón, Gewerkschaftschef und Oxfam-Partner aus Costa Rica im Interview mit der Frankfurter Rundschau

Es ist auch ein immenser Erfolg für das breite zivilgesellschaftliche Bündnis, in dem wir uns gemeinsam in den vergangenen Jahren für ein starkes EU-Lieferkettengesetz engagiert haben. Auch viele Oxfam-Unterstützer*innen hatten 2022 dafür unterschrieben. Nach Bekanntwerden der Enthaltung der Bundesregierung hat die „Initiative Lieferkettengesetz“ in den letzten Wochen unzählige Formen des kreativen Protests umgesetzt. So haben wir unter anderem eine Lichtprojektion an das Kanzleramt mit den Forderungen zum Lieferkettengesetz übertragen und eine Protestaktion vor dem Europaparteitag der FDP durchgeführt.

Oxfam hat ebenfalls gemeinsam mit Partner*innen der Initiative vor dem Willy-Brandt-Haus protestiert und eine Eilpetition mit über 50.000 Unterschriften an den Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, übergeben. Diese forderte Bundeskanzler Olaf Scholz auf, Haltung zu zeigen und sich der FDP-Blockade zu widersetzen. Weiterhin wurde eine repräsentative Umfrage gestartet, ein Faktencheck erstellt, wissenschaftliche Unterstützung mobilisiert sowie unnachgiebig Social-Media- und Pressearbeit geleistet.

Vor dem Willy-Brandt-Haus stellen als Christian Lindner und Olaf Scholz verkleidete Aktivist*innen einen FDP-Trotzanfall dar und fordern vom Kanzler: "Trotzanfall der FDP ignorieren! Retten Sie das EU-Lieferkettengesetz, Herr Scholz!"
Protest vor dem Willy-Brandt-Haus

Solides Gesetz trotz FDP-Blamage

Der zivilgesellschaftliche Druck hat Spuren hinterlassen: Auch ohne Deutschland hat nun eine breite Mehrheit der EU-Länder für das Lieferkettengesetz gestimmt. Der Anwendungsbereich wurde zum Teil massiv abgeschwächt und umfasst deutlich weniger Unternehmen als ursprünglich vorgesehen. Es  überwiegt aber die Erleichterung, denn die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht und zivilrechtliche Haftung bleiben im Gesetzesentwurf enthalten.

Die geplante Lieferkettenrichtlinie, die Menschen und Natur von Konzerninteressen schützen soll, ist zu einem Meilenstein mit Abstrichen geworden. Dass die FDP mit ihrem peinlichen Wahlkampfmanöver dafür gesorgt hat, dass wichtige Punkte im Gesetz verwässert wurden, ist absolut blamabel. Hier werden demokratische Prozesse unterlaufen, um Großkonzerne zu schützen.
Franziska Humbert, Teamleitung Gerechtes Wirtschaften bei Oxfam

Wie geht es jetzt weiter? Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat inzwischen auch zugestimmt. Das Plenum des Parlaments muss noch seine seine endgültige Zustimmung in einer Plenarabstimmung am 24. April geben. Die Richtlinie muss dann in nationales Recht umgesetzt werden. Kurzum: Der Weg für den EU-weiten Paradigmenwechsel zu verbindlichen Sorgfaltspflichten ist bereitet.