Menschenrechte sind die Grundlage moderner Gesellschaften – oder zumindest sollten sie das sein. Doch nur zu oft werden sie mit Füßen getreten, insbesondere im Wirtschaftsleben. So kann man sich ziemlich sicher sein, dass eine Banane aus Ecuador – wichtigster Lieferant für den deutschen Markt – zumindest einen Makel mit sich bringt: Die Verletzung des Menschenrechts auf Gewerkschaftsfreiheit.
Das könnte sich nun ändern. Nach langjährigem Rechtsstreit wurde unsere Partnerorganisation ASTAC (Asociación Sindical de Trabajadores Bananeros Agrícolas y Campesinos) endlich als branchenweite Gewerkschaft für den ecuadorianischen Bananensektor anerkannt. Das bedeutet eine historische Wende für die Gewerkschaftsbewegung in Ecuador.
Werden im Arbeitsalltag Rechte verletzt, können sich Arbeiter*innen und Angestellte in Deutschland mit ihren Beschwerden an den Betriebsrat oder ihre Gewerkschaft wenden und sogar vor Gericht Klage erheben. Anders sieht die Situation in Ecuador aus: Für die rund 200.000 Beschäftigten in der Bananenindustrie existieren diese Möglichkeiten bislang nur auf dem Papier. Die Plantagen sind ein weitgehend rechtsfreier Raum.
Eine Gewerkschaft für die ganze Bananenbranche
Deswegen gründete sich 2007 die Gewerkschaft ASTAC, um sich für die Rechte von Arbeiter*innen auf Bananenplantagen einzusetzen. Neu war ihr Anspruch, branchenweit alle Arbeiter*innen im ecuadorianischen Bananensektor zu vertreten. Denn lange wurden nur Gewerkschaften auf Betriebsebene zugelassen – zumindest theoretisch.
Sobald sich mehr als 30 Arbeiter*innen eines Betriebes zusammenschließen, können sie beim ecuadorianischen Arbeitsministerium die Zulassung als Gewerkschaft beantragen. Doch sobald das Ministerium deren Namen an den Betrieb weiter gibt, werden die Betroffenen regelmäßig entlassen, häufig auch bedroht, kriminalisiert oder auf eine schwarze Liste gesetzt. Entsprechende Fälle wurden in den letzten Jahren bei Lieferanten von Lidl, Kaufland und Chiquita bekannt.
ASTAC beantragte im Jahr 2014 die Zulassung als Branchen-Gewerkschaft, wie wir es zum Beispiel von der IG Metall oder ver.di kennen. Das ecuadorianische Recht verbietet branchenweite Gewerkschaften zwar nicht, sieht diese aber auch nicht explizit vor. Das Arbeitsministerium wies den Antrag mehrfach zurück und setzte sich auch nicht für die entlassenen Arbeiter*innen ein, die sich in den Plantagen organisiert hatten.
Kampf um Anerkennung trägt endlich Früchte
Über Jahre hinweg protestierten Organisationen aus der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) gegen diese Politik der ecuadorianischen Regierung. Lange Zeit ohne Erfolg. Doch Ende Mai dieses Jahres wurde ein bahnbrechendes Urteil verkündet. Demnach muss nicht nur ASTAC als Branchen-Gewerkschaft registriert werden. Das Arbeitsministerium muss eine Entschuldigung für seine langjährige Untätigkeit auf der eigenen Webseite veröffentlichen, ebenso das Urteil selbst, damit in anderen Branchen die Gründung von Gewerkschaften nicht erneut verhindert wird.
Dieses Urteil ist ein wichtiger erster Schritt für die Gewerkschaftsfreiheit in einem der wirtschaftlich bedeutendsten Sektoren globaler Lieferketten. Und es passt zu der jüngsten Verabschiedung des Lieferkettengesetzes im Deutschen Bundestag. Der lange Atem der Gewerkschaftler*innen von ASTAC sowie der Einsatz internationaler Organisationen und unserer Unterstützer*innen in Deutschland hat sich gelohnt.
Urteil bietet viele Chancen
Durch das Gerichtsurteil entstehen viele neue Chancen. Zuallererst für die Arbeiter*innen, die sich organisieren und für ihre Rechte einsetzen wollen. Es ist aber auch eine Chance für die ecuadorianische Regierung und die Unternehmer*innen. Sie können ein positives Zeichen für Menschenrechte setzen, indem sie die Gewerkschaftsfreiheit im wichtigsten landwirtschaftlichen Exportsektor des Landes verwirklichen. Und nicht zuletzt entsteht auch eine Chance für die hiesigen Supermarktketten. Indem sie sich für das Recht auf Gewerkschaftsfreiheit bei ihren Zulieferern einsetzen, können sie zeigen, dass sie es mit Menschenrechten in ihren Lieferketten ernst meinen.
Langjährige Partnerschaft von ASTAC und Oxfam
Oxfam arbeitet seit Jahren mit ASTAC zusammen. Mitglieder der Organisation waren mehrfach bei uns zu Besuch und haben Gespräche in Oxfam-Shops, mit dem deutschen Entwicklungsministerium BMZ, dem Auswärtigem Amt, dem Discounter Lidl und diversen deutschen Medien und Gewerkschaften geführt.
„Wo Menschen entlassen werden und teilweise sogar Morddrohungen vom Arbeitgeber erhalten, wenn sie eine Gewerkschaft gründen wollen, oder schwer erkranken, weil sie während der Arbeit auf der Plantage mit giftigen Pestiziden aus Flugzeugen beregnet werden, oder die Frauen nach der Entbindung ihren Job verlieren, braucht es eine Institution wie ASTAC, die sich für diese Leute stark macht“ erläutert Oxfams Kampagnenbotschafter Ole Plogstedt, der bei zwei Besuchen in den Bananenanbaugebieten einen Einblick in die Situation erhielt.
Gewerkschaftsarbeit in Ecuador
Wir dürfen uns eine Basisgewerkschaft wie ASTAC nicht wie eine europäische Gewerkschaft vorstellen. Ihr Büro besteht aus einem einzigen großen Raum mit ein paar Schreibtischen und einer angeschlossenen kleinen Küche. In der offenen Einfahrt finden Versammlungen statt. Ständig kommen Arbeiter*innen mit Fragen und Beschwerden. Die beiden Rechtsanwältinnen Sylvia Bonilla und Angie Toapanta bieten kostenlose Beratung, regelmäßig finden kleine Workshops und Treffen statt, oft auch in den Wohngebieten der Arbeiter*innen. Allerdings erst nach Einbruch der Dunkelheit – damit unliebsame Beobachter*innen nicht wissen, wer an den Versammlungen teilnimmt.
Gemeinsam für Menschenwürde und Gerechtigkeit
Dass ASTAC trotz Gegenwind so lange existieren konnte, ist nicht zuletzt den guten Verbindung zu den Beschäftigten, juristischen Erfolgen sowie der Vernetzung mit nationalen und internationalen Organisationen geschuldet. In erster Linie beruht der Erfolg aber darauf, dass sie konsequent auf der Suche nach Gerechtigkeit und Menschenwürde sind. Und das können wir gut verstehen. Wer möchte schon eine Banane verspeisen und dabei daran denken müssen, dass die Frucht schlechte Arbeitsbedingungen und die Verfolgung von Menschen verkörpert, die sich für ihre Grundrechte einsetzen?
Gemeinsam mit ASTAC werden wir deshalb auch in Zukunft dafür kämpfen, dass die Arbeiter*innen auf den Bananenplantagen endlich genug Geld für sich und ihre Familien verdienen, sich frei organisieren können und unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten.
5 Kommentare
Herzlichen Glückwunsch zu diesem wohlverdienten Ergebnis. Es zeigt sich, was es heisst solidarisch zu sein, gemeinsam an einem gemeinützigen Projekt zu arbeiten. Gratulation und Danke.
Glückwunsch und Kompliment! Ein langer Atem zahlt sich doch aus!
Anerkennung und Glückwunsch für diesen Erfolg jahrelanger, hartnäckiger Arbeit.