Wir haben eine Menge interessanter Fragen zum Bericht erhalten – hier sind unsere Antworten auf die 9 am häufigsten gestellten:

Weshalb gehen Sie davon aus, dass Covid-19 zu einem weltweiten Anstieg von Ungleichheit führen wird?

Sowohl der Internationale Währungsfonds (IMF), als auch die Weltbank und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben die Sorge geäußert, dass wir eine Corona-bedingte, weltweite Zuspitzung der sozialen Ungleichheit erleben werden.
Diese Sorge wurde in einer von Oxfam in Auftrag gegebenen Umfrage unter 295 Ökonomen aus 79 Ländern bestätigt. 87 Prozent der Befragten prognostizierten einen Anstieg der Ungleichverteilung von Einkommen in ihrem Land in Folge der Pandemie.
Wir beobachten derzeit sowohl in ärmeren als auch in reicheren Ländern einen besorgniserregenden Trend: Der reichste Teil der Gesellschaft konnte während des Lockdowns einen Anstieg des Vermögens verzeichnen, während Menschen mit geringen Einkommen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen ihre Arbeit verloren. Dass es insbesondere in finanzschwachen Ländern des globalen Südens für diesen Fall kaum oder gar keine sozialen Sicherungsnetze gibt, verschärft die Situation. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen könnten allein 2020 bis zu 500 Millionen Menschen in die Armut abgerutscht sein.
Auch, wenn es noch eine Weile dauern wird, bevor uns ausreichend Daten für eine Aussage über das konkrete Ausmaß der sozialen Ungleichheit zur Verfügung stehen, deutet weltweit alles auf eine Vertiefung der Gräben zwischen Arm und Reich hin. Das heißt: Die Regierungen müssen jetzt handeln, um Ungleichheit zu reduzieren und Armut zu bekämpfen.

Wie sind Wohlstand, Ungleichheit und Armut miteinander verbunden?

Unser Wirtschaftssystem erlaubt es, dass reiche Menschen immer reicher werden, während für die ärmere Bevölkerung vom Kuchen nur die Krümel bleiben. In den vergangenen Jahrzehnten hat vor allem das reichste Prozent der Weltbevölkerung vom Wirtschaftswachstum profitiert. Die Spitzenverdiener*innen konnten 27 Cent von jedem US-Dollar des globalen Einkommenswachstums zwischen 1980 und 2016 für sich verbuchen. Nur 12 Cent pro US-Dollar entfielen auf die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Diese Ungleichverteilung erzeugt Armut.
Wenn die Gewinne gerechter verteilt würden, wenn die Regierungen in Gesundheitssysteme und Bildung investieren würden, statt die Steuern von reichen Einzelpersonen und Unternehmen zu senken, und wenn Konzernen ein existenzsicherndes Einkommen für Arbeitnehmer*innen in ihren Lieferketten wichtiger wäre als Rekordzahlungen an Anteilseigner*innen, dann könnten wir Armut erfolgreich bekämpfen und beseitigen.

Warum hat sich das Vermögen von Milliardär*innen so schnell wieder erholt?

Als die Pandemie ausbrach, haben die Aktienmärkte weltweit einen der größten Schocks ihrer Geschichte erlebt, Milliardär*innen mussten durch den Wertverlust ihrer Aktien und Beteiligungen hohe Einbußen hinnehmen. Zentralbanken wie das Federal Reserve System (Fed) oder die Europäische Zentralbank (EZB) haben Milliardenbeträge ausgegeben, um eine Wirtschaftskrise zu vermeiden, finanzstarke Länder haben ihre Volkswirtschaften durch Finanzpakete gestützt. Deshalb konnten sich die Märkte sehr schnell wieder erholen. Und infolgedessen stabilisierte sich auch das Einkommen der reichsten Menschen der Welt, deren Vermögen zu einem großen Teil auf Aktien und Wertpapieren beruht. So konnten die 1.000 reichsten Milliardär*innen ihre wirtschaftlichen Verluste infolge von COVID-19 in nur neun Monaten wieder wettmachen. Die ärmsten Menschen hingegen werden wohl mehr als ein Jahrzehnt dafür benötigen.

Warum kritisiert Oxfam Milliardär*innen und Unternehmen dafür, erfolgreich und gewinnorientiert zu sein?

Gewinne zu erwirtschaften ist nicht problematisch, aber übermäßiger Profit und extremer Wohlstand einzelner sind es. Beides sind Symptome eines kaputten Wirtschaftssystems, von dem ein kleiner Teil der Gesellschaft überproportional profitiert und in dem Gewinne auch durch das Niedrighalten von Löhnen und die Verletzung von Menschenrechten und damit auf Kosten von Menschen erzielt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Textilbranche. Zudem werden Gewinne durch exzessive Steuervermeidung erzielt, indem Gewinne in Steueroasen verschoben werden und sich Konzerne und Superreiche somit um ihren fairen Anteil am Allgemeinwohl drücken.
Warum wir mehr Orientierung am Allgemeinwohl brauchen, verdeutlicht dieses Beispiel aus der Pharmaindustrie: Die amerikanische Regierung hat eine Milliarde Dollar Steuergelder dafür genutzt, um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs durch Moderna zu finanzieren – bekanntlich mit Erfolg. Das Unternehmen lehnt nun das Teilen von Technologie und Fachwissen ab, sodass auch andere Hersteller den Impfstoff produzieren könnten. Moderna hat außerdem bereits im Voraus den gesamten Impfstoff, den sie noch in diesem Jahr produzieren können, an finanzstarke Länder verkauft – Länder des Globalen Südens gehen also leer aus.
Das ist genau die Art von wirtschaftlichem Versagen, das extreme Ungleichheit begünstigt.

Warum kritisiert Oxfam reiche Menschen wie Carlos Slim, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg, die mehrere Millionen Dollar für die Erforschung eines Impfstoffs, zur Unterstützung von Krankenhäusern und derjenigen, die besonders von der COVID-19-Krise betroffen sind, gespendet haben?

Es ist absolut begrüßenswert, dass Menschen ihr Geld dafür nutzen, anderen zu helfen, insbesondere jetzt in der Corona-Krise. Das ist gut und wichtig!  Freiwillige Spenden ersetzen jedoch keine angemessene Besteuerung von Konzernen und sehr vermögenden Menschen – das sehen ja zum Beispiel auch Milliardäre wie Bill Gates oder Warren Buffet so. Zwischen 1985 und 2019 wurden die durchschnittlichen Unternehmenssteuersätze weltweit von 49 auf 23 Prozent gesenkt, die Besteuerung von Vermögen wurde in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgefahren. Stattdessen wurden vielfach Mehrwertsteuern erhöht, was ärmere Bevölkerungsteile überproportional trifft. Diese Steuerpolitik kommt nicht von ungefähr, da wirtschaftliche Eliten ihre Lobbymacht nutzen, um Gesetze im eigenen Interesse zu beeinflussen.

Warum schadet die Pandemie ärmeren Menschen mehr als reichen Menschen?

Insbesondere Menschen in Armut, häufig Frauen und von Rassismus betroffene Menschen, leiden unter den Folgen der Pandemie. Sie arbeiten häufiger in Branchen – wie dem Einzelhandel oder der Tourismusbranche – in denen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu vielen Entlassungen geführt haben, ohne dass es in vielen Ländern für solche Situationen eine soziale Absicherung gibt. Außerdem sind sie häufig im so genannten informellen Sektor tätig. Das bedeutet, dass sie nicht offiziell angestellt sind, sondern selbst Dinge für lokale Märkte produzieren und dort verkaufen, oder Dienstleistungen wie z.B. Schuhpflege anbieten. Sie haben so kaum Anspruch auf Arbeitslosengeld oder ähnliche Ausgleichsleistungen, die ihnen eine gewisse Sicherheit bieten könnten.
Frauen arbeiten zudem überproportional häufig in Berufen, in denen sie einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind, zum Beispiel als Reinigungskraft oder im Pflegebereich

In Armut zu leben bedeutet zumeist in beengten Verhältnissen zu wohnen, teilweise ohne Wasser und sanitäre Einrichtungen, was die Gefahr einer Ansteckung verschärft. Außerdem leiden in Armut lebende Menschen häufiger an Vorerkrankungen, weshalb die Ansteckung mit dem Corona-Virus schwerwiegende Folgen hätte. Dass sie häufig keinen ausreichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung haben, da die staatlichen Systeme in vielen Ländern unterfinanziert sind, verschärft ihre Lage dramatisch.

Welche Regierungen gehen besser mit der Pandemie um und welche schlechter?

Die meisten Länder waren sehr schlecht auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie vorbereitet. Millionen Menschen sind in Hunger und Armut gerutscht, weil Regierungen es jahrzehntelang versäumt haben, in öffentliche Gesundheits-, Bildungs- und soziale Sicherungssysteme zu investieren. Aber fehlender politischer Wille ist nur eine Ursache. Das Problem, das viele Ländern mit niedrigen Einkommen schlichtweg auch nicht die finanziellen Mittel hatten, um Investitionen massiv zu steigern, wurde von der internationalen Staatengemeinschaft viel zu lange ignoriert. Schon vor der Krise hätte die Schuldenlast dieser Länder gemindert, Steuerflucht aus diesen Ländern durch bessere internationale Regeln bekämpft und Versprechen zur direkten finanziellen Unterstützung eingelöst werden müssen. In der Krise zeigen sich nun noch viel mehr die fatalen Auswirkungen.

Die Pandemie war nun für einige Regierungen in Nord und Süd ein Weckruf, aber starke Systeme, die den Herausforderungen der Pandemie trotzen könnten, werden eben nicht über Nacht aufgebaut, sondern über Jahre.
Entscheidend ist, wie im Zuge von Corona die Weichen gestellt werden und die Antwort auf die Krise ausfällt. Politische Entscheidungen können zu einer weiteren Vertiefung der Ungleichheit beitragen.
Die kenianische Regierung reagierte zum Beispiel mit einer Steuererleichterung für die reichsten und größten Unternehmen, investierte aber wenig in die zusätzliche Förderung der öffentlichen Gesundheit oder die Unterstützung von Menschen, die auf Grund der Pandemie ihre Existenzgrundlagen verloren.

Dass es auch anders geht, zeigt sich in Argentinien: Die dortige Regierung hat eine vorübergehende Reichensteuer eingeführt, die über drei Milliarden US-Dollar für die COVID-19-Hilfe generiert hat. Dieses Geld wurde unter anderem für die medizinische Versorgung, die Entlastung von Menschen, die von Armut betroffen sind, und zur Unterstützung von kleinen sowie mittelgroßen Unternehmen genutzt.

Wie sollen Regierungen die Umsetzung aller Maßnahmen, die Oxfam fordert, inmitten eines beispiellosen, globalen Konjunkturrückgangs finanzieren?

Regierungen müssen investieren, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Frage ist: An welcher Stelle kann das Geld am sinnvollsten investiert werden? Oxfam fordert, dass die Regierungen Investitionen in die Bereiche priorisieren, die gute und nachhaltige Jobs schaffen und nicht Milliarden dafür verschwenden, große Unternehmen zu retten ohne bestimmte Voraussetzungen daran zu knüpfen, wie zum Beispiel die Verpflichtung der Unternehmen einen angemessenen Steuerbetrag zu zahlen oder CO2-Emissionen zu reduzieren. Das wäre ein Beitrag, um unsere Wirtschaft zukünftig sozial und ökologisch gerechter zu gestalten.

Warum fordert Oxfam Steuererhöhungen in einer Zeit, in der Steuersenkungen nötig sind, um wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen und Arbeitsplätze zu schaffen?

Die Annahme, dass niedrige Steuersätze für die Reichsten gut für ein wirtschaftliches Wachstum sind und mehr Arbeitsplätze schaffen, ist überholt. Gita Gopinath, die leitende Ökonomin des Internationalen Währungsfonds, sprach sich erst kürzlich für eine einmalige solidarische Vermögens- und Einkommenssteuer aus, um die wirtschaftliche Erholung finanzieren zu können. Außerdem forderte sie die Regierungen dazu auf, fairere Steuersysteme einzuführen und warnte vor Sparmaßnahmen inmitten einer Pandemie.

Eine starke Wirtschaft ist neben guten und verlässlichen gesetzlichen Regelungen auf gut ausgebildete und gesunde Arbeitskräfte, funktionierende Transportwege und gut ausgebaute Kommunikationsnetzwerke angewiesen – all diese Komponenten werden mit Hilfe unserer Steuergelder ermöglicht. Deshalb ist es wichtig, dass jedes Mitglied der Gesellschaft seinen gerechten Anteil zum Allgemeinwohl beiträgt.

7 Kommentare

Ich finde es gut wenn ihr auf solche Missstände aufmerksam macht und finde es auch ok wenn meine Spendengelder zum teil für Aufklärung ausgegeben werden. Habe nicht immer die Zeit und Lust mich durch verschiedene Medien durchzuarbeiten um mir alle die Infos zusammen zu tragen. Da ich die Arbeit von Oxfam schon lange kenne habe ich einfach vertrauen in diese.
Weiter so.

Mein erster Gedanke war: Eine Hilfsorganisation geht in die Politik? Das kann nur schief gehen und potentielle Spender verschrecken.
Mich verschreckt es nicht, da ich politisch mit ihnen auf einer Linie bin. Keine Frage, dass der zügellose Kapitalismus die Armut in der Welt extrem verschärft.
Ihr Anliegen, die Welt auch politisch besser zu machen und nicht immer nur die Scherben zu beseitigen, ehrt sie.
Dennoch fürchte ich, dass sie durch einen politischen Auftritt erheblich Spender verliert, die sich eben nicht ganz auf ihrer politischen Linie befinden.
Außerdem werden sie bestimmt dafür kritisiert ihre Ressourcen für politische Arbeit zu verwenden und auch dadurch Spender verlieren.
Dass sie als Menschen politisch aktiv sind, davon bin ich immer ausgegangen. Aber als Hilfsorganisation tut ihnen Politik nicht gut.
Ich hoffe, ich irre mich und sie können ihre Arbeit ohne Verluste fortsetzen. Denn dafür spende ich für Oxfam.
Mein politisches Engagement geht an DIEM25. So hoffe mit zwei Spenden das optimale Potenzial aus meinen finanziellen Möglichkeiten zu erreichen.

Dass eine Hilfsorganisation wie Oxfam nicht POLITISCH AUFTRETEN darf, deutet auf ein merkwürdiges Verständnis von Politik hin, so als wäre Politik nur das, was Parteien tun. In meinen Augen ist alles Politik, was Gemeinwesen und Gemeinwohl betrifft oder fördert!

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