Letzte Woche haben sich Geldgeber, UN-Organisationen, Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung sowie humanitäre Organisationen der Zivilgesellschaft getroffen und auf dem Grand Bargain Jahrestreffen über die Rolle der so genannten Intermediäre gesprochen. Intermediäre sind Mittler, die zwischen Gebern und lokalen Helfer*innen in Kriseneinsätzen vermitteln, weil es zwischen diesen beiden Ebenen meistens keine direkte Verbindung gibt. Intermediäre spielen in der humanitären Hilfe eine wichtige Rolle: Ein großer Teil der Gelder, die Geber wie Deutschland für humanitäre Einsätze zur Verfügung stellen, wird von internationalen Hilfsorganisationen an lokale Akteure weitergegeben.

Amy Croome, Humanitarian Policy Advisor bei Oxfam International, schreibt dazu:

Die Intermediäre stehen im Zentrum eines politischen Ausschusses des Grand Bargain, in dem verhandelt wird, wie ihre Rolle künftig so gestaltet werden kann, dass sie lokale Helfer*innen bestmöglich unterstützen und stärken. Dieses Ziel der Lokalisierung erfordert ein Umdenken in der Arbeitsweise vieler internationaler humanitärer Organisationen – darunter auch Oxfam.

Ist Oxfam nur ein Geber?

Die Befürworter der Lokalisierung drängen seit Jahren darauf, dass die Finanzmittel für die humanitäre Hilfe direkt an die Akteure fließen, die der jeweiligen Krise am nächsten sind: von Geflüchteten geleitete Organisationen, Frauenrechtsorganisationen, nationale und lokale zivilgesellschaftliche Strukturen. Bislang läuft dies üblicherweise über internationale NGOs und UN-Organisationen, die dann oft Unteraufträge an Organisationen im globalen Süden vergeben, um die eigentliche Arbeit zu leisten.

Ziel des Grand Bargain ist es, 25 % der gesamten humanitären Finanzmittel so direkt wie möglich an lokale Akteure zu vergeben. Doch der Teufel steckt im Detail, denn „so direkt wie möglich“ heißt in der Regel, dass das Geld eben nicht direkt, sondern vermittelt über Intermediäre fließt. Im Jahr 2020 betrug der Anteil der direkten Finanzierung lokaler Akteure an den gesamten humanitären Finanzmitteln gerade einmal 3 %. Der Anteil indirekter Finanzierung, die lokale Akteure über Intermediäre wie Oxfam erhalten, ist deutlich höher, wodurch zwangsläufig eine Art Geber-Empfänger-Beziehung entsteht.

Wie sieht Oxfams Rolle als Intermediär aus?

Das hängt von den jeweiligen Partnern vor Ort, dem lokalen humanitären System und der Art der Krise ab. In jedem Kontext bemühen wir uns darum, unseren Mehrwert zu bestimmen und unser Programm danach auszurichten: Wie können wir das bestehende lokale humanitäre System ergänzen? Was können wir unseren Partnern bieten? Die Antworten sind sehr unterschiedlich und es gelingt uns auch nicht immer perfekt – hier sind einige Beispiele:

  • Türen öffnen: Wenn es Finanzierungsmöglichkeiten gibt, die von Akteuren vor Ort direkt in Anspruch genommen werden können, und sie diese Möglichkeiten wahrnehmen wollen, unterstützen wir sie, indem wir sie den Gebern vorstellen und ihnen bei der Ausarbeitung ihrer Projektvorschläge helfen. In Somalia zum Beispiel haben wir Partner in der Entwicklung von Finanzierungsanträgen an bestimmte Geber beraten. Unser Mehrwert ist hier, den Partnern unsere Verbindung zu den Geldgebern und unser Fachwissen im Bereich Fundraising und anderen technischen Bereichen zur Verfügung zu stellen. Wir versuchen auch, Türen für Advocacy-Arbeit der Partner zu öffnen.
     
  • Als gleichberechtigtes Mitglied von Konsortien: In vielen Länderbüros, insbesondere dort, wo es eine starke und lebendige Zivilgesellschaft gibt und die humanitäre Krise langfristig ist oder immer wieder auftritt, hat Oxfam in das Entstehen von Konsortien lokaler Akteure investiert und diese unterstützt. In diesen Kontexten erhält Oxfam zwar die Gelder von institutionellen Gebern, aber Oxfam bestimmt die Arbeit nicht allein: Welche Finanzierungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden sollen, wie die Arbeit unter den Partnern aufgeteilt werden soll und welche Schwerpunkte gesetzt werden, wird gemeinsam entschieden. Dies ist beispielsweise in Kenia der Fall, wo die Mitglieder des ASAL Humanitarian Network die Mittel untereinander aufteilen und Oxfam das allgemeine Governance-System des Netzwerks stärkt. Oder in Myanmar, wo Oxfam manchmal von unseren Kollegen des Durable Peace Programms überstimmt wird.
     
  • Qualitativ hochwertige Partnerschaften als Standard: In vielen humanitären Kontexten ist die Zusammenarbeit mit Partnern unsere Standard-Arbeitsweise. Durch Investitionen in unsere eigenen Betriebsmodelle, Finanzierungsmechanismen und -kapazitäten, unser Personal und unsere Arbeitsweise haben wir Beziehungen zu lokalen Partnern aufgebaut, darunter viele Frauenrechtsorganisationen und von Geflüchteten geleitete Organisationen. Unsere Partner sind an der Konzeption von Projekten und der Entwicklung von Vorschlägen beteiligt oder leiten diese. Sie sind auch an der Entscheidungsfindung während der Umsetzung und an Evaluierungen beteiligt. Darüber hinaus legen wir gemeinsam fest, wie wir die Arbeit auf der Grundlage unserer komparativen Vorteile aufteilen und wie Oxfam die Kapazitäten der Partnerorganisationen in einer Weise unterstützen kann, die ihnen nützt. Im Südsudan gestalten die lokalen Akteure nun gemeinsam mit Oxfam die Programme. In Kolumbien beispielsweise werden 80 % unserer humanitären Mittel mit Partnern geteilt, von denen viele Frauenrechtsorganisationen sind, und wir ergänzen ihre Aktivitäten durch Maßnahmen, die Oxfam nach unserer gemeinsamen Auffassung unterstützen sollte, z. B. in der Advocacy-Arbeit und bei Themen wie den humanitären Prinzipien, da viele der Organisationen relativ neu in der humanitären Arbeit sind.
     
  • Mit lokalen Akteuren zusammenarbeiten: Obwohl Oxfams humanitärer Gesamtansatz zunehmend von Partnerschaften und der Unterstützung lokal geleiteter Maßnahmen geprägt ist, wird ein erheblicher Teil unserer Arbeit nach wie vor direkt von Oxfam-Teams in Krisengebieten umgesetzt. Dies geschieht oft als Ergänzung von Partnerschaftsarbeit. Oxfam ist aufgrund seiner Größe und globalen Struktur in der Lage, große Programme umzusetzen und verfügt über Expert*innenwissen in den Bereichen WASH, Schutz, Bargeldprogramme, Ernährungssicherheit und Gender. Das ist unser Mehrwert, aber wir versuchen, diese Stärken und Kompetenzen auf eine Weise zu nutzen, die das humanitäre System insgesamt ergänzt. Zum Beispiel durch den Kapazitätsaustausch, durch die aktive Beteiligung an humanitären Koordinierungsstrukturen und die Schaffung von mehr Raum für die Beteiligung und Führung lokaler Akteure innerhalb dieser Strukturen.

Wie machen wir uns in der „Mittler-Rolle“?

Jedes Länderprogramm verfügt über unterschiedliche Methoden, um von Partnern und den lokalen Akteuren im Allgemeinen zu erfahren, wie gut oder schlecht wir die Mittler-Rolle ausfüllen. In einigen Ländern werden die Partnerschaften regelmäßig überprüft – zum Teil durch Außenstehende. In anderen Ländern werden die Partner gebeten, direkt mit den Gebern über Oxfam zu sprechen. In vielen Ländern und Kontexten haben wir den Eindruck, dass die lokalen Akteure in der Lage sind, uns konstruktives Feedback zu geben, sowohl negatives als auch positives. In Myanmar zum Beispiel sagen uns die Partner, dass unsere Due-Diligence-Verfahren zu mühsam sind.

Verlernen und Wiedererlernen

Viele der Systeme, Strategien und Praktiken von Oxfam haben sich im Laufe der Jahre verändert, um ein besserer Mittler zu werden. Wir sind dabei nicht allein, wie hier dokumentiert wurde, und wir sind noch nicht am Ziel.

Wir müssen bereit sein, vieles an unserem Verhalten als Organisation und als Mitarbeiter*innen zu verlernen, um unseren lokalen Partnern als führende und potenziell führende Akteure der humanitären Arbeit gerecht zu werden. Es bedarf eines anderen Ansatzes: Wir müssen unseren Mehrwert für ein bestehendes Ökosystem von lokalen und nationalen humanitären Akteuren verstehen. Oft werden wir durch falsche äußere Anreize von diesem Ansatz abgebracht, und neue Mitarbeiter*innen und neue Partner kommen mit einem eingefahrenen hierarchischen Ansatz, den es zu verlernen gilt.

Machen wir alles richtig?

Nein, natürlich nicht. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, aber wir bewegen uns. Wir hoffen, dass die Einblicke in unsere Reise anderen Mittlern auf ihrem Weg helfen und Spender*innen ermutigen können, uns alle zu diesem gemeinsamen Ziel zu motivieren. Demnächst werden wir mehr über unsere Überlegungen und Erfahrungen als Mittler veröffentlichen.

 

Der Text ist im Original unter dem Titel "Can INGOs really separate power from money?" erschienen.

1 Kommentar

Klingt ehrlich, aufrichtig und engagiert.

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