Preise von Lebensmitteln sind enorm gestiegen
Lebensmittel sind in den letzten Jahren erheblich teurer geworden. Zwischen 2020 und Oktober 2024 ergab sich ein Anstieg der Lebensmittelpreise von 34,3 Prozent. Bei manchen Lebensmitteln wie Käse oder Teigwaren liegt der Anstieg im gleichen Zeitraum bei fast 50 Prozent, Butter ist im Herbst 2024 ganze 60 Prozent teurer als vier Jahre zuvor.
Dabei fällt auf, dass der größte Preisanstieg meist auf das Jahr 2022 entfällt. In Folge der russischen Invasion in der Ukraine waren einzelne Produkte knapp geworden, vor allem die Energiepreise sorgten für Preissteigerungen auch im Agrarbereich.
Seit Anfang 2023 sind die Preise nur noch moderat gestiegen – allerdings auch nicht gefallen, wie es nach dem starken Rückgang von Energiepreisen ab Mitte 2022 und der Normalisierung der Lieferbeziehungen zu erwarten gewesen wäre. Auch in naher Zukunft ist ein Rückgang der Preise nicht zu erwarten.
Lebensmittelinflation verschärft die soziale Ungleichheit
Der Anstieg der durchschnittlichen Löhne konnte den Preisanstieg bei weitem nicht ausgleichen. Die Bruttomonatsverdienste von Vollzeitbeschäftigten stiegen nur um etwa 17 Prozent im Vergleich zu 2020. Damit hat sich die Kaufkraft der Beschäftigten in Deutschland insgesamt um 2,4 Prozentpunkte verringert, für Lebensmittel aber um mehr als 15 Prozentpunkte. Verbraucher*innen merken also nicht nur die höheren Preise im Supermarkt, sie erfahren auch real einen deutlichen Kaufkraftverlust beim wöchentlichen Einkauf.
Dies trifft Menschen mit niedrigem Einkommen besonders stark: Erstens geben sie deutlich mehr von ihrem Monatseinkommen für Lebensmittel aus als bessergestellte Haushalte. Zweitens erhöhten die Supermärkte die Preise ihrer Eigenmarken fast doppelt so stark wie die der Markenprodukte, wie das Handelsblatt errechnen ließ. Wer sich also grundsätzlich mit den günstigeren Eigenmarkenprodukten versorgt, erlebt allein in den letzten zwei Jahren eine Inflation von knapp 25 Prozent. Wirtschaftlich schlechter gestellte Haushalte dürften durch die Lebensmittelinflation zwei- bis dreimal stärker belastet sein als solche mit höherem Einkommen.
Die Lage der Bäuer*innen und Landarbeiter*innen bleibt schlecht
Profitieren Bäuer*innen von den höheren Preisen im Supermarkt? Erhöht sich ihr Einkommen? Bekommen Landarbeiter*innen endlich existenzsichernde Löhne? Auch das muss stark bezweifelt werden.
Denn der Handel mit Lebensmitteln in Deutschland ist hoch konzentriert: Die vier großen Supermarktketten Edeka (mit Netto), die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland, Rewe (mit Penny) und Aldi (Nord und Süd) teilen sich mittlerweile 87 Prozent des Marktes untereinander auf – Tendenz seit Jahren steigend. Diese Oligopolstruktur gibt ihnen eine enorme Marktmacht gegenüber ihren Lieferanten.
Der resultierende Preisdruck setzt sich entlang der Lieferkette fort, schmälert das Einkommen von Bäuer*innen ebenso wie die Löhne von Landarbeiter*innen. Erst kürzlich protestierten Bananenverbände aus Ecuador gegen den Preisdruck in Folge von Sonderangeboten der deutschen Einzelhändler.
Gleichzeitig sind Arbeitsrechtsverletzungen auf ecuadorianischen Bananenplantagen noch immer an der Tagesordnung. In einem der Beschwerdefälle, die Oxfam 2023 nach dem Lieferkettensorgfaltpflichtengesetz beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einreichte, bekamen Arbeiter*innen zu geringe Löhne, weil die Plantage, ein Edeka-Zulieferer, keine Gewinne machte.
Fortschreitende Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel (1995-2023)
Wachsende Gewinnmargen bei den Supermarktketten
Supermarktketten können durch ihre Marktmacht die Verkaufspreise für Verbraucher*innen erhöhen und gleichzeitig Einkaufspreise niedrig halten. Dadurch wachsen ihre Gewinnmargen. Expert*innen sehen durch dieses Vierer-Oligopol den Wettbewerb im Handel mit Lebensmitteln bereits deutlich eingeschränkt. Eine viel beachtete Studie kommt zu dem Schluss, der Einzelhandel könne sich nicht mehr „als die Hüter der Inflation inszenieren, sondern ist eine ihrer Ursachen“ (Lademann & Klezcka 2023).
Die Monopolkommission zeigt zudem in ihrem aktuellen Hauptgutachten, dass sich die Margen entlang der Lebensmittel-Lieferkette stark verschoben haben – weg von der Landwirtschaft, hin zur verarbeitenden Industrie und vor allem dem Handel.
Die Handelskonzerne bestreiten die Preismitnahmen im Zuge der Inflation, vielmehr seien überzogene Preisforderungen der Markenhersteller das Problem.
Jedoch wird Transparenz im Lebensmitteleinzelhandel auffällig kleingeschrieben: Die deutschen Supermärkte sind nicht börsennotiert und müssen daher keine Rechenschaft gegenüber Aktionär*innen ablegen. Zudem wollte keiner der Supermärkte im Rahmen einer Studie der Organisation Foodwatch Einblick in die Margenkalkulation geben. Dabei mehren sich Hinweise auf so genannte Mitnahmeeffekte, also, dass die allgemeine Inflation genutzt wurde, um Preise und damit Gewinnmargen nach oben zu treiben.
Besonders auffällig ist der viel stärkere Anstieg der Supermarkt-Eigenmarken im Vergleich zu Markenprodukten, die zwar in der Regel knapper kalkuliert sind, bei denen die Supermärkte aber eine viel direktere Kontrolle über Produktion und Preise haben. Zuletzt berichtete das Handelsblatt, dass in der Adventszeit 2024 Schoko-Nikoläuse der Eigenmarken um 50 Prozent teurer seien als im Vorjahr. Bei den Marken bekannter Hersteller wie Lindt (7 %), Kinder (12 %) oder Milka (25 %) sei der Anstieg deutlich geringer.
Unter den Vorzeichen der Profitorientierung gilt vom Feld bis zum Ladenregal die Devise „Wachse oder Weiche“. Das zeigt sich am zunehmenden Höfesterben, der Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel und auch in der verarbeitenden Industrie, in der mittelständische Lebensmittelmarken zunehmend in Bedrängnis geraten.
Wie können Politik und Behörden gegensteuern?
Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts
Eine erneute Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts könnte Licht ins Dunkel der Preisbildung bringen und das zunehmende Vordringen der Supermärkte in Produktionsbereiche (sogenannte vertikale Integration) untersuchen, inklusive dessen Auswirkungen auf Vielfalt, Wettbewerb und faire Produktionsbedingungen.
Kartellamt und Politik haben es bisher nicht vermocht, der steigenden Marktkonzentration im Lebensmittelhandel einen Riegel vorzuschieben. Dabei verfügt das Bundeskartellamt seit letztem Jahr über deutlich stärkere Eingriffsmöglichkeiten – bis hin zu einer Entflechtung, also Aufspaltung marktbeherrschender Unternehmen.
Preis- und Margenbeobachtungsstelle
Es braucht nach Frankreich und Spanien auch in Deutschland eine Preis- und Margenbeobachtungsstelle, die eine laufende Überprüfung der Gewinnmargen leisten und auf Ungleichgewichte in der Lebensmittellieferkette hinweisen könnte.
Gebot des kostendeckenden Einkaufs
Außerdem sollte die Bundesregierung ein Gebot des kostendeckenden Einkaufs für die Handelsketten beschließen, damit Bäuer*innen nicht länger unter Dumpingpreisen leiden. Ein solches Gebot zeigt in Spanien bereits erste Wirkung.
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