Es ist geschafft: Der Gesetzgeber hat das Lieferkettengesetz noch kurz vor Schluss in dieser Legislaturperiode verabschiedet. Ab 2023 sind nun Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen – immerhin rund 900 Unternehmen in Deutschland – gesetzlich verpflichtet, bei sich und ihren Lieferanten zu prüfen, ob Menschenrechtsverstöße vorliegen und gegebenenfalls Vermeidungs- und Abhilfemaßnahmen durchzuführen. Wenn sie das nicht tun, drohen im Einzelfall Bußgelder in nicht geringer Höhe, nämlich bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Das kann bei milliardenschweren Unternehmen durchaus ein stattlicher Betrag sein.
Ein Paradigmenwechsel
Das ist ein echter Erfolg beim Einsatz für Menschenrechte in der Wirtschaft, weil es eine Abkehr vom Mantra der Freiwilligkeit bedeutet. Genau darauf haben sich nämlich bisher viele Unternehmen ausgeruht, um nicht wirklich etwas tun zu müssen für bessere Produktionsbedingungen. Es ist auch ein zentraler Schritt hin zu einer gerechteren internationalen Wirtschaftspolitik. Unternehmen, wenn sie global tätig sind und Gewinne einstreichen, werden nicht mehr nur gefördert und geschützt durch internationale Handels- und Investitionsregeln, sondern eben auch verpflichtet, Umwelt und Menschenrechte zu schützen und zu achten. Deutschland kann sich nun in eine Reihe mit den Vorreitern Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien sowie weiteren Staaten stellen, die bereits nationale Gesetze zur Achtung der Menschenrechte in globalen Lieferketten haben.
Und auch wenn noch große Lücken bestehen, wie die fehlende Regelung einer zivilrechtlichen Haftung auf Schadensersatz im Fall von Menschenrechtsverstößen, die Begrenzung der Sorgfaltspflicht auf zunächst unmittelbare Zulieferer sowie die beschränkte Anwendung auf große Unternehmen, ist es doch ein brauchbares Gesetz. Denn NGOs können nun gemeinsam mit Betroffenen veranlassen, dass die zukünftige Behörde Unternehmen überprüft und im Einzelfall bei Verstößen Bußgelder verhängt.
Ein langer Weg
Der Weg dahin war mühsam und lang. Oxfam Deutschland hat zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Amnesty, dem European Centre for Constitutional and Human Rights und Germanwatch in diesem Sinne Pionierarbeit geleistet und schon 2008 damit angefangen, rechtliche Vorschläge für ein Lieferkettengesetz zu machen. Es brauchte aber noch zahlreiche Fallstudien zur Ausbeutung in globalen Lieferketten von Bananen, Ananas, Kaffee, im Rohstoffsektor, Konzernkampagnen und politische Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene bis erste Meilensteine erzielt wurden. Ein zentraler Schritt waren die 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die festlegen, was denn Unternehmen genau tun sollen, um Menschenrechte in ihren Lieferketten zu achten – die also den Grundstein für eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht legten.
Die Katastrophe Rana Plaza
Es war allerdings erst die Katastrophe Rana Plaza, der Einsturz der Textilfabrik im Jahr 2013 in Bangladesch aufgrund von Baumängeln mit über 1.000 Toten, die die Branche endlich aufgerüttelt hat. Entwicklungsminister Müller sagte sich „Nie wieder Rana Plaza“ und unternahm zahlreiche Anstrengungen, wie den Anschub des Textilbündnisses oder des „Grünen Knopfes“. Das waren jedoch immer noch alles lediglich freiwillige Initiativen und bisher auch ohne weitreichende Verbesserungen sowohl in der Unternehmenspolitik als auch vor Ort. Trotzdem hatte Rana Plaza etwas in Politik und Wirtschaft verändert, der nötige Wille war nun da, endlich mal einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien gemeinsam mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu erstellen und auch politische Vorgaben zur Unternehmensverantwortung zu machen. Und hier wurde in heftigen Diskussionen der Grundstein des heutigen Lieferkettengesetzes gelegt. Denn der Plan legte fest, dass die Regierung überprüfen soll, ob die Mehrheit der großen deutschen Unternehmen bereits freiwillig ihre menschenrechtliche Verantwortung wahrnimmt, und wenn nicht, die Schaffung entsprechender gesetzlicher Verpflichtung in Betracht zu ziehen.
Endspurt
Diese Vorgaben wurden dank SPD und unserer Menschenrechtsbeauftragten Bärbel Kofler nun in den Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Jahr 2017 hineingeschrieben. Und während dann 80 Prozent der befragten Unternehmen sogar durch das von der Wirtschaft stark verwässerte Monitoring-Verfahren durchfielen, ging der Endspurt zum Gesetz im September 2019 los. Die Zivilgesellschaft schloss sich in der Initiative Lieferkettengesetz zusammen und schwang sich zur Höchstleistung auf. Unermüdlich kämpfte sie knapp zwei Jahre auf allen Ebenen. Zusammen mit politischen Partnern wie der SPD und Entwicklungsminister Müller und Arbeitsminister Heil gewann sie die Unterstützung der Bevölkerung, von Unternehmen und Wissenschaftlern und durchbrach in einer unglaublichen Kraftanstrengung den Widerstand der Wirtschaftslobby und von Wirtschaftsminister Altmaier.
Und jetzt?
Und jetzt heißt es nach dem Spiel ist vor dem Spiel, denn nun geht es weiter auf EU-Ebene. Die EU-Kommission plant, in der zweiten Jahreshälfte 2021 einen Vorschlag für eine Richtlinie für ein EU-Lieferkettengesetz vorzulegen. Die Wirtschaftslobby – auch die deutsche, die zuvor noch nach einer einheitlichen Regelung für die EU rief, hat sich schon gegen das Gesetz in Stellung gebracht. Damit der neue Vorschlag also die bestehenden Schwachstellen des deutschen Gesetzes ausgleicht, sind weiterhin große Anstrengungen erforderlich. Denn erst, wenn die EU-Staaten an einem Strang ziehen und es verbindliche Vorgaben für alle Mitgliedstaaten gibt, können Schlupflöcher vermieden werden. Und Europa könnte ein wirksames Zeichen setzen, dass es auch jenseits der eigenen Grenzen für Menschenrechte und Umweltschutz steht.
3 Kommentare
Saubere Arbeit!!
Unbedingt dranbleiben ! Anständige und sichere Arbeitsbedingungen können Fluchtursachen beseitigen. Das ist doch, was wir alle wollen. Solidarität mit Arbeiterinnen und Arbeitern, die in anderen Ländern schließlich auch für uns schuften. Auch ich bedanke mich bei den vielen, die das Gesetz auf den Weg gebracht haben.
Vieloen herzlichen Dank für Eure Arbeit !!!