Siemens weist ein Jahr nach der Ermordung von Berta Cáceres immer noch jede Verantwortung von sich. Dies ist ein Armutszeugnis für einen global tätigen Konzern, der sich mit seiner menschenrechtlichen Verantwortung brüstet. Siemens hält Versprechen nicht ein, hält Informationen zurück und erklärt sich sakrosankt als nicht zuständig. In punkto Menschenrechte ist etwas faul im Hause Siemens, aber gewaltig.

Worum geht’s?

Oxfam wirft Siemens und Voith vor, indirekt mitverantwortlich für Morde in Honduras zu sein. Beide Konzerne sind am Wasserkraftwerkausrüster Voith Hydro beteiligt: Voith hält 65 Prozent der Anteile, Siemens 35 Prozent. Voith Hydro schloss im Februar 2013 einen Vertrag mit der honduranischen Betreiberfirma DESA für die Lieferung von Turbinen für das Wasserkraftwerk Agua Zarca. Das Kraftwerk wird am Fluss Gualcarque errichtet, welcher der indigenen Gemeinschaft der Lenca als heilig gilt. Die Lizenz wurde DESA im Jahr 2010 auf illegale Weise erteilt, weil die Zustimmung der Indigenen nicht vorher eingeholt wurde. Gegner des Projektes waren massiv Repressionen von der Polizei, Militärs und privaten Sicherheitsfirmen ausgesetzt. Im Juli 2013 wurde bei Protesten ein Demonstrant von einem Soldaten erschossen. Insgesamt wurden mittlerweile sechs Gegner des Wasserkraftwerks getötet, darunter im März 2016 Berta Cáceres.

Wie reagierte Siemens auf den Vorfall?

Siemens hat von Anfang an darauf verwiesen, dass er „nicht Teil des projektverantwortlichen Konsortiums zum Bau des Wasserkraftprojekts“ und folglich nicht zuständig ist. Nach der Ermordung von Berta Cáceres hat der Konzern unverzüglich Kontakt zu Voith Hydro aufgenommen, um sich auf dem Laufenden zu halten. Siemens hat Voith seine Bedenken mitgeteilt und das Unternehmen gebeten, sein Engagement in diesem Projekt zu überprüfen – abhängig von den Ergebnissen der behördlichen Untersuchung. Sie würden den Fall weiter beobachten. Als Voith Hydro am 4. Mai erklärte, alle Lieferungen für das Projekt bis auf Weiteres einzustellen, hielt Siemens dies für „notwendig und richtig“.

Siemens wurde bereits seit 2014 regelmäßig auf den Hauptversammlungen über die Missstände und Menschenrechtsverletzungen in Auga Zarca informiert und wurde trotzdem nicht tätig. Auch nach der Ermordung verweist Siemens auf seine Minderheits­beteiligung, sieht sich nicht als zuständig an und drängte Voith nicht, Konsequenzen zu ziehen.

Siemens hält Versprechen nicht ein und Informationen zurück

Ende Juni 2016 teilte Siemens uns mit, dass der Sustainability Board beschlossen habe, einen „intensiven Klärungsprozess zu der Beteiligung von Siemens an Wasserkraftprojekten“ vorzunehmen, der „zügig“ erfolgen sollte. Dieser Klärungsprozess sollte sowohl seine eigene Beteiligung an Wasserkraftwerken als auch seine Beteiligung an Voith Hydro umfassen. Die Ergebnisse würden Ende des Sommers vorliegen. Trotz mehrfachen Nachfragens hat Oxfam von Siemens keine befriedigende Antwort zu den Ergebnissen des Klärungsprozesses und zu der Überprüfung des unternehmensinternen Risikomanagements in Punkto Menschenrechte erhalten. Am 3. März 2017 baten wir Siemens, uns die entsprechenden Informationen zeitnah zukommen zu lassen.

Am 21. März 2017 erhielt Oxfam eine Antwort von Siemens. In dem Brief wurde auf unsere Bitte, uns die Ergebnisse des Klärungsprozesses mitzuteilen, nicht eingegangen. Uns wird zwar erklärt, Siemens habe „durchaus entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen“. Zukünftige Projekte dieser Art würden verstärkt unter Risikogesichtspunkten evaluiert und eventuell erforderliche Maßnahmen im Rahmen der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten noch früher eingeplant“. Siemens bleibt Oxfam aber nach wie vor eine Antwort darüber schuldig, was genau die Ergebnisse des Klärungsprozesses sind und welche konkreten Vorsorgemaßnahmen getroffen wurden.

Dabei gehört Transparenz zu den zentralen Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft & Menschenrechte. Im Leitprinzip 21 steht geschrieben: „Um darüber Rechenschaft abzulegen, wie sie ihren menschenrechtlichen Auswirkungen begegnen, sollten Wirtschaftsunternehmen bereit sein, dies extern zu kommunizieren, insbesondere wenn von betroffenen Stakeholdern oder in ihrem Namen Bedenken vorgebracht werden.“ Organisationen wie Oxfam können nicht überprüfen, ob die Vorsorgemaßnahmen wirklich den UN-Leitprinzipien entsprechen. Es ist anzunehmen, dass dies nicht der Fall ist, warum sonst würde Siemens diese Informationen zurückhalten? Fest steht, Siemens verletzt seine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in punkto Rechenschaftspflicht und Transparenz. Auch im Nachhaltigkeitsbericht 2016 gibt es keine Informationen zu den Ergebnissen des Klärungsprozesses.

Siemens erklärt sich sakrosankt als nicht zuständig

Siemens schreibt in seinem Brief an Oxfam: „Siemens selbst hat keine direkte Beteiligung an dem Projekt Agua Zarca. Ausschließlich Voith Hydro, eine Minderheitsbeteiligung von Siemens, ist als Lieferant tätig. Daher liegt die Verantwortung für die menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung bei Voith Hydro.“ Im Dossier „Schmutzige Geschäfte mit Wasser“ legt Oxfam mit Bezugnahme auf das OHCHR dar, warum sich Siemens seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht im Fall von Agua Zarca nicht entziehen kann. Es geht hier um negative Auswirkungen „auf Grund einer Geschäftsbeziehung", die unmittelbar mit der Geschäftstätigkeit von Siemens – nämlich ihrer Beteiligung an Voith Hydro - verbunden sind.

Prof. Prof. Dr. Markus Krajewski vom Lehrstuhl für öffentliches Recht und Völkerrecht (Universität Erlangen-Nürnberg) äußert sich zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Siemens wie folgt: "Wenn Siemens von Menschenrechtsverletzungen in einem konkreten Projekt  und der Geschäftsbeziehung seines Beteiligungsunternehmens Voith Hydro erfährt, muss er natürlich reagieren. Darüber hinaus muss Siemens natürlich die menschenrechtlichen Risiken seiner Geschäftsbeziehung -also der Beteiligung an Voith Hydro - bewerten. Hierfür ist von Bedeutung, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt.“

Es ist also schlicht und ergreifend falsch, wenn Siemens erklärt, dass die Verantwortung für die menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung allein bei Voith Hydro liegt. Informationen aus zugänglich gewordenen Gerichtsakten untermauern währenddessen die Forderung von Oxfam und Verbündeten, dass Voith und Siemens sich komplett aus Agua Zarca zurückziehen müssen. Es liegen nun Informationen vor, dass DESA Verbindungen zum honduranischen Militär auf höchster Ebene hat und dass die Rechtsanwälte von DESA sogar die honduranische Regierung aufforderten, mit allen verfügbaren Mitteln die Aktionen von COPINH zu verfolgen, zu bestrafen und zu neutralisieren.

Wie viele Menschen müssen noch getötet werden, bis Siemens und Voith sich endlich aus Agua Zarca zurückziehen? Oxfam wird solange nicht nachlassen, bis Berta Cáceres, ihrer Familie und ihrer Gemeinschaft der Lenca endlich Gerechtigkeit widerfährt.

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