Klimapolitik

In der Klimapolitik setzt der Koalitionsvertrag Akzente, die Deutschland durchaus auf einen klimaverträglichen Pfad bringen könnten. Aber: An vielen Stellen bleibt der Koalitionsvertrag noch unklar und für die bestehenden Klimaziele reicht der Vertrag wohl auch noch nicht.

Immerhin: Die Ampel will die deutsche und europäische Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf einen 1,5°C-kompatiblen Pfad hin ausrichten und dazu im kommenden Jahr ein Klimaschutz-Sofortprogramm angehen. Dazu passt, dass der Ausstieg aus der Kohle (leider nur „idealerweise“) schon 2030 vollzogen sein und der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigt werden soll. Dazu passt nicht: Die Nutzung von fossilem Gas wird ausgebaut, im Verkehrsbereich fehlt es an brauchbaren Maßnahmen, in anderen Sektoren (Gebäude, Landwirtschaft) ist die Bilanz eher durchwachsen.

International will die Ampel die deutsche G7-Präsidentschaft für die Initiierung von internationalen Klimaclubs von Vorreiterstaaten nutzen, über die neben den formalen UN-Verhandlungen Partnerschaften in einzelnen Bereichen vorangetrieben werden können (was zu einer verstärkten, positiven Dynamik führen kann).

Die Klimafinanzierung soll „perspektivisch“ noch über bestehende Zusagen erhöht werden – die Formulierung ist aber zu unklar, um als Fortschritt durchzugehen. Indirekt wird auch das Verursacherprinzip beim Umgang mit unvermeidlichen Zerstörungen durch den Klimawandel unterstützt – was uns auf jeden Fall Rückenwind gibt.

Agrarökologie

Agrarökologischen Ansätzen kommt eine zentrale Bedeutung bei der Klimaanpassung und bei der Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung zu. Erfreulich, dass die Ampelkoalition dies fördern will. Agrarökologische Systeme verbessern die Wasseraufnahmefähigkeit von Böden, die Pflanzen können tiefer wurzeln, der Schädlings- und Krankheitsdruck wird verringert.

Märkte, welche die Arbeit der Erzeuger*innen mit gerechten Preisen honorieren, befördern eine ortsnahe Versorgung mit frischen, gesunden und vielfältigen Lebensmitteln. Bleibt zu hoffen, dass die Ampelkoalition den Worten Taten folgen lässt, damit deutsche und europäische Agrarexporte nicht die Märkte in Partnerländern zerstören.

Rechtliche Möglichkeiten für ein Export-Verbot von in der EU aus Gesundheitsgründen nicht zugelassenen Pestiziden sollen genutzt werden. Die Ampelkoalition sollte sich hier ein Beispiel an Frankreich nehmen, das als erster EU-Staat ein solches Verbot in 2022 anwenden wird. Auch wollen die zukünftigen Regierungsparteien gegen unfaire Handelspraktiken vorgehen und prüfen, ob der Verkauf von Lebensmitteln unter Produktionskosten unterbunden werden kann.

Enttäuschend ist, dass die geplante Ombuds- und Preisbeobachtungsstelle nicht erwähnt wird. Wir hoffen, diese mit einer grünen Hausleitung im Landwirtschaftsministerium noch erreichen zu können.

Asyl- und Flüchtlingspolitik

Der Abschnitt Asyl- und Flüchtlingspolitik enthält viele gute Formulierungen, beispielsweise zur Beschleunigung von Asylverfahren, Ausweitung des Familiennachzugs, Stärkung der zivilen Seenotrettung und zum Bleiberecht für langjährig Geduldete. Verhindert wurden Formulierungen um das problematische Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“, Ankerzentren werden abgeschafft.

Inhaltliche Kontroversen zwischen den Ampelparteien bilden sich in den Passagen zur europäischen Flüchtlingspolitik ab, die Kooperation mit Drittstaaten in Form von „Migrationspartnerschaften“ wird bei SPD und FDP restriktiver gedacht als bei B90/Die Grünen (deswegen unter anderem Seehofer-ähnliche Formulierungen wie „Rückführungsoffensive“ im Koalitionsvertrag).

Aus Oxfam-Sicht positiv zu bewerten sind Formulierungen gegen Vorprüfungen an den europäischen Außengrenzen, für die verstärkte Umsiedlung von Schutzsuchenden im europäischen Rahmen und für bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren.

Soziale Ungleichheit

Während mit Klimakrise und Flüchtlingspolitik zwei akute Fragen der Weltpolitik berührt werden, bleiben im Koalitionsvertrag die zentralen Treiber der globalen Armut ungenannt. Soziale Ungleichheit und die Dominanz von Mega-Konzernen tauchen im Zusammenhang mit globaler Armut gar nicht auf.

Man mag es als ein positives Zeichen werten, dass immerhin der Begriff Wettbewerb meist mit Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit verknüpft wird. Insofern stellt der Koalitionsvertrag auch das klassische Wachstumsparadigma zaghaft in Frage und im Text wird immer wieder auf „nachhaltiges Wachstum“ Bezug genommen. Gut ist, dass eine Wohlstandsberichterstattung angestrebt wird, die neben ökonomischen auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Dimensionen des Wohlstands erfassen soll. Das gut zu machen und starke Indikatoren zu verankern, könnte langfristig für erste Schritte in Richtung einer sozial-ökologischen Transformation unserer Wirtschaft sorgen.

Menschenrechte in Lieferketten und nachhaltige Unternehmensführung

Ein wichtiger Schritt soll hierzu auf EU-Ebene die neue Sustainable Corporate Governance-Direktive werden, die Menschenrechte in Lieferketten und eine nachhaltige Unternehmensführung („Directors’ duties“) vorantreiben soll. Enttäuschend, dass letzteres nicht im Koalitionsvertrag auftaucht.

Immerhin: „Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert“, heißt es im Vertrag. Wir werden uns dafür einsetzen, dass dies über die eher schwachen Formulierungen des deutschen Lieferkettengesetzes der Regierung Merkel hinausgehen wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Zusage für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz den gefährlich ins Stocken geratenen Prozess auf Brüsseler Bühne vorantreiben mag.

Der Text enthält auch die Forderungen nach „existenzsichernden Löhnen weltweit“, was in der vergangenen Legislaturperiode bereits in ersten, nicht sehr konkreten Pilotprojekten mit hiesigen Supermarktketten angegangen worden war.

Bildung

Die neue Bundesregierung bekennt sich zu ihren Verpflichtungen, mindestens 0,7-Prozent des Bruttonationaleinkommens in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren und die bislang unterfinanzierte Unterstützung für einkommensschwache Länder auf 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu steigern. Sehr positiv ist zu bewerten, dass der gleichberechtige Zugang zu Bildung im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Explizit ist eine Stärkung des Engagements für Grundbildung enthalten, was in vorherigen Verträgen nicht auftauchte.

Impfgerechtigkeit

Schlechter sieht es beim Thema Impfgerechtigkeit aus: Zwar bekennt sich die Koalition zur weiteren Unterstützung der internationalen Covax-Initiative und zu einer gerechte globalen Impfstoffverteilung, benennt aber andererseits nur freiwillige Produktionspartnerschaften und Transfer von Know-how. Ein ganz zentrales Element, die Freigabe von Impfstoffpatenten, wird aber nicht angesprochen! Positiv ist, dass die Ampel die Förderung der Zivilgesellschaft in der Entwicklungszusammenarbeit stärken und den bislang völlig vernachlässigten Bereich Geschlechtergerechtigkeit ausbauen will.

Steuergerechtigkeit

Wie mehr Investitionen in die Bekämpfung von Armut und Hunger gestemmt werden sollen, bleibt leider offen. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer wurde von den Koalitionär*innen aufgrund des Widerstands der FDP ad acta gelegt. Bleibt zu hoffen, dass das intensivierte Engagement gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung kein loses Versprechen bleibt. Maßnahmen, wie die angestrebte globale Steuergerechtigkeit erreicht werden soll, bleibt der Koalitionsvertrag jedenfalls schuldig.

Menschenrechte

Generell betonen die Parteien der neuen Bundesregierung das Primat von Menschenrechten in der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Schutz und die Stärkung von Zivilgesellschaft, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit soll im internationalen Rahmen einen hohen Stellenwert erhalten. Begrüßenswert ist besonders die beabsichtigte Aufwertung der Position der*des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, einschließlich besserer Personalausstattung sowie die Schaffung zusätzlicher Stellen für Menschenrechtsarbeit in den Auslandsvertretungen.

Gemeinnützigkeitsrecht

Die angekündigte „Modernisierung“ des Gemeinnützigkeitsrechts scheint auf die Kritik von politisch engagierten NGOs in Deutschland zu reagieren, indem einzelne Gemeinnützigkeitszwecke ergänzt werden sollen. Zudem soll das von einigen NGOs kritisierte Lobbyregistergesetz „nachgeschärft“ werden und die angekündigte Einführung des „Lobby-Fußabdrucks“ bei Gesetzgebungsprozessen greift eine wichtige NGO-Forderung auf.

Konflikte in Jemen und Syrien

Die humanitäre Hilfe für Jemen und Syrien soll „auf hohem Niveau“ fortgesetzt und Friedensprozesse unterstützt werden. Die Absicht, sich für die Dokumentation und die Verfolgung von Kriegsverbrechen einzusetzen, ist begrüßenswert, sofern sich dies gleichermaßen auf alle Konfliktparteien bezieht. Positiv ist ferner die Ankündigung, den bestehenden Exportstopp von Rüstungsgütern in Staaten, die „direkt“ in den Jemen-Krieg verwickelt sind, aufrecht zu erhalten.

Komplex Palästina/Israel

Zum Komplex Palästina/Israel dominiert leider ausgeprägte Einseitigkeit zugunsten Israels. Bis auf die recht schwache Forderung nach Siedlungsstopp und die Ablehnung einseitiger Schritte in Bezug auf Frieden und Bekenntnis zur Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967 werden ausschließlich israelische Interessen bedient. Palästinenser*innen werden nur im Kontext der Bedrohung Israels durch Gewalt oder Terror sowie von Defiziten bei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschrechten behandelt. Entsprechende israelische Defizite oder Völkerrechtsbrüche (beispielsweise Häuserabrisse und Vertreibung von Palästinenser*innen, Straflosigkeit von Siedlergewalt) werden ausgeblendet.

Nun müssen Taten folgen

Aus entwicklungspolitischer Sicht und Fragen globaler Gerechtigkeit finden wir also Defizite im Koalitionsvertrag, aber auch eine ganze Reihe an positiven Ansätzen für dringend notwendige Initiativen, für die auch Oxfam eintritt. In den nächsten vier Jahren muss dies mit Leben gefüllt werden. Und es wird auch vom Engagement von Bürger*innen, von unterschiedlichen Organisationen der Zivilgesellschaft und konkreter internationaler Solidarität abhängen, inwieweit die nächste Zeit dringend notwendige Verbesserungen in den oben genannten Bereichen bringen wird. Wir werden uns bemühen, hierzu beizutragen. Wir werden die Parteien und Abgeordnete regelmäßig an ihre Versprechen erinnern und – wo nötig – auf Versäumnisse hinweisen.

1 Kommentar

2016 habe ich eine Petitioneingereicht die durch das Gesundheitsministerium Berlin (Dt.Bundestag)bestätigt wurde,das man diese als Petition angenommen hatte,2020 wurde mir mitgeteilt das diese Petition nicht da sei,verschwunden,es ging dabei um eine Knochenmarkspende für einen Krebskranken,die Versicherunge der Krankenhäuser uni düsseldorf hätten mir 1,5 Millionen schadenersatz zahlen müßen,diese wurde von den Parteien unterschlagen, FDP,Grünen saßen in der Opp.und hätten diese bearbeiten müßen,was sie nicht taten ,solch einer Regierung traue ich nicht.

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