Der Berg kreißte – und gebar eine Maus: Seit Mitte Oktober haben die G20-Länder und multilaterale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank gerungen, um eine Lösung in der sich im Zuge der Corona-Krise anbahnenden Überschuldungskatastrophe im Globalen Süden zu finden. Zunächst auf der IWF-Weltbank-Jahrestagung in der zweiten Oktoberwoche, dann auf einem außerordentlichen Treffen der G20-Finanzminister*innen am Freitag, dem 13. (November). Der Auftrag an die Schwergewichte der internationalen Politik war klar:  Der finanzielle Spielraum schwindet in vielen Ländern des Globalen Südens in Folge der weltweiten Gesundheits- und Wirtschaftskrise durch die Corona-Pandemie immer mehr. Es kann immer weniger in Gesundheit, Bildung, Ernährungssicherheit und soziale Absicherung investiert werden, sodass sich die Armutssituation bereits jetzt dramatisch zu verschlimmern droht. Sambia zum Beispiel steht kurz vor dem Zahlungsausfall, da die Einnahmen aus der für das Land wichtigen Kupfergewinnung eingebrochen sind. Infolge drohen harte Einschnitte in grundlegende staatliche Leistungen und Sambia kann seine Auslandsschulden nicht mehr bedienen. Da hilft nur ein umfassender und geordneter Schuldenerlass unter Einbeziehung aller Geber*innen!

Schwarzer Freitag für verschuldete Länder

Die nun erzielten Ergebnisse sind ernüchternd. Das Entschuldungsbündnis Erlassjahr, in dem auch Oxfam Mitglied ist, spricht von einem Schwarzen Freitag: Zwar wird das im Frühjahr gestartete Schuldenmoratorium für die 73 ärmsten Länder bis Mitte 2021 weitergeführt, das heißt der Schuldendienst ist ausgesetzt und diese Länder müssen ihre Schulden erstmal nicht zurückzahlen. Aber es ist kein Erlass - die Schulden müssen dann später beglichen werden, und es werden noch immer nicht alle Länder in den Schuldendienstaufschub einbezogen, die dies benötigen.

Viel Hoffnung haben Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam daher in das nun verabschiedete Common Framework for Debt Treatment gesetzt, in dem aus Sicht der Zivilgesellschaft unter Beteiligung aller Gläubiger*innen festgelegt werden könnte, für wen und auf welchem Verfahrensweg echte Schuldenerlasse gewährt werden sollen.

Es ist gut, dass es dieses Gremium nun gibt. Einen wirklichen Fortschritt bedeutet das aber nicht:  Echte Schuldenerlasse für einzelne Länder sind nicht vorgesehen, zudem müssen einzelne Gläubigerländer, wenn sie partout nicht wollen, nicht mitmachen – hier hat China geblockt, das wiederum eine Einbeziehung der Weltbank in einen möglichen Schuldenerlass beziehungsweise ein -Moratorium gefordert hat.

Was allerdings am Widerstand der Weltbank und ihrer größten Anteilseigner*innen, also den G7 inklusive Deutschland, gescheitert ist, da diese bei einer Einbeziehung um die Kreditwürdigkeit der Bank an den internationalen Finanzmärkten fürchten. Unklar bleibt auch, ob nun der Privatsektor verbindlich miteinbezogen wird oder verschuldete Länder weiter ihre Schulden bei privaten Gläubiger*innen, wie Banken und Investmentfonds, in voller Höhe begleichen muss. Die Uneinigkeit und der Streit innerhalb der Weltgemeinschaft werden damit auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen.

Bundesregierung nimmt Forderung der Zivilgesellschaft nach Ausweitung der Schuldeninitiative auf

Und die Bundesregierung? Deutschlands Verhalten in der Schuldenfrage zeigt Licht und Schatten. Einerseits hat sich auch Deutschland gegen die Einbeziehung der Weltbank gesträubt. Mit Hinweis auf deren angeblich dadurch gefährdete Kreditwürdigkeit, haben sie die Forderungen der Zivilgesellschaft zurückgewiesen. Die Bundesregierung, zum Beispiel Außenminister Heiko Maas, hat sich aber glaubhaft für eine Erweiterung der Schuldenmaßnahmen auf alle Länder, die sie benötigen, eingesetzt und gilt als eine der treibenden Kräfte für die Schaffung des gemeinsamen Rahmenwerks. Dies zeigt, dass der Druck, den Oxfam und seine Unterstützer*innen in den vergangenen Monaten durch Petitionen, Pressearbeit und Hintergrundgespräche mit politischen Entscheidungsträger*innen, beispielsweise im Finanzministerium, gemeinsam mit anderen Organisationen erzeugt haben, durchaus Früchte getragen hat. Wir hoffen, dass die Bundesregierung ihrer Linie treu bleibt und weiter Druck macht für eine umfassende internationale Regelung.

Millionen Menschen könnten noch tiefer in die Armut gestoßen werden

Fazit: Die internationale Gemeinschaft riskiert mit ihrer Untätigkeit eine weitere Verschärfung der Schuldenkrise – mit unabsehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen für Millionen Menschen. Die Geschichte lehrt, dass es besser ist frühzeitig zu handeln und später eh unvermeidliche Schuldenschnitte frühzeitig zu vollziehen, anstatt Menschen wissentlich in Armut zu stoßen und leiden zu lassen. Das war in der Schuldenkrise in Afrika in den 90ern so und hat sich auch in Europa zuletzt in Griechenland gezeigt. Bleibt zu hoffen, dass die internationale Gemeinschaft beim nächsten entscheidenden Meilenstein – der IWF-/Weltbank-Frühjahrstagung 2021 – endlich entschieden handelt.

 

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