Die Bundesregierung hat sich am vergangenen Freitag auf ein modifiziertes Sicherheitspaket geeinigt, das Ende dieser Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden soll. Vorgesehen sind eine Verschärfung des Waffenrechts, strengere Abschieberegelungen und erweiterte Befugnisse für die deutschen Sicherheitsbehörden. Ein erster Entwurf war bereits im August, kurz nach dem tödlichen Messerangriff in Solingen, vorgelegt worden. Nach heftiger Kritik bei einer Expert*innenanhörung im Bundestag wurde das Paket noch einmal überarbeitet. Der Wortlaut der Gesetzesinitiativen war am Montag noch nicht bekannt, da die Texte für die Abstimmung im Innenausschuss noch bearbeitet werden.
Fraktionsvertreter*innen der Ampelparteien sprechen einerseits von „guten Kompromissen“ im Migrationsbereich, andererseits davon, dass der Migrationsteil des Sicherheitspakets in seinen Grundzügen unverändert geblieben sei. Damit ist weiterhin zu befürchten, dass die geplanten Verschärfungen in der Asylpolitik zu Lasten der Rechte von Schutzsuchenden gehen.
Kernpunkte der geplanten Verschärfungen
Das neue Sicherheitspaket umfasst mehrere Maßnahmen, die die Sozialleistungen für Asylsuchende in Deutschland einschränken und die Rückführung abgelehnter Asylbewerber*innen beschleunigen sollen. Die wichtigsten Punkte sind:
- Leistungskürzungen: Die Bundesregierung plant, die Sozialleistungen für Asylsuchende zu kürzen, die nach der Dublin-III-Verordnung ausreisepflichtig sind und für deren Asylantrag ein anderes EU-Land zuständig ist. Wer kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, soll weniger Sozialleistungen erhalten. Unklar ist, was mit Asylsuchenden passiert, für die ein anderer EU-Staat zuständig ist, die aber aus verschiedenen Gründen nicht dorthin abgeschoben werden können. Die Neufassung enthält offenbar die Klarstellung, dass diese Regelung nur Personengruppen betrifft, deren Abschiebung „rechtlich und tatsächlich“ möglich ist.
- Strengere Regeln für Ausweisungen: Ausweisungen sollen vor allem bei Straftaten mit Waffen erleichtert werden. Insgesamt sollen Abschiebungen schneller möglich sein.
- Verlust des Schutzstatus: Schutzsuchende sollen bei Straftaten, die aus Vorurteilen oder Hass gegen bestimmte Gruppen (z.B. aufgrund von Rasse, Religion, sexueller Orientierung oder ethnischer Herkunft) begangen werden, ihren Schutzstatus verlieren können.
- Verschärfung bei Heimreisen: Reisen von anerkannten Flüchtlingen in ihr Herkunftsland (in der Boulevardpresse als „Asyltourismus“ bekannt) sollen ebenfalls zum Verlust des Schutzstatus führen können, mit Ausnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine. Die überarbeitete Fassung sieht hier Ausnahmen vor (z.B. die Beerdigung naher Verwandter), scheint die Regelung aber auch auf die Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten auszudehnen.
Leistungskürzungen auf Kosten von Humanität?
Die geplanten Leistungskürzungen für Asylsuchende, die nach der Dublin-III-Verordnung ausreisepflichtig sind, untergraben den humanitären Grundgedanken des Asylrechts. Schutzsuchende fliehen vor Verfolgung, Krieg oder extremer Not und sollten in Europa menschenwürdig behandelt werden, unabhängig davon, welches EU-Land formal für sie zuständig ist. Die Kürzung von Sozialleistungen kann dazu führen, dass Asylsuchende in die Armut gedrängt werden und damit indirekt ein Ausreisedruck entsteht, auch wenn ihre rechtliche Situation noch ungeklärt ist.
Darüber hinaus schränken Leistungskürzungen die Grundrechte der Schutzsuchenden ein. Dies stellt eine Ungleichbehandlung dar, die mit der Würde jedes Menschen nicht vereinbar ist, zumal viele Schutzsuchende keine Kontrolle darüber haben, wo sie ihren Asylantrag stellen. Leistungskürzungen schränken den Zugang zu medizinischer Versorgung, Wohnraum und anderen Grundbedürfnissen massiv ein.
Schließlich besteht die Gefahr, dass Leistungskürzungen den humanitären Anspruch des Asylrechts auf andere Weise aushöhlen: Das Asylrecht basiert auf der Idee, Menschen in Not Zuflucht zu gewähren, und die geplanten Leistungskürzungen könnten als Signal verstanden werden, dass Schutzsuchende in Deutschland grundsätzlich nicht willkommen sind. Statt einer fairen und menschenwürdigen Verantwortungsteilung innerhalb der EU könnten andere Regierungen dies zum Anlass nehmen, Schutzsuchende noch stärker als bisher durch harte Maßnahmen von der Inanspruchnahme des Asylrechts abzuschrecken.
Verschärfte Regeln für Abschiebungen
Die geplanten Vereinfachungen bei Ausweisungen – insbesondere bei Waffendelikten – sind problematischer, als sie vielleicht scheinen. Der Vorschlag, Täter*innen bereits bei Messerdelikten auszuweisen, könnte zu pauschalen Ausweisungen führen, ohne die dringend notwendige Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Das Ausländerrecht verlangt, dass bei einer Ausweisung stets das Bleibeinteresse gegen das öffentliche Sicherheitsinteresse abgewogen wird. Ohne eine sorgfältige Abwägung wird der Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit unterlaufen.
Darüber hinaus stellen die geplanten niedrigeren Hürden für die Aberkennung des Flüchtlingsschutzes eine mögliche Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Diese sieht enge Grenzen für den Ausschluss von Schutz vor, selbst im Fall von Straftaten und insbesondere dann, wenn es um Menschen geht, denen in ihren Herkunftsländern weiterhin Verfolgung droht. Solche Maßnahmen untergraben das Asylrecht und vermutlich auch das Abschiebeverbot gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Reisen in das Herkunftsland und Verlust des Schutzstatus
Die Regelung, dass eine Reise in das Herkunftsland künftig zum Verlust des Schutzstatus führen kann, ist äußerst problematisch. Die Annahme, dass ein vorübergehender Aufenthalt im Herkunftsland als starkes Indiz dafür gewertet werden kann, dass keine Verfolgung oder Bedrohung vorliegt, ignoriert die komplexen Herausforderungen, mit denen Flüchtlinge konfrontiert sind. Für viele kann ein solcher Aufenthalt notwendig sein, um familiäre Angelegenheiten zu regeln oder Angehörige zu pflegen, was nicht unbedingt bedeutet, dass sie dort sicher sind. Es ist gut, dass die überarbeitete Fassung des Sicherheitspakets hier anscheinend Ausnahmen vorsieht. Die allgemeine Annahme, die dieser Regelung zugrunde liegt, ist jedoch falsch.
Zudem könnten die Ausnahmen für ukrainische Geflüchtete von dieser Regelung zu einer Stigmatisierung anderer Gruppen führen und den Eindruck erwecken, dass Geflüchtete aus anderen Ländern weniger schutzwürdig sind und sie dadurch zusätzlichen Diskriminierungen aussetzen.
Ein Balanceakt zwischen Sicherheit und Menschlichkeit
Es ist notwendig und erforderlich, dass die Bundesregierung nach dem schrecklichen Verbrechen von Solingen reagiert und ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellt. Bei allen Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden, darf aber nicht vergessen werden, dass der Schutz der Menschenrechte und die Einhaltung humanitärer Standards die unumstößliche Grundlage sind. Ein Sicherheitspaket, das auf dem Rücken von Schutzsuchenden ausgetragen wird, untergräbt die Werte, die das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland ausmachen.
Gerade in Zeiten erhöhter Unsicherheit dürfen die Grundrechte der Menschen, die bei uns Schutz suchen, nicht dem Sicherheitsdenken geopfert werden. Ein kritischer Blick auf die asylpolitischen Maßnahmen des Sicherheitspakets ist daher mehr als notwendig – denn letztlich geht es immer um die Frage, was für eine Gesellschaft wir sein wollen: eine, die ihre Türen vor den Schwächsten verschließt, oder eine, die Verantwortung übernimmt und humanitäre Werte hochhält.
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