Der Beitrag fragt, ob die Kooperation mit Unternehmen die Glaubwürdigkeit von NGOs beschädigt. Ob das der Fall ist, hängt wesentlich davon ab, was der Inhalt solcher Kooperationen ist, welches Ziel sie haben und was die Folgen sind. Der Radiobeitrag erweckt leider den falschen Eindruck, Unternehmen könnten sich von Oxfams Kritik durch solche Kooperationen freikaufen. Das ist nicht der Fall. Und es werden auch keine Belege dafür präsentiert.

Grund für Kooperation: Veränderungen bewirken

Warum Oxfam mit großen Konzernen zusammenarbeitet, haben wir dem Autor des Beitrages erklärt: Ein wesentlicher Grund ist, dass diese Unternehmen wichtige Akteure im Lebensmittelmarkt sind und wir dort Veränderungen bewirken wollen. Wir sind uns bewusst, dass NGOs von Unternehmen auch als Feigenblatt benutzt werden. Vor jedem Engagement führen wir deshalb eine Risikoanalyse durch und wiegen Vor- und Nachteile der Zusammenarbeit gründlich ab.

Klar ist aber: Auch Konzerne können (und müssen!) einen Beitrag zur Armutsreduzierung leisten, indem sie beispielsweise ihre Lieferketten hinsichtlich der Auswirkungen auf Menschen in Armut analysieren und Maßnahmen ergreifen, die die Lebensbedingungen von Arbeiter/innen, bäuerlichen Produzent/innen und Gemeinden verbessern.

Hierfür setzt Oxfam auf eine Doppelstrategie, die Kritik und konfrontative Kampagnen ebenso vorsieht (siehe unsere aktuelle Kampagne Fit für Fair?!, mit der wir Lidl ins Visier nehmen, oder unsere abgeschlossene Kampagne „Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne“) wie Dialog und punktuelle Zusammenarbeit. Denn wir sind überzeugt, dass Kritik alleine nicht die Veränderungen bewirkt, die langfristig nötig sind.

Beitrag unterschlägt Oxfams Begründung

Leider hat sich der Autor des Beitrages entschieden, diesen Grund für die Kooperationen nicht zu erwähnen. Stattdessen werden zwei Motive genannt, warum NGOs mit Unternehmen kooperieren: Geld und Know-how/Logistik. Dass es auch noch andere – und aus unserer Sicht wesentlichere – Gründe gibt, erfahren die Zuhörer/Leser nicht.

Wie sehen die Kooperationen mit diesen Unternehmen nun konkret aus? Zwei Beispiele:

  • Oxfam America setzt sich seit vielen Jahren mit dem Unternehmen Coca-Cola auseinander. Dies reicht von Kampagnen gegen Praktiken des Konzerns über die kritische Überprüfung, wie das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsagenda umsetzt, bis hin zur Zusammenarbeit in konkreten Projekten, beispielsweise 2008 und 2009 im Rahmen humanitärer Hilfsmaßnahmen im Sudan. Durch diese Zusammenarbeit konnten Tausende Menschen mit Trinkwasser und lebensnotwendigen Dingen versorgt werden. 
  • Oxfam Großbritannien steht seit über einem Jahrzehnt mit dem Unternehmen Unilever in einem kritischen Dialog zu Fragen kleinbäuerlicher Landwirtschaft und Armutsbekämpfung. Die Kooperation führte unter anderem zu Untersuchungen über die Auswirkungen des Unternehmens auf die Armut in verschiedenen Ländern. In diesem Zusammenhang sparte Oxfam nicht mit Kritik. Darüber hinaus hat Unilever Oxfam für Nothilfe-Einsätze gespendet und ist Teil eines Projekts, das arme Gemeinden in Nigeria mit Trinkwasser versorgt.

 Kritik trotz Kooperationen

Oxfam bleibt trotz dieser Kooperationen stets kritisch. So haben Oxfam Novib (Niederlande) und Oxfam Großbritannien in einem Forschungsprojekt mit Unilever in Indonesien im Jahr 2005 kritisch hinterfragt, ob Unilever Kleinbauern vom Markt verdrängt und ob ihre Werbung bei Menschen in Armut neue Bedürfnisse schafft, statt bestehende zu befriedigen. Auch in späteren Berichten (z.B. 2013) hat sich Oxfam kritisch mit den Arbeitsbedingungen in der Lieferkette von Unilever auseinandergesetzt.

2013 kritisierte Oxfam in Studien sowohl die Kinderarbeit in Zuckerplantagen von Zulieferern als auch den Landraub von Zulieferern für die Produktion von Zucker für Coca-Cola. Aufgrund des öffentlichen Drucks durch Oxfams Arbeit verpflichtete sich Coca-Cola zu einer Nulltoleranz-Politik gegenüber Landraub bei seinen Zulieferern.

Auch dass einige Aufsichtsratsmitglieder von Oxfam America in Großkonzernen tätig waren oder sind, hat keinen Einfluss auf Oxfams Programmatik. So hat Oxfam erst kürzlich den Bericht „Broken at the Top“ veröffentlicht, der die Steuervermeidung der größten 50 US-Konzerne analysiert und kritisiert. Oxfam wird auch weiterhin von Unternehmen fordern, keine Steueroasen zu nutzen und ihren fairen Steueranteil zu leisten, unabhängig davon, welche Einzelpersonen in unseren Gremien sitzen. Diese sind dort generell nicht als Vertreter von Konzernen tätig, sondern als Privatpersonen. Sie sind als solche unseren Werten und Grundsätzen verpflichtet.

Oxfam arbeitet für eine gerechte Welt ohne Armut, Hand in Hand mit den Menschen, die in Armut leben, mit Basisorganisationen überall auf der Welt, mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern und anderen Nichtregierungsorganisationen. Um Armut auf der Welt zu überwinden, ist es aber auch nötig, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Das tun wir, auf vielfältige Weise, mit Überzeugung, klaren Worten und Augenmaß.

4 Kommentare

Meiner Ansicht nach unterschlagen Sie die grundsätzlichen weltpolitischen Zusammenhänge.

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