Geschlechtergerechtigkeit ist eines der zentralen Ziele unserer Arbeit, denn Frauen und Mädchen sowie LGBTQIA+-Personen werden weltweit diskriminiert und ausgegrenzt. Obwohl Frauen und Mädchen den größeren Teil der Weltbevölkerung ausmachen, haben sie weniger Zugang zu Bildung, Ressourcen und Einkommen. Das ist eine Form der sozialen Ungleichheit.
Kriege und Konflikte verschlimmern diese bestehende globale Ungleichheit zusätzlich. Denn Frauen und Mädchen sind in humanitären Krisen noch höheren Risiken von sexueller Ausbeutung und sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Diese Formen von Gewalt werden sogar häufig als Kriegswaffe eingesetzt.
Hinzu kommt, dass Familien- und Care-Arbeit hauptsächlich von Frauen geleistet wird. Auch in Extremsituationen, unter schwierigsten Bedingungen und bei Flucht und Vertreibung liegt diese Arbeit weiter in der Verantwortung von Frauen.
Auch innerhalb des humanitären Systems spiegeln sich die strukturellen Diskriminierungen gegenüber Frauen und Mädchen wieder: So ist der Bereich zum Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechterbasierter Gewalt einer der am wenigsten ausfinanzierten Sektoren.
Wie wir in humanitären Krisen auf die speziellen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen eingehen
In vielen Ländern arbeiten wir mit lokalen und nationalen Partnerorganisationen zusammen. Diese kennen die Situation und die Anliegen der Menschen vor Ort am besten und können daher kontextspezifische und kulturell angemessene Unterstützung leisten. Schon vor Start eines Projektes achten wir mit unseren Partnern darauf, dass Frauen in allen Prozessen und Strukturen vertreten sind und somit ihre geschlechterspezifischen Perspektiven und Bedürfnisse einbringen können.
Bei der Bedarfserhebung schauen wir genau hin, wer Zugang zu Ressourcen und Rechten hat, wer die Gemeinschaft repräsentiert, welche sozialen Machtdynamiken bestehen und wie die Lebensrealität von Frauen, Männern, Mädchen und Jungen sowie Menschen zwischen und außerhalb solcher Kategorien aussieht, um sie dann angemessen zu unterstützen.
Gender-Mainstreaming
Unsere humanitären Projekte umfassen meist die Bereiche WASH (Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene), Ernährungssicherheit und Schutz. In all diesen Bereichen haben wir den Anspruch, sie besonders für Frauen und Mädchen zugänglich zu machen, sodass die bereitgestellte Unterstützung sicher genutzt werden kann. Dies wird auch als „Gender-Mainstreaming“ bezeichnet. Zusätzlich gibt es sogenannte „Gender-Stand-Alone-Aktivitäten“, die Geschlechtergerechtigkeit in den Vordergrund stellen.
Konkrete Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in einem Projekt
In einem humanitären Projekt in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan setzen wir derzeit gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen folgende Aktivitäten um:
Geschlechtergerechtigkeit im Bereich Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH)
Im Bereich WASH werden Toiletten und Duschen gebaut, die gemeinsam mit Frauen konzipiert wurden, damit deren Nutzung für Frauen sicher ist. Zudem hat die Einbindung von Frauen bewirkt, dass Wasserstellen beleuchtet sind, damit Frauen sie auch in der Dunkelheit sicher nutzen können.
Auch in die Zusammenstellung von Sets mit Menstruationsprodukten sind Frauen eingebunden. Ein Set, das an Frauen und heranwachsende Mädchen verteilt wird, beinhaltet beispielsweise wiederverwendbare Binden, Seife, grundlegende Kleidungsstücke wie Unterwäsche und kulturell angemessene Kleidung sowie eine Taschenlampe. Außerdem finden Schulungen und Beratungen zur Verwendung von Menstruationsprodukten statt, die kulturell und geschlechtsspezifisch angemessen sind.
Geschlechtergerechtigkeit im Bereich Ernährungssicherung
Im Bereich Ernährungssicherung werden die am stärksten gefährdeten Haushalte mit Fällen von akuter Mangelernährung gezielt mit Bargeld unterstützt. Zu diesen Haushalten zählen häufig frauengeführte Haushalte, von denen es in Kriegs- und Krisenkontexten sehr viele gibt, da die Männer fehlen. Durch ihre gezielte Unterstützung soll sichergestellt werden, dass Kinder, stillende Mütter und Schwangere ihren grundlegendsten Bedarf an Nahrungsmitteln und anderen lebenswichtigen Dingen decken können.
Für Frauen gibt es zudem die Möglichkeit, in Frauen-Spargruppen regelmäßig kleine Beträge beiseitezulegen, die als gemeinsames Kapital für Notfälle und Investitionen genutzt werden können. Diese Spargruppen unterstützen die Frauen dabei, Kontrolle über ihre wirtschaftliche Situation und Sicherheit zu erlangen. Sie fördern ihre soziale Vernetzung und stärken so ihre wirtschaftliche Resilienz, ihren Zugang zu Ressourcen sowie auch ihr wichtiges Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten.
Mütter können außerdem an Kochkursen teilnehmen, die von örtlichen Gesundheitsfachkräften geleitet werden.
Geschlechtergerechtigkeit im Bereich Schutz
Im Bereich Schutz werden die Gemeinschaften über die medizinischen, psychologischen sowie rechtlichen Schutzdienste in der Umgebung informiert. Sie erfahren, wo welche Anlaufstellen zu finden sind und welche Form der Unterstützung sie dort bekommen können. Die Angebote richten sich besonders an gefährdete Frauen und Mädchen und umfassen auch psychosoziale Betreuung sowie Paarberatung.
Weitere Aktivitäten mit Fokus auf Geschlechtergerechtigkeit
Für die gesamten Gemeinschaften finden Sensibilisierungssitzungen statt, in denen es um die Themen Geschlechterrollen und -rechte, Rechtsansprüche, Risiken von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt und andere Schutzbelange geht. Zusätzlich gibt es Gesprächsrunden zu schädlichen traditionellen Normen und Praktiken. Zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter werden außerdem Gespräche mit den lokalen Gemeindevorstehenden, Jugend- sowie Frauengruppen geführt.
Zur Stärkung von Frauen und Mädchen werden Schulungen angeboten, in denen sie die Herstellung von wiederverwendbaren Damenbinden, Seife und anderen Produkten erlernen können. Wo es ohne Risiko möglich ist, von sexueller Gewalt betroffene Frauen zu erreichen, wird diesen auch Unterstützung durch Bargeld angeboten. So können die Betroffenen beispielsweise Krankenhausbesuche oder medizinische Notmaßnahmen finanzieren.
Es werden Gender- und Schutzbeauftragte ernannt und geschult sowie gemeinschaftsbasierte Schutzkomitees gegründet. Diese Komitees sind erste Ansprechpersonen für die Gemeinschaft, unterstützen bei Fragen und führen selbstständig weitere Schutzkampagnen durch. So gehen sie oft von Haushalt zu Haushalt, tauschen sich in Kleingruppen von Frauen aus oder organisieren größere Austauschformate, um die gesamte Gemeinschaft für Schutzthemen zu sensibilisieren.
Unterstützen Sie unsere Arbeit, damit wir uns weiter für Geschlechtergerechtigkeit stark machen können.
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