Wir brauchen Bauern und Bäuerinnen – und sie uns!
Es ist ein ständiger Kampf. Menschenrechte werden vielerorts verletzt. Für seine Rechte einzustehen, kann lebensgefährlich sein. Insbesondere im ländlichen Raum. Bäuerliche Produzenten werden systematisch diskriminiert. Ob durch gewaltsame Vertreibungen, ungerechte Landgesetze und ruinöse Erzeugerpreise oder Saatgutpatente, oligopolistische Märkte und korrupte Eliten. Frauen sind besonders betroffen, auch weil patriarchale Strukturen ihre Teilhabe erschweren bzw. unterbinden.
Der UN-Menschenrechtsrat und Rechte für bäuerliche Produzenten
Eine „Erklärung für die Rechte von (klein-)bäuerlichen Produzenten“ („Peasants‘ Rights Declaration“) soll dies ändern helfen. Es geht hierbei um die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, Pastoralisten, Fischer*innen, Landlosen, Indigenen, Frauen, Landjugendlichen, Migranten und Saisonarbeiter*innen. Erstmals würden die bestehenden Menschenrechte für Gruppen im ländlichen Raum zusammengefasst, konkretisiert und in Bereichen ausgeweitet, in denen spezifische Diskriminierungen noch nicht menschenrechtlich explizit adressiert werden. Ähnliches gibt es bereits für Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen und Indigene.
Die internationale Bewegung La Via Campesina, übersetzt „Der bäuerliche Weg“, bringt Millionen von bäuerlichen Produzenten, Bäuerinnen, Landlosen, Migranten, Indigenen und Landarbeiter*innen zusammen. Sie hatte sich seit Anfang 2000 für eine Erklärung für bäuerliche Produzenten und Menschen im ländlichen Raum eingesetzt. Die Menschenrechtsorganisation FIAN ist mit ihrer menschenrechtlichen Expertise ebenso ein sehr wichtiger Unterstützer. Im September 2012 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen das Mandat für die Erarbeitung der Erklärung erteilt. Eine internationale Arbeitsgruppe wurde eingesetzt, um den Entwurf einer Erklärung zu verhandeln, ihn fertig zu stellen und dem Menschenrechtsrat vorzulegen. Im Mai 2017 steht jetzt die vierte Verhandlungsrunde an.
Die Rechte für bäuerliche Produzenten – wichtig für uns alle
Eine bedeutende Gruppe sind die „Peasants“, „Paysans“ bzw. „Campesinos“. In der deutschen Sprache gibt es dafür keine gute Entsprechung. Am ehesten passt der Begriff der „bäuerlichen Produzenten“. Es sind jene, die mehr in Kreisläufen denken, naturverbunden sind, Landwirtschaft auch als Kultur verstehen, bäuerliches Wissen pflegen und experimentierend neue Kenntnisse erwerben. Sie produzieren nahrhafte Lebensmittel, versorgen in erster Linie ihre Gemeinden und die einheimische Bevölkerung mit Lebensmitteln. Sie leisten zudem einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität über und unter der Erde sowie von Kulturlandschaften.
Als solche sind diese Bauern und Bäuerinnen enorm wichtig für uns alle. Dies wurde auch letzte Woche beim „Global Peasants‘ Rights Congress“ in Schwäbisch Hall mehrfach betont, u.a. von Klaus Töpfer, Hardy Vogtmann und Ernst Ulrich von Weizsäcker. 70 Prozent der Lebensmittel weltweit werden von kleinbäuerlichen Produzenten hergestellt, trotz der vielfältigen Benachteiligungen und Diskriminierungen. Pat Mooney von der kanadischen NGO ETC-Group erklärte, „die ganze Welt braucht Rechte für bäuerliche Produzenten“. Wenn wir diese Rechte nicht gewährleisteten, würden wir in Zukunft keine „Lebensmittel“ haben. Biologische Vielfalt wird es nur mit bäuerlichen Produzenten geben. Um ihre Rechte abzusichern, braucht es die Unterstützung von uns allen.
Um welche Rechte geht es?
Der aktuelle Entwurf der Erklärung enthält knapp 30 Rechte. Sie reichen vom Recht auf Land und Wasser, Recht auf Saatgut und Recht auf ein existenzfähiges Einkommen bis hin zum Recht auf Teilhabe, Recht auf Arbeit und dem Recht auf Nahrung und Ernährungssouveränität. Enthalten sind ebenso die Vereinigungsfreiheit, die Meinungsfreiheit sowie das Recht auf Informationen. Einige Rechte gehören bereits heute zum internationalen Menschenrechtskanon, andere wie das Recht auf Land und das Recht auf Saatgut sind neu und werden sicherlich noch weiter diskutiert werden. Es gilt auf jeden Fall sicherzustellen, dass die Erklärung nicht hinter bestehenden Menschenrechtsstandards zurückfällt und die Rechte bäuerlicher Produzenten schützt.
Auch wenn in diesen Zeiten bereits die Verteidigung der bestehenden Menschenrechte eine Herausforderung darstellt, sollte alles getan werden, um Fortschritte bei den Rechten für bäuerliche Produzenten zu erreichen. Die bäuerliche Landwirtschaft ist eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Der weltweit beängstigende Anstieg von Ausländerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Transphobie ist eine Bedrohung für Demokratie, die Verwirklichung der Menschenrechte und für die Ernährungssouveränität. Dies Abschlusserklärung des Bauernkongress in Schwäbisch Hall hat dies noch einmal sehr deutlich gemacht.
Unterstützt die Bundesregierung den Prozess?
Im Jahr 2012 haben 23 von 47 Mitgliedsstaaten des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen die Einsetzung einer Arbeitsgruppe befürwortet. Dabei wurde die Entscheidung vor allem von Entwicklungsländern unterstützt, während die Industriestaaten bis auf Norwegen und die Schweiz gegen den Antrag stimmten. Seitdem ist die Unterstützung gewachsen. Die Bundesregierung hat sich im Jahr 2014 immerhin enthalten, als es um die Verlängerung des Mandats der Arbeitsgruppe ging. Mittlerweile heißt es von der Bundesregierung, dass sie „diesen Prozess aktiv unterstützen“ werde. Der „Global Peasants‘ Rights Congress“ hat sicherlich dabei geholfen, mehr politische Unterstützung zu mobilisieren. Der Kongress, der von BESH, FIAN, AbL und Ecoland veranstaltet wurde, fand auch breite Unterstützung von vielen Organisationen im Bereich Landwirtschaft und Entwicklung, einschließlich Oxfam Deutschland.
Damit am Ende eine progressive Erklärung erarbeitet und einstimmig im Menschenrechtsrat abgestimmt wird, brauchen die bäuerlichen Produzenten und andere Menschen im ländlichen Raum unsere Unterstützung. Die Kraft solch einer „Peasants‘ Rights Declaration“ liegt in der Zustimmung der Regierungen, denn sie haben die menschenrechtliche Verpflichtung, die Rechte in der Praxis auch abzusichern. Eines ist jedoch klar: Den unermüdlichen Kampf für die Verwirklichung der Menschenrechte wird auch die Erklärung nicht ersetzen können. Menschenrechte müssen von uns allen tagtäglich verteidigt werden!