Neuen Kommentar hinzufügen

Brennende Bäume, Rauch und Funken bei einem Waldbrand im Klamath National Forest, USA.
Waldbrand im Klamath National Forest, USA.

Planet in Flammen

UN-Weltklimakonferenz COP26
14. Oktober 2021

Bis heute fehlt der politische Wille

Dass die Welt auf einem guten Weg wäre, die Klimakrise global gerecht zu meistern, kann man wirklich nicht behaupten. Das Gegenteil ist der Fall. Trotz des großen Wurfes, der 2015 mit dem Pariser Abkommen gelungen war, stockt der globale Klimaschutz wegen des skandalösen Mangels an politischem Willen vieler Regierungen. Wenn man sich die Szenarien der Wissenschaftler*innen für den Weg in die globale Katastrophe ansieht, ist es geradezu unfassbar, mit welcher Gleichgültigkeit viele Regierungen ihre ohnehin verantwortungslos schwachen Klimaschutzziele nur halbherzig verfolgen, um etwa die heimische Autoindustrie, große Agrarkonzerne oder die fossile Energiewirtschaft vor Veränderung zu schützen (und nicht das Klima). Menschen – vor allem in wirtschaftlich benachteiligten Ländern – werden mit zunehmenden Dürren, Hitzewellen, Stürmen und Überschwemmungen alleingelassen, und trotzdem werden am Ende die Regierungsvertreter in verschiedener Abstufung wieder sagen, diese oder jene Weltklimakonferenz habe passable Erfolge zustande gebracht.

Auch der nun anstehenden 26. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention (COP26) in Glasgow droht solch ein Szenario. In drei zentralen Bereichen drohen nur mäßige Ergebnisse oder gar keine Fortschritte:

  • Beim Ehrgeiz im Klimaschutz,
  • bei der finanziellen Unterstützung für Länder mit geringem Pro-Kopf-Einkommen und
  • beim Umgang mit unvermeidlichen Verlusten und Schäden infolge des Klimawandels.

Klimaschutz-Ehrgeiz: Planet in Flammen

Um, wie im Pariser Abkommen vorgesehen, die globale Erwärmung auf maximal +1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müssten die globalen Emissionen bis zur Jahrhundertmitte auf Netto-Null absinken und bis 2030 um rund die Hälfte gegenüber heute – im globalen Durchschnitt. Länder mit höherer Verantwortung für das Verursachen der Krise und mit größerer Wirtschaftskraft, wie etwa Deutschland, müssen mehr tun. Länder mit geringem Pro-Kopf-Einkommen sollen mehr Flexibilität bekommen, auch das ist im Pariser Abkommen festgelegt.

Aber: Fast kein Land leistet seinen fairen Beitrag zum global nötigen Klimaschutz. Die Klimaschutzbeiträge, die die Länder unter dem Pariser Abkommen alle fünf Jahre neu formulieren und dabei immer ehrgeiziger ausgestalten sollen, sind – zusammengenommen – so schwach, dass global die Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden. Die globale Erwärmung könnte bis Ende des Jahrhunderts eher bei +2,7°C statt bei maximal +1,5°C liegen. Unter der Last der Folgen könnten möglicherweise viele Gesellschaften – vor allem wirtschaftlich benachteiligter Länder – kollabieren.

Das Problem ist seit langem bekannt. Alle wissen, dass wir drauf und dran sind, unseren Planeten zu verbrennen. Aber auf der offiziellen Verhandlungsagenda steht die in vielen Fällen völlige Unzulänglichkeit der Klimaschutzbeiträge der Länder trotzdem nicht. Denn: Das Pariser Abkommen legt fest, dass jedes Land souverän über seine Klimaschutzbeiträge entscheidet und die Staatengemeinschaft darüber nicht zu urteilen hat. Die COP26 kann allenfalls alle Länder allgemein zu mehr Klimaschutz auffordern – solche Appelle hat es schon gegeben, mit wenig Wirkung.

Das Climate Vulnerable Forum, ein Zusammenschluss der besonders von den Klimafolgen betroffenen Länder, hat jüngst gefordert, in einen Krisenmodus umzuschalten. Das Forum will alle Länder verpflichten, ihre Klimaschutzbeiträge so lange quasi jedes Jahr zu aktualisieren, bis sie zusammengenommen ausreichend sind, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erfüllen. Das hätte zumindest den Vorteil, dass die Regierungen nicht die nächsten fünf Jahre ihre Ruhe haben werden, wie es der normale Zyklus des Pariser Abkommens vorsieht.

Klimafinanzierung: Gebrochene Versprechen

Die Industrieländer sind in der UN-Klimarahmenkonvention und im Pariser Abkommen völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen, die Länder des Globalen Südens finanziell bei Klimaschutz und Anpassung zu unterstützen. 2009 versprachen die Industrieländer, die Klimafinanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar anwachsen zu lassen. 2015, in einem Begleitbeschluss des Pariser Abkommens, wurde außerdem festgelegt, dass dieses Niveau zunächst bis 2025 gehalten werden solle. Das Versprechen wurde gebrochen. Derzeit liegt das erreichte Niveau bei rund 80 Milliarden US-Dollar im Jahr – und auch das nur, weil sich die Geberländer eine recht großzügige Zählweise genehmigt hatten, wie Oxfam es immer wieder kritisiert. Der Großteil der Gelder kommt zudem in Form von Krediten, was die Schuldenberge der Länder weiter erhöht. Und: Nur ein Viertel der Gelder steht zur Unterstützung von Anpassung an die Veränderungen bereit – dringend notwendige Investitionen in die Ernährungssouveränität der Menschen in wirtschaftlich benachteiligten Ländern, in den Schutz vor künftigen Unwetterkatastrophen oder für die Versorgung mit ausreichend Wasser werden so sträflich vernachlässigt.

Die Klimafinanzierung ist ein integraler Baustein für die mühsam austarierte Balance zwischen den Ländern im internationalen Klimaregime des Pariser Abkommens – und die 100 Milliarden eine wichtige Messlatte dafür. Das dämmerte schließlich auch den Geberländern, die derzeit an einem Fahrplan für die COP26 arbeiten, wie sie ihr Versprechen doch noch erfüllen können. Ohne weitere Zusagen wird das allerdings nicht gelingen. Die Bundesregierung hatte zum G7-Gipfel zugesagt, die deutschen Klima-Hilfen aus dem Bundeshaushalt auf jährlich sechs Milliarden Euro zu erhöhen. Acht Milliarden wären angemessener gewesen – das muss nun die nächste Bundesregierung richten.

Auf der COP26 geht es außerdem um die Verhandlungen für ein neues Ziel zur Klimafinanzierung, das für die Zeit nach 2025 gelten soll – und das sich an den tatsächlichen Bedürfnissen wirtschaftlich benachteiligter Länder orientieren soll (anders als die 100 Milliarden, die zuallererst eine politische Hausnummer waren). Viel wird hier nicht zu erwarten sein, denn wie so oft auf diesen Klimakonferenzen wird hier wohl nichts zur Sache beschlossen, sondern nur zur Frage, wann wo und wie darüber in den kommenden Jahren verhandelt wird. Die eigentliche Arbeit findet also erst nach der COP26 statt.

Schäden und Verluste: Die Ärmsten im Stich gelassen

Regnet es in einem Landstrich zunehmend weniger, lassen sich eine Weile die Folgen durch veränderte Anbaumethoden ausgleichen. Trocknet der Boden aber völlig aus, bringt das Land gar nichts mehr hervor. Anderswo lässt sich dem steigenden Meeresspiegel vielleicht eine Zeit lang durch Küstenschutz begegnen, aber irgendwann sind die Fluten vielleicht nicht mehr aufzuhalten oder wird das Grundwasser durch eindringendes Salzwasser ungenießbar. Auch beim Schutz gegen Monsterstürme sind irgendwann die Grenzen erreicht. Menschen verlieren dann alles – und werden, wenn das Land keine Lebensgrundlagen mehr bietet, in die Migration gezwungen.

Die ökonomischen Folgeschäden in Ländern mit geringem Pro-Kopf-Einkommen könnten bis 2050 auf rund 1,5 Billionen US-Dollar pro Jahr anwachsen. Wer kommt dafür auf? Die wirtschaftlich benachteiligten Länder bei Klimaschutz und Anpassung finanziell zu unterstützen, ist als Säule des internationalen Klimaregimes fest etabliert. Bei den Kosten von Verlusten und Schäden aber blockieren die finanzstarken Länder jeden echten Fortschritt aus Angst vor künftigen Kompensationsforderungen. Stattdessen unterstützen sie den Aufbau von Klimarisikoversicherungen für betroffene Länder und Regionen. Das verteilt zwar immerhin die Risiken, langfristig aber sollen die wirtschaftlich benachteiligten Länder die Kosten dieser Versicherungen (und damit die Kosten der Klimaschäden) selbst bezahlen.

Die COP26 wird hier wenig Fortschritte beschließen – auf der Agenda stehen einige eher technische Aspekte bestehender Arbeitsgruppen zum Thema. Eine Anerkennung der Notwendigkeit, neue finanzielle Mittel bereitzustellen, und geeignete Mechanismen, um unvermeidliche Schäden durch internationale Unterstützung auszugleichen, werden wohl weiter auf sich warten lassen.

Ein Mann steht inmitten seiner Kamelherde und schaut ernst in die Kamera.
„Früher hatte ich 300 Schafe, Ziegen und Kamele, jetzt habe ich nur noch etwa 25 Kamele“, sagt Abdi Abdulahi aus der Region Somali, Äthiopien. Aufgrund der anhaltenden Dürre ist der Rest seiner Tiere bereits gestorben.

Was sonst noch ansteht: Abschluss des Paris-Regelbuchs

Neben den großen politischen Themen, die großenteils (bizarr genug!) nicht auf der eigentlichen Verhandlungsagenda stehen, dient die COP26 auch dazu, konkrete Ergebnisse zu verhandeln – darunter die Umsetzungsregeln für den Artikel 6 des Pariser Abkommens. Unter diesem Artikel können Länder gemeinsam Klimaschutzprojekte betreiben und sich die erzielten Reduktionen gemeinsam gutschreiben – die Frage ist: wie stellt man sicher, dass solche Reduktionen robust quantifiziert werden, dass nicht doppelt gezählt wird und dass solche Projekte soziale und ökologische Mindeststandards einhalten? Die Sorge ist berechtigt, dass solche Projekte am Ende vor allem billig Klimaschutzgutschriften erzeugen sollen und dabei (wie man es bei einem ähnlichen Mechanismus unter dem Kyoto-Protokoll beobachten konnte) soziale und ökologische Verwerfungen zu beklagen sein werden.

Einigen müssen sich die Länder auch, ob künftige Klimaschutzbeiträge unter dem Pariser Abkommen alle demselben Jahresrhythmus folgen sollen – etwa immer einen Fünfjahreszeitraum umfassen sollen. Dafür spricht, dass dadurch die Beiträge einzelner Länder besser miteinander vergleichbar wären und unzureichende Klimapläne nur für möglichst kurze Zeiträume festgeschrieben sind. Einige Länder sind aber dagegen – auch, weil sie sich nicht vom Pariser Abkommen diktieren lassen wollen, wie sie ihre Klimaschutzpläne strukturieren sollen.

Ausblick: Was Hoffnung macht

Zumindest von der eigentlichen Verhandlungsagenda der COP26 sind eher wenig Impulse zu erwarten. Hoffnung muss man sich also woanders suchen – etwa in der Nachricht von vor einiger Zeit, dass China keine Kohlekraftwerke in anderen Ländern mehr finanzieren möchte; oder in der seit kurzem auch von der Internationalen Energieagentur (die bisher immer eher ein Protagonist der fossilen Energieträger war) vertretenen Ansicht, dass die Begrenzung auf maximal 1,5°C Erwärmung mit heutigen Technologien wirtschaftlich machbar ist, wir also auf keine technologischen Wunder aus der Zukunft warten müssten. Oder dass es ja nicht ausgeschlossen ist, dass die Grünen in einer künftigen Ampelkoalition die neuen Partner*innen von ehrgeizigerem Klimaschutz überzeugen werden. Helfen tut dabei aber auch weiter der Protest auf der Straße von uns allen – für eine klimagerechte Zukunft, zum Beispiel am 22. Oktober zum nächsten Klimastreik!

14 Personen, Freiwillige der Münchener Oxfam Shops, halten beim Klimastreik am 24.09.2021 in München Fahnen mit der Aufschrift „Klima schützen, Kohle stoppen!“
Klima schützen, Kohle stoppen: Freiwillige der Münchener Oxfam Shops beim Klimastreik am 24.09.2021 in München.

Wir freuen uns über anregende Diskussionen, sachliche Kritik und eine freundliche Interaktion.

Bitte achten Sie auf einen respektvollen Umgangston. Auch wenn Sie unter einem Pseudonym schreiben sollten, äußern Sie bitte dennoch keine Dinge, hinter denen Sie nicht auch mit Ihrem Namen stehen könnten. In den Kommentaren soll jede*r frei seine Meinung äußern dürfen. Doch es gibt Grenzen, deren Überschreitung wir nicht dulden. Dazu gehören alle rassistischen, rechtsradikalen oder sexistischen Bemerkungen. Auch die Diffamierung von Minderheiten und Randgruppen akzeptieren wir nicht. Zudem darf kein*e Artikelautor*in oder andere*r Kommentator*in persönlich beleidigt oder bloßgestellt werden.

Bitte bedenken Sie, dass Beleidigungen und Tatsachenbehauptungen auch justiziabel sein können. Spam-Meldungen und werbliche Einträge werden entfernt.

Die Verantwortung für die eingestellten Kommentare sowie mögliche Konsequenzen tragen die Kommentator*innen selbst.