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Orange Grafik mit schwarz-weißer Aufschrift "#SAY HER NAME". Links daneben ist eine abstrakt gestaltete Person mit erhobener Faust zusehen.
Die Zusammenarbeit mit unseren Partnern soll feministisch sein. Deshalb haben wir z. B. die Kampagne #SayHerName der südafrikanischen Organisationen SWEAT (Sex workers‘ education and advocacy taskforce) und Sisonke unterstützt. Unter dem Hashtag erinnert diese an ermordete Sexarbeiter*innen, macht ihre Namen sichtbar und fordert strafrechtliche Verfolgung.

Feministische Zusammenarbeit bei Oxfam

Was braucht es dafür?
22. September 2022

Die Bundesregierung arbeitet derzeit einen Gender-Aktionsplan auf Basis der „3 R“ aus: Die Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen, aber auch anderer an den Rand gedrängter Gruppen sollen bewusst gestärkt werden. Doch was bedeutet das konkret?

Frauen stellen über 50% der Weltbevölkerung dar. In vielen Ländern tragen sie durch körperliche Schwerstarbeit zum Einkommen bei, kümmern sich um Kinder und die ältere Generation und sorgen für die Ernährung der Familie. Gleichzeitig haben sie häufig nicht die gleichen Rechte wie Männer, keinen gleichberechtigten Zugang zu Bildung, sind im Erbrecht meist benachteiligt und erhalten nicht den gerechten Lohn für ihren Einsatz.

Die gezielte Förderung und Stärkung von Frauen sind deshalb nicht neu: Wir dürfen sie nicht einfach genauso behandeln wie (cis-)Männer, da ihre Lebenswelten und somit ihre Bedürfnisse andere sind. Sonst riskieren wir, dass unsere Unterstützung nicht bei Frauen und Mädchen ankommt. Ähnliches gilt für andere an den Rand gedrängte Gruppen, beispielsweise LGBTQIA+ -Personen, Menschen mit Behinderungen, Kinder und Jugendliche, Ältere, Geflüchtete, Schwarze, People of Colour und Indigene.

In der Humanitären Hilfe brauchen diese Personengruppen nicht nur Nahrung, eine Unterkunft und sanitäre Einrichtungen, sondern auch Schutz vor Übergriffen, Diskriminierung und Gewalt: Das kann die Beleuchtung auf dem Weg zur Toilette in einem Geflüchtetencamp sein, frauenspezifische Hygieneartikel oder der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, funktionierende Beschwerdemechanismen und Beratung.

Was bedeutet „feministisch“ für die Projektarbeit?

Langfristige feministische Projekte gehen über akute Notlagen hinaus. Ihr Ziel ist die gleiche politische, wirtschaftliche und soziale Teilhabe aller beteiligten Menschen, unabhängig von Geschlecht, geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung, ethnischer Zuschreibung und Herkunft, Religion, Nationalität, Alter, Behinderung oder Aufenthaltsstatus.

Es gilt, jene patriarchalen Strukturen zu verändern, die den gleichberechtigten Zugang zu Rechten und Ressourcen verhindern oder solche zu schaffen, die ihn ermöglichen. Dazu müssen wir genau auf die Geschlechterrollen und Machtverhältnisse schauen: Wer ist für was zuständig? Wer trägt die Verantwortung für die Familie und wie? Wer trifft Entscheidungen? Wie ist der Umgang mit Frauen? Wie sind Menschen mit Behinderungen integriert? Wie sieht die gesellschaftliche Haltung gegenüber LGBTQIA+ -Personen aus? Wer wird ausgegrenzt? Wer kann seine Rechte wie leben? Wie ist das Verhältnis verschiedener Ethnien? Welche nachteiligen und förderlichen Werte und Normen gibt es?

In manchen Regionen der Welt werden Werte verteidigt und geschützt, die schädlich für Frauen und die oben benannten Gruppen sind. Unser Ziel ist, gemeinsam mit der lokalen Zivilgesellschaft ein Umfeld zu schaffen, in dem eben diese Personengruppen ohne Diskriminierung gleichberechtigt leben können.

Wie können wir eine feministische Zusammenarbeit erreichen?

Gesellschaftliche Veränderung, die Änderung von Haltungen und Meinungen sowie von gängigen Praktiken geschieht nicht von heute auf morgen: Es braucht Zeit, langen Atem, den notwendigen politischen Einfluss auf regionaler und globaler Ebene und die nötige flexible Finanzierung.

Hürden innerhalb von Gesellschaften werden oftmals durch externe Faktoren verschärft. So stellt aktuell der Krieg in der Ukraine auch eine große Herausforderung dar – vor allen Dingen für wirtschaftlich benachteiligte Regionen: Getreidelieferungen kommen nicht an, Kraftstoff wird teurer, Dinge des täglichen Lebens sind unbezahlbar geworden. Auch Gelder für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe werden durch höhere Militärausgaben weniger priorisiert und Zahlungszusagen nicht eingehalten. In solchen Situationen werden gerade Frauen und an den Rand gedrängte Gruppen schnell noch weiter ins Abseits gedrängt. Das beweisen auch die verstärkten Ungleichheiten angesichts des Klimakrise und seit der Covid-19 Pandemie.

In unseren längerfristigen Projekten planen unsere Partnerorganisationen und wir Ressourcen und den Zugang zu ihnen so, dass Menschen das erhalten, was sie für eine gleichberechtigte Teilhabe benötigen. Meist fördern wir gezielt Frauen, um ihre Wirtschaftskraft und die Organisation von (Frauen-)Gruppen zu stärken, sie über ihre Rechte zu informieren und ihnen den Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu erleichtern. Spaltungen zwischen den Geschlechtern gilt es dabei zu vermeiden: Männer und Jungen sind Teil der Projekte, so dass die Solidarität und der gesellschaftliche Zusammenhalt wachsen. Da sie oft mehr Rechte haben als Frauen, ist ihre Position gegenüber staatlichen Institutionen stärker und sie können bei der Umsetzung behilflich sein. Die negativen Folgen stereotyper und toxischer Männlichkeit können so bewältigt werden, um Diskriminierung, Konflikte, Kriege und Gewalt zu überwinden und friedlicher miteinander zu leben.

Auch wenn wir bei unseren Projekten oft von Frauen und Männern sprechen, gehen wir von Geschlechtsidentitäten aus, die über weibliche und männliche Zuschreibung hinausgehen. Was wir jedoch nicht wollen ist, Menschen als LGBTQIA+ -Personen zu identifizieren, zu kategorisieren und dann unsere Projektarbeit auf die Unterstützung ihrer Bedürfnisse abzustimmen. Vielmehr wollen wir, gemessen an ihren Bedürfnissen und Hindernissen, zu einem Umfeld beitragen, in dem sie ohne Diskriminierung leben können.

“Nothing about us without us”

Sisonke – die nationale Bewegung der Sexarbeiter*innen in Südafrika – formuliert das so in ihrem Slogan: „Nothing about us without us“ – Nichts über uns ohne uns. Dieser Slogan verdeutlicht, wie wichtig es ist, die eigene Perspektive nicht über die Perspektive der Menschen zu stellen, mit denen wir arbeiten. Gleichzeitig auch ein Slogan, der unterstützende Organisationen zur Selbstreflexion anregt: Zuhören und lernen statt ausschließlich aus der eigenen (wirtschaftlich privilegierten) Perspektive – zwar wohlmeinend, aber möglicherweise übergriffig – zu handeln. Denn hier ist der Grad schmal zwischen kolonialem Erbe, globalen Machtmissverhältnissen und Gleichberechtigung – zwischen Oxfam, den Partnerorganisationen und den Menschen, die durch die Projekte erreicht werden sollen.

„Feminismus“ und „Gender“ sind Begriffe, die auch in der Politik unterschiedliche Haltungen und polarisierende Diskussionen hervorrufen. Diese sind nicht immer zweckdienlich, denn oft werden die Begriffe dafür missbraucht, patriarchale Macht zu verfestigen. Dabei sollte es in der feministischen Zusammenarbeit darum gehen, diskriminierende Strukturen aufzubrechen und Frauen sowie an den Rand gedrängten Gruppen die Möglichkeit zu geben, gesellschaftliche Veränderungsprozesse anzuschieben.

Dafür müssen auch wir bei Oxfam uns mit den Begriffen Macht und Feminismus, dem kolonialen Fortschreiben von Verhalten und unserer eigenen Haltung immer wieder kritisch auseinandersetzen und unser Tun hinterfragen: Als Organisation, aber auch auf der persönlichen Ebene. Nur in der Anerkennung von Lebensweisen und im Teilen von Macht können wir voneinander lernen und dazu beitragen, dass die Welt gerechter, bunter und menschenfreundlicher wird.

Wir freuen uns über anregende Diskussionen, sachliche Kritik und eine freundliche Interaktion.

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