Talanoa-Dialog und Verpflichtungen der Industrieländer bis 2020

Eine der guten Nachrichten von der Konferenz ist die breite Unterstützung für den „Talanoa-Dialog“ im nächsten Jahr. Nach einem Vorschlag von der COP23-Präsidentschaft Fidschi soll dazu in einer technischen Phase zunächst Bilanz zur derzeitigen Klimaschutzwirkung des Pariser Abkommens gezogen werden, um dann in einer politischen Phase auf der kommenden Weltklimakonferenz COP24 (2018) über eine Steigerung beim Klimaschutz zu beraten – denn die derzeitigen Anstrengungen aller Länder reichen bei weitem nicht aus, um das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C bzw. auf maximal 1,5°C zu begrenzen.

Jan Kowalzig, Klima-Experte bei Oxfam Deutschland kommentiert: „Konkreten Klimaschutz hat die Konferenz nicht erbracht, aber immerhin den Plan, nächstes Jahr die Klimaschutzwirkung des Pariser Abkommens zu überprüfen. Ob sich die Industrie- und Schwellenländer zum Abschluss des Talanoa-Dialogs Ende 2018 aber auch wirklich mehr Klimaschutz verschreiben werden, ist noch sehr fraglich. Die wichtigste Aufgabe dieses Talanoa-Dialogs wird daher sein, allerorten den politischen Willen für mehr Klimaschutz deutlich zu erhöhen. Dann könnte 2018 ein Wendepunkt werden.“

Als positiv bewertet Oxfam in diesem Zusammenhang eine weitere Einigung in Bonn, nach der auf den beiden kommenden Weltklimakonferenzen die Anstrengungen bis 2020 gesondert im Fokus stehen sollen und dazu vor allem die Industrieländer jeweils Rechenschaft ablegen werden müssen, wie weit sie bei der Erfüllung ihrer Klimaschutzziele und ihrer Finanzversprechen bisher gekommen sind, insbesondere hinsichtlich der Zusage, die Klima-Hilfen für die armen Länder bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr anzuheben.

Jan Kowalzig: „Die reichen Länder sind historisch gesehen die Hauptverursacher des Klimawandels – da ist es nur richtig, deren Engagement im Klimaschutz nächstes Jahr gesondert zu bilanzieren. Das wird letztlich ergeben, dass sich die reichen Länder weitgehend vor ihrer Verantwortung drücken, sowohl hinsichtlich ihrer schwachen Klimaschutzziele als auch beim eher mäßigen Fortschritt bei der finanziellen Unterstützung der ärmeren Länder.“

Verluste und Schäden infolge des Klimawandels

Ein enttäuschendes Resultat hat die COP23 im Umgang mit den unvermeidlichen Schäden und Verluste infolge des Klimawandels erzielt. Zwar wurde der Arbeitsplan des Warsaw Mechanism on Loss and Damage (WIM) verabschiedet. Der WIM ist aber derzeit noch wenig mehr als eine Arbeitsgruppe zum Thema, die keine konkrete Unterstützung für die ärmsten und besonders verwundbaren Länder bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden infolge des Klimawandels leistet. Diese Länder hatten vergeblich gefordert, auf kommenden Konferenzen insbesondere auch über die finanziellen Aspekte im Umgang mit solchen Verlusten und Schäden zu verhandeln.

Jan Kowalzig kommentiert: „Die wachsenden Schäden und Zerstörungen infolge von Dürren, Stürmen und anderen Unwetterextremen bringen gerade die kleinen Inselstaaten zunehmend in existenzielle Nöte – auch finanzieller Art. Hier haben die Industrieländer zwei Wochen gemauert und nun erfolgreich verhindert, den Finanzierungsfragen im Umgang mit Verlusten und Schäden infolge des Klimawandels auf kommenden Konferenzen den nötigen Raum zu geben. Das ist ein übles Manöver gegenüber den ärmsten und vom Klimawandel extrem bedrohten Ländern.“

Regelwerk des Pariser Abkommens

Durchwachsen ist das Ergebnis der Klimakonferenz bei der Ausarbeitung des Regelwerks zur Umsetzung des Pariser Abkommens. Größere Konflikte gab es zwar nicht, allerdings sind die nun in die nächsten Verhandlungsrunden weitergeschobenen Textentwürfe für die einzelnen Kapitel des Regelwerks sehr umfangreich geworden, was die kommenden Verhandlungsrunden im nächsten Jahr schwierig machen wird.

„Es darf nicht dazu kommen, dass die kommenden Verhandlungsrunden im nächsten Jahr über die Komplexität der aufgeblähten Texte stolpern oder nicht bis zur Weltklimakonferenz in Kattowice fertig würden. Solch eine Situation muss verhindert werden, denn direkt nach der nächsten Konferenz werden die Länder mit der Vorbereitung ihrer neuen Klimaschutz-Selbstverpflichtungen beginnen. Dafür müssen sie die künftigen Regeln des Abkommens kennen“, fügt Jan Kowalzig hinzu.

Anpassungsfonds und Klimarisikoversicherungen

Kurz vor Ende der Verhandlungen konnten sich die Delegationen noch auf einen Beschluss einigen, der den Weg dafür ebnet, dass der Anpassungsfonds künftig auch unter dem Pariser Abkommen gelten soll. Dieser multilaterale Fonds unterstützt seit Jahren erfolgreich Projekte zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen in den ärmeren Ländern. Da der Fonds bisher unter dem Kyoto-Protokoll verankert war, war seine Zukunft zunächst ungeklärt geblieben.

„Wir sind erleichtert, dass die Industrieländer hier nachgegeben haben. Der Fonds ist gerade für die ärmeren Länder sehr wichtig, um sich gegen Dürren, Überschwemmungen oder Unwetterkatastrophen zu schützen. Dass er nun eine Zukunft unter dem Pariser Abkommen hat, fällt in der Gesamtbilanz der Bonner Konferenz positiv auf, ebenso wie die Zusage der Bundesregierung an den Fonds über 50 Mio. Euro“, so Kowalzig.

Am Rande der Verhandlungen gaben Deutschland als Gastgeber der COP23 und Fidschi, das den Vorsitz der Konferenz innehatte, den Startschuss für die InsuResilience Global Partnership, die den Auf- und Ausbau von Instrumenten zur Risikofinanzierung  in den ärmeren Ländern fördern soll, insbesondere durch den Einsatz von Versicherungsansätzen. Die Bundesregierung hatte hier 110 Mio. Euro an (weitgehend) neuen Geldern zugesagt.

Jan Kowalzig kommentiert die neue Partnerschaft: „Bei aller Begeisterung für das noch recht neue Instrument der Klimarisikoversicherungen, darf man nicht aus den Augen verlieren, dass die ärmsten Menschen, wie etwa Kleinbauern in Afrika oder Fischer in den Inselstaaten sich solche Versicherungen in der Regel nicht leisten können. Ohnehin haben sie zum Klimawandel nichts beigetragen. Den ärmsten Menschen nun als Gegenmaßnahme Versicherungen verkaufen zu wollen, damit sie sich gegen den vor allem von den reichen Ländern verursachten Klimawandel zu wappnen, widerspricht allen Prinzipien der Gerechtigkeit. Versicherungen gegen Ernteausfälle wegen des Klimawandels mögen zwar grundsätzlich funktionieren, die Prämienzahlungen müssten aber vor allem von den Verursachern des Klimawandels bezahlt werden.“

Power Past Coal Alliance

Ebenfalls am Rande der Verhandlungen verkündeten Großbritannien und Kanada ihre  Power Past Coal Alliance, ein Bündnis von derzeit 25 Länder und Bundesstaaten, die aus der Kohle aussteigen wollen. Weitere Länder sind zum Beitritt aufgerufen, bis zur nächsten Klimakonferenz COP24 sollen es 50 werden.

Jan Kowalzig: „Ausgerechnet Deutschland, Gastgeber der Weltklimakonferenz und selbsternannter Vorreiter im Klimaschutz, wird die Einladung zum Beitritt zu der Allianz wohl fürs erste ausschlagen – zumindest solange die Unterstützung für das Pariser Klimaschutzabkommen bei CDU, CSU und FDP vor allem aus schöner Rhetorik anstelle wirksamer Klimapolitik besteht.“