Oxfam hat Aussagen von Kindern dokumentiert, die berichten, von französischen Beamten körperlich und verbal misshandelt und über Nacht in Gefängniszellen ohne Essen, Trinken oder Decken sowie ohne Zugang zu offiziellen Betreuungspersonen festgesetzt worden zu sein. Häufig fälschten Polizisten zudem die Papiere und Aussagen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, um sie älter erscheinen zu lassen, oder um den Anschein zu erwecken, dass sie freiwillig zurückkehren möchten. Anschließend werden sie den Zeugenaussagen zufolge in Züge zurück nach Italien gesetzt. All dies verstößt gegen französisches und EU-Recht.

Elisa Bacciotti, Kampagnenleiterin von Oxfam Italien, kommentiert: „Kinder, Frauen und Männer, die vor Verfolgung und Krieg flüchten, dürfen nicht auch noch von Beamten in Frankreich und Italien misshandelt werden. Allzu oft treibt der Mangel an grundlegender Versorgung und Beratung in den italienischen Aufnahmeeinrichtungen Geflüchtete in gefährliche Situationen. Not leidende Menschen, die häufig lediglich in ein anderes Land gelangen möchten, wo bereits ihre Verwandten leben, dürfen nicht derartig schikaniert werden.“

Abschreckung statt Schutz

Die einzige Aufnahmeeinrichtung in der Nähe der Grenze bei Ventimiglia, Camp Roja, hat bei Weitem zu wenig Plätze und weist gravierende hygienische Mängel auf. Massive Polizeipräsenz am Eingang und die vorgeschriebene Abnahme von Fingerabdrücken üben auf Geflüchtete eine abschreckende Wirkung aus. Unbegleitete Minderjährige können nicht angemessen untergebracht werden. In der Folge kampieren viele Menschen lieber unter einer Autobahnbrücke, wo sie unter extrem unsicheren und unhygienischen Bedingungen leben. Ihre Zelte oder notdürftig aus Kartons errichteten Behausungen werden regelmäßig auf Anordnung der örtlichen Behörden zerstört.

Robert Lindner, Referent für Krisen und Konflikte bei Oxfam Deutschland: „Angesichts der katastrophalen Lage von Migranten in Italien und in anderen europäischen Transit- und Aufnahmestaaten verbietet sich die aktuell diskutierte Zurückweisung von Geflüchteten an deutschen Grenzen. Es darf keine Einschränkungen beim Schutz von Menschen geben, die vor Verfolgung und Krieg fliehen. Hierzu braucht es dringend eine gerechtere und am Wohl der Asylsuchenden orientierte Regelung für ihre Aufnahme innerhalb der EU.“