Jan Kowalzig, Klimaexperte bei Oxfam Deutschland: „Die Regierungen reicher Länder wie Deutschland tun sich schwer, ihre Versprechen einzuhalten, arme Länder bei der Anpassung an die lebensbedrohliche Erderwärmung angemessen zu unterstützen. Die ärmsten und oft hoch verschuldeten Länder haben nichts zur Klimakrise beigetragen, werden aber mit der Rechnung alleingelassen. Die finanzielle Unterstützung dieser Länder gilt es massiv aufzustocken. Das ist eine Überlebensfrage. Denn Dürren, Stürme und Überschwemmungen zerstören in den ärmsten Ländern schon heute die Existenzgrundlagen von Millionen Menschen. Der Gipfel von New York wäre die passende Gelegenheit für die Geberländer, die Klima-Hilfen deutlich aufzustocken.“

Große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Im Jahr 2009 hatten sich die Industrieländer darauf geeinigt, die Klima-Hilfen für ärmere Länder bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu steigern, um sie zu unterstützen, ihre Emissionen zu senken und sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Doch nach Angaben der OECD klafft zwischen dem bisher erreichten Niveau der bereitgestellten Mittel und der Zielmarke 2020 eine große Lücke. Zudem wird nur rund ein Fünftel der Gelder für die Anpassung an den Klimawandel eingesetzt. Das tatsächliche Defizit ist nach Oxfam-Berechnungen allerdings noch wesentlich größer, weil viele der als Klima-Hilfen deklarierten Gelder nur am Rande Klimaschutz oder Anpassung unterstützen. Außerdem sind laut OECD rund zwei Drittel der weltweiten Klima-Hilfen kreditfinanziert und müssen zurückgezahlt werden.

Vor diesem Hintergrund hat Oxfam kalkuliert, dass die 48 am wenigsten entwickelten Länder (LDCs, Least Developed Countries) jährlich nur 2,4 bis 3,4 Milliarden US-Dollar an tatsächlicher Unterstützung für die Klimaanpassung erhalten. Das entspricht rund drei US-Dollar pro Einwohner*in und Jahr oder weniger als ein Cent pro Kopf und Tag.

Verschuldung verschärft Klimakrise

Hohe Verschuldungsraten in Ländern wie Somalia und Mosambik verschärfen die Auswirkungen von Klimaschocks, weil dadurch Ressourcen fehlen, um die Gesellschaften widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen. Nach den Verwüstungen der Zyklone Idai und Kenneth sah sich beispielsweise Mosambik gezwungen, einen Kredit über rund 120 Millionen Euro vom IWF aufzunehmen, um das zerstörte Land wiederaufzubauen.

Oxfam fordert die Industrieländer auf, deutlich mehr zu tun, um die eigenen Emissionen zu verringern und ihre Klimsachutzziele unter dem Pariser Abkommen nachzuschärfen. Zudem müssen sie mehr Finanzmittel bereitstellen, um arme Länder bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Dazu sollten die Geberländer ihre Zusagen für den Grünen Klimafonds aus der vergangenen Finanzierungsrunde nun verdoppeln.

 

Redaktionelle Hinweise:

  • Der Bericht „Who takes the heat? Untold stories of climate crisis in the Horn of Africa and Mozambique” ist ein Gemeinschaftsprodukt von Oxfam und seinen Partnerorganisationen Save Somali Women and Children, Arid Lands Development Focus-Kenya (ALDEF) und Mozambique’s Associação dos Jovens e Amigos de Govuro.
  • Die Kalkulation der tatsächlichen Klima-Hilfen pro Kopf hat Oxfam auf Grundlage von Durchschnittsdaten der Jahre 2015 und 2016 durchgeführt, dem letzten Zeitraum, für den die Vereinten Nationen (UNFCCC) offizielle Daten bereitstellen. Weitere Erläuterungen zur Methodologie im Dokument im Anhang.
  • Am 10. September 2019 veröffentlichte die Global Commission on Adaption eine große Studie, in der sie dazu aufruft, die Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel zu verstärken: https://www.wri.org/our-work/project/global-commission-adaptation