Die Europäische Kommission hat Anfang Juni einen Plan zur Migrationsabwehr in benachbarten Herkunfts- und Transitländern vorgelegt. Laut diesem Vorschlag soll die EU Handelsbeziehungen, Entwicklungshilfegelder und andere Finanzmittel gezielt dafür einsetzen, dass Drittländer Migrant/innen daran hindern, Europa zu erreichen. Den Kommissionsvorschlag werden die Staats- und Regierungschefs diese Woche bei ihrem Gipfel in Brüssel diskutieren.

Blaupause für den Plan ist das Abkommen zwischen der EU und der Türkei, durch das Tausende Menschen unter entwürdigenden und menschenverachtenden Bedingungen in Griechenland festsitzen. Kinder sind besonders hart betroffen: Viele Hundert unbegleitete Minderjährige werden in Griechenland in haftähnlichen Einrichtungen festgehalten oder müssen in Polizeizellen schlafen.

Menschenrechte nicht gewährleistet

Die Europäische Union torpediert mit dem Vorhaben ihre menschenrechtsbasierte Außenpolitik und beschädigt weltweit das Recht auf Asyl. Der Plan beinhaltet keine Vorkehrungen, die Menschenrechte, rechtsstaatliche Standards und Schutzmaßnahmen gewährleisten. Die Gefahr ist groß, dass es im Zuge von Abkommen mit Regierungen zur Migrationsabwehr zur Verletzung internationalen Rechts kommt. Denn dieses verbietet, Menschen in Länder zurückzuweisen, in denen ihnen Gefahr für Leib und Leben droht.

Der Plan könnte insgesamt eine Neuorientierung bei der Verwendung von Entwicklungshilfemitteln einleiten: Entwicklungshilfe könnte künftig dafür eingesetzt werden, Migration zu stoppen, anstatt Armut zu überwinden.

Abschreckung verlagert Migration auf gefährlichere Routen

Der Kommissionsvorschlag ignoriert zudem alle Belege dafür, dass Abschreckung Migration nicht stoppt, sondern nur verlagert. Die EU-Migrationspolitik wird das Geschäftsmodell der Schleuser nicht zerschlagen, aber das Leid schutzsuchender Menschen vergrößern, die gezwungen sind, noch gefährlichere Routen nach Europa zu nehmen.

Die politisch Verantwortlichen in der EU müssen den Kommissionsvorschlag deshalb ablehnen, fordert Oxfam mit 108 weiteren Organisationen aus den Bereichen Menschenrechte, humanitäre Hilfe, Medizin, Migration und Entwicklungszusammenarbeit in einer gemeinsamen Erklärung.

Stattdessen müssen die EU-Mitgliedsstaaten eine nachhaltige und langfristig angelegte Strategie entwickeln, wie sich Migration nach Europa gestalten lässt. „Die EU, ein Projekt, das auf den Trümmern eines verheerenden Krieges entstand, schickt sich an, ein dunkles Kapitel in ihrer Geschichte aufzuschlagen“, warnen die Organisationen in ihrer Erklärung.

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