Als am 13. September 1993 der damalige israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin und der Vorsitzende der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat, sich auf Vermittlung von US-Präsident Clinton in Oslo die Hände reichten und das Oslo-Abkommen unterzeichneten, hegten Menschen in der Region und weltweit große Hoffnungen auf ein Ende des jahrzehntelangen Nahostkonflikts. 26 Jahre später ist endgültig klar, dass der so vielversprechend gestartete Prozess gescheitert ist.

Oxfam hat für den aktuellen Bericht „From Failed to Fair: Learning from the Oslo Accords to foster a new rights-based approach to peace for Palestinians and Israelis“ eine Reihe von Palästinenser*innen und Israelis aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik befragt, die sowohl die politischen Geschehnisse als auch deren Auswirkungen unmittelbar erlebt oder erforscht haben.

Trotz aller Enttäuschung bleiben die Ereignisse von Oslo bedeutsam: Erstmals erkannten sich die israelische Regierung und die PLO als Vertreterin der Palästinenser gegenseitig an. Letztere bekam die Verantwortung im Gazastreifen und in Teilen des Westjordanlands übertragen – und damit das Recht, ihre Angelegenheiten autonom zu regeln. Strittige Fragen wie der Status Jerusalems, der Umgang mit den palästinensischen Flüchtlingen oder mit den israelischen Siedlungen im Westjordanland wurden jedoch ausgeklammert und sollten in weiteren Verhandlungen geklärt werden. Leider ist dies nie passiert.

Fehlschlag mit Folgen

Statt zu einem Ende von Besatzung und Gewalt zu führen, haben sich nämlich die Gräben zwischen den Akteuren nur noch weiter vertieft – nicht nur zwischen Israelis und Palästinensern, sondern auch zwischen politischen Gruppen innerhalb Israels und innerhalb der Palästinensischen Autonomiegebiete. Spätestens seitdem US-Präsident Trump im März die US-Botschaft nach Ost-Jerusalem verlegt und damit einseitig die völkerrechtswidrige israelische Annexion der seit 1967 besetzten Stadthälfte anerkannt hat, ist auch die internationale Politik zum Nahostkonflikt zutiefst polarisiert.

Verantwortlich für die verfahrene Situation sind nicht nur sowohl Israelis als auch Palästinenser, sondern auch die internationale Politik. Was ursprünglich nur für eine Übergangszeit von fünf Jahren gedacht war – insbesondere die fortdauernde militärische Kontrolle des Gaza-Streifens und des Westjordanlands durch Israel und drastische Einschränkungen des Personen- und Warenverkehrs zwischen den beiden Territorien – wurde zum Dauerzustand. Der Oslo-Prozess bot keinerlei Handhabe, Fortschritte der beteiligten Parteien zu erzwingen. Folglich eskalierte immer wieder die Gewalt von beiden Seiten.

Aus Fehlern lernen

Trotz allem wäre mit genügend politischem Willen sowohl auf Seiten der Konfliktparteien als auch der vermittelnd bzw. unterstützend tätigen internationalen Staaten eine gerechte und tragfähige Friedenslösung nach wie vor denkbar. Bei jeder neuen Initiative müssten aber unbedingt grundlegende Mängel des früheren Prozesses vermieden und Lehren daraus gezogen werden.

Lehre Nr. 1: Es ist ein völkerrechtlich verbindlicher Umsetzungsrahmen nötig. Der untragbare Zustand des Jahres 1993, mit der israelischen Besatzung, dem Siedlungsbau und der auf beiden Seiten herrschenden Gewaltbereitschaft wurde durch das Oslo-Abkommen verfestigt. Es gab keine verbindlichen Zeitfristen für die Umsetzung eingegangener Verpflichtungen, die Einhaltung wurde nicht von unabhängiger Seite überwacht, Verstöße wurden nicht sanktioniert. Auch gab es keinen Verweis auf die für Fragen der militärischen Besatzung maßgeblichen Genfer Konventionen und andere verpflichtende völkerrechtliche Normen, die für den israelisch-palästinensischen Konflikt relevant sind.

Lehre Nr. 2: Menschenrechte müssen im Zentrum stehen. In Oslo spielten Menschenrechtsstandards praktisch keine Rolle, Frauen wurden weitgehend ausgeschlossen. Die der palästinensischen Autonomiebehörde unterstellten Sicherheitskräfte wurden – mit Unterstützung der Geberstaaten – übermäßig hochgerüstet, ohne dies an ausreichende rechtsstaatliche Fortschritte zu knüpfen und Übergriffe gegen die eigene Bevölkerung zu verhindern.

Lehre Nr. 3: Frauen müssen konsequent in alle Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Obwohl schon damals palästinensische Frauen eine hervorgehobene Rolle im politischen und gesellschaftlichen Leben gespielt haben, waren bei den Oslo-Gesprächen keine Frauen vertreten. Frauen, die in der palästinensischen Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle spielen, müssen ebenso wie israelische Frauen bei künftigen Verhandlungen umfassend einbezogen werden.

Lehre Nr. 4: Das Abkommen muss flexibel sein und an veränderte Entwicklungen angepasst werden können. Zum Beispiel ist das 1994 im Anschluss an das Oslo-Abkommen beschlossene „Pariser Protokoll“ zu Wirtschaftsfragen trotz aller Veränderungen der palästinensischen Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur unverändert gültig. Besonders krass wirkt sich dies bei der Wasserversorgung aus, die auch heute noch auf der damaligen Bevölkerungszahl basiert, obwohl sich die Bevölkerung inzwischen beinahe verdoppelt hat.

Sollten diese Lehren missachtet werden, müssten sich Israelis und Palästinenser*innen auf unbestimmte Zeit auf weitere Instabilität, Unsicherheit und Gewalt einstellen. Dies darf die internationale Gemeinschaft nicht zulassen.

Der Oxfam-Bericht „From Failed to Fair: Learning from the Oslo Accords to foster a new rights-based approach to peace for Palestinians and Israelis” basiert auf Recherchen und Analysen von Diana Buttu and Thomas Dallal.