Macht ist noch immer vor allem männlich: Weltweit und auch in Deutschland besitzen Frauen deutlich weniger Vermögen als Männer. Vermögen ermöglicht Teilhabe, verleiht wirtschaftliche und politische Einflussmöglichkeiten und damit gesellschaftliche Gestaltungsmacht – die, wie sich derzeit in den USA zeigt, extreme Ausmaße annehmen kann.

In Deutschland ist die Ungleichheit der Vermögen im internationalen Vergleich besonders hoch. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt rund ein Drittel des gesamten Vermögens, die ärmere Hälfte der Bevölkerung verfügt über nahezu keine Vermögensbestände. Bei der Verteilung zeigen sich zudem deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Laut dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) besitzen Frauen etwa 43 Prozent des gesamten Nettovermögens in Deutschland. Allerdings sind hohe Vermögen in dieser Erhebung nur unzureichend erfasst.

Gender Wealth Gap bei Milliardenvermögen

Die vorliegende Studie untersucht, wie ausgeprägt die Ungleichheit im Bereich der Milliardenvermögen ist. Durch eine systematische Auswertung öffentlich zugänglicher Informationen – insbesondere von Registerdaten und Geschäftsberichten der Unternehmen, die die Grundlage der größten deutschen Vermögen bilden – wurde die Vermögensverteilung nach Geschlecht quantitativ analysiert. Das Ergebnis: 71 Prozent der deutschen Milliardenvermögen sind in Männerhand, 29 Prozent gehören Frauen. Der sogenannte Gender Wealth Gap ist in dieser Vermögensklasse somit besonders ausgeprägt.

Die Analyse zeigt zudem, dass auch die Vermögensübertragung auf die nächste Generation in 10 Prozent der untersuchten Fälle geschlechtsspezifisch ungleich verfolgt und männliche gegenüber weiblichen Nachkommen bevorzugt werden. Für die Übertragung großer Unternehmensvermögen gelten weitreichende Privilegien bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, von denen Männer überproportional profitieren, weil sie größere Vermögensanteile erhalten.

Die hohen Milliardenvermögen in den Händen weniger Männer gehen einher mit großer politischer und gesellschaftlicher Gestaltungsmacht. Diese Machtkonzentration ist nicht nur ein Problem für die Demokratie, sondern führt auch dazu, dass sich die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern insgesamt verfestigt.
Pia Schwertner, Oxfam-Referentin für Geschlechtergerechtigkeit

Geschlechtergerechte Steuerpolitik muss an Vermögen ran

Deutschland braucht eine gerechtere Verteilung von Vermögen – sowohl insgesamt als auch speziell zwischen Frauen und Männern. Dies wäre ein zentraler Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit, mehr Mitsprache und größerer Teilhabe aller Geschlechter und damit ein wichtiges Signal für die Stärkung der Demokratie.

Die Gleichberechtigung von Frauen ist im Grundgesetz verankert, doch die Lebensrealitäten von Frauen sind davon bestimmt, dass sie ein geringeres Einkommen haben, über weniger Vermögen verfügen sowie seltener und in geringerem Umfang Erbschaften und Schenkungen erhalten. Dies führt dazu, dass ein formal geschlechtsneutral gestaltetes Steuersystem in der Praxis geschlechtsspezifische Benachteiligungen zur Folge hat.

In der Debatte über eine geschlechtergerechte Steuerpolitik liegt der Fokus oft auf der Besteuerung von Arbeitseinkommen, insbesondere auf der Kritik am Ehegattensplitting. Diese Analyse zeigt jedoch, dass diese Betrachtung für eine geschlechtergerechte Steuerpolitik zu kurz greift.

Für eine geschlechtergerechte Steuerpolitik sollte die kommende Bundesregierung folgende Maßnahmen umsetzen:

  • Einführung einer Mindeststeuer (Milliardärssteuer) von 2 Prozent auf das Vermögen von Milliardär*innen und Hochvermögenden, um steuerliche Privilegien bei hohen Vermögenseinkommen auszugleichen, von denen Männer überproportional profitieren, weil sie mehr dieser Einkommen beziehen als Frauen, und um geschlechtsspezifischer Vermögensungleichheit entgegenzuwirken.
  • Abschaffung der Ausnahmen für große Vermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, da diese derzeit überwiegend Männern zugutekommen.
  • Gezielte Nutzung der staatlichen Mehreinnahmen, die durch die neue Mindeststeuer und den Abbau der Steuerprivilegien erzielt werden, um gemeinsam mit den Bundesländern in den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge zu investieren, von der insbesondere Frauen profitieren, und darüber hinaus eine feministische Entwicklungspolitik umzusetzen.
  • Verbesserung der Datenlage zur Verteilung von Vermögen und Vermögenseinkommen zwischen den Geschlechtern sowie zur geschlechtsspezifischen Wirkung steuerpolitischer Maßnahmen.