Diese Prozedur kennt man: Vorher großes Rätselraten, viel Geheimniskrämerei, und dann ein tolles neues Gerät – dieses Mal mit überarbeitetem Kamerasystem und verbessertem Zoom, wie man hört. Tim Cook, Chef des Smartphone-Giganten Apple, präsentiert heute in San Francisco das Iphone 7.
Spannend wird sein, ob der Apple-Boss auch über den, nach seiner Aussage, jüngsten „ politischen Mist“ spricht. Politischer Mist entsteht für Tim Cook dann, wenn sich EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager die Geheimniskrämerei um Steuerzahlungen des Konzerns in Irland mal in Nahaufnahme ansieht und das Rätselraten mit einer klaren Entscheidung beendet: Apple muss aufgrund von den EU-Wettbewerb verzerrenden Steuerdeals mit der irischen Regierung 13 Milliarden Euro plus Zinsen an Steuern für die Zeit zwischen 2003 und 2013 zahlen. Die irische Regierung hat aus Sicht der EU-Kommission die in Irland angesiedelten Tochterunternehmen des Konzerns aus dem Silicon Valley steuerlich gegenüber anderen Marktteilnehmern bevorzugt und so unzulässige staatliche Beihilfen zu Lasten der Konkurrenz geleistet.
50 Euro Steuern auf eine Million Gewinn
Die Steuerersparnis für den US-Konzern war in Irland so groß wie die angeblich ungewöhnlich breite Aussparung für die Kamera am neuen Iphone: Der letztendlich von Apple zu entrichtende Steuersatz auf Gewinne lag 2013 bei 0,005 Prozent – also umgerechnet gerade mal 50 Euro auf eine Million Euro Gewinn. Und dieser Gewinn wurde nur zum kleinen Teil in Irland erwirtschaftet. Vielmehr wurden in Irland Verkaufserlöse aus Deutschland und anderen EU-Ländern, Afrika und Indien verbucht. Ein lukratives Geschäft für Apple – auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger derjenigen Länder, wo Apple die Gewinne macht und darauf kaum Steuern zahlt.
Nun regen sich ziemlich viele Akteure auf: In den USA formiert sich parteiübergreifender Widerstand, die Entscheidung wird als einzigartig und anti-amerikanisch interpretiert. Dass die EU-Kommission wegen ähnlich dubioser Deals bereits Steuerabsprachen von Fiat in Luxemburg und Starbucks in den Niederlanden als wettbewerbswidrig eingestuft hat und beide Unternehmen Steuern nachzahlen mussten, wird hier geflissentlich übersehen. Die Apple-Entscheidung liegt also im Trend.
Absurd: Keiner will das Geld
13 Milliarden Euro sind viel Geld. Und das müsste laut EU-Kommissarin Vestager nicht nur in die irischen Kassen fließen. Stattdessen könnten die oben genannten Länder profitieren. Allein für Deutschland ist laut Schätzungen eine Milliarde Euro drin. Die Finanzminister von Bund und Ländern reiben sich die Hände – könnte man meinen. Stattdessen äußert der bayerische Finanzminister Markus Söder seine Bedenken und nennt das Vorgehen der EU-Kommission übertrieben. Er rechtfertigt damit das Steuergebaren internationaler Konzerne und willfähriger Regierungen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Auch die irische Regierung will die Milliarden nicht. Sie beruft sich auf ihre Steuerhoheit. Schon klar, nach EU-Recht sind Steuern Sache der Mitgliedstaaten. Irland beklagt nun, dass sich die EU-Kommission über Irlands Steuergesetze hinwegsetze und will gegen die Entscheidung vor Gericht ziehen. Aber auch in Europa gilt, dass die Freiheit des einzelnen dort aufhört, wo sie die Freiheit des anderen verletzt. Illegale Steuergeschenke auf Kosten der EU-Partner sind ein Eingriff in deren Souveränität, untergraben ein faires Miteinander im EU-Binnenmarkt und gefährden die europäische Idee – sie gehören sanktioniert.
Ein wichtiges Signal für Europa
Die oft gescholtene EU-Kommission hat die einzig richtige Entscheidung getroffen und in schwierigen Zeiten ein wichtiges Signal für ein besser funktionierendes Europa gesetzt. Außerdem hat sie einen Vorschlag für eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung von Konzernen über die in den einzelnen Ländern erzielten Gewinne und darauf gezahlte Steuern vorgelegt. Dadurch würden steuerliche Merkwürdigkeiten wie jetzt in Irland für die interessierte Öffentlichkeit frühzeitig einsehbar, der Handlungsdruck auf Politik und Steuerbehörden in Steueroasen wüchse. Es ist völlig unverständlich, warum Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der gern den rhetorischen Vorreiter in Sachen Steuertransparenz gibt, eine solche Offenlegung ablehnt.
Echte Steuertransparenz könnte dazu beitragen, dass international tätige Konzerne ihren fairen Anteil am Gemeinwohl leisten. Apple könnte höhere Steuern und die nun geforderten Steuernachzahlungen angesichts von dreistelligen Milliardenreserven aus der Portokasse begleichen – erst recht wenn der Verkauf des neuen Iphones durch die Decke schießt.
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