Die Hiobsbotschaften nehmen kein Ende. Der Bayer-Kurs ist seit der Ankündigung der Fusion mit Monsanto im Mai 2016 um fast 40 Prozent gefallen, während der DAX zeitgleich um ungefähr 20 Prozent gestiegen ist. Die Klagewelle nimmt kein Ende. Im Februar hat eine US-Jury Bayer (und BASF) im Rechtsstreit zu millionen­schwerem Schadenersatz verurteilt. Nicht etwa wegen Glyphosat (Roundup), sondern wegen dem Unkrautver­nichter Dicamba.

Tausende Glyphosat-Klagen kommen jeden Monat dazu, so Bloomberg. Waren es im September 2019 noch 18.400, so lag die Zahl Ende Oktober 2019 bereits bei 42.700. Jetzt liege die Zahl „deutlich höher“, berichten Klägeranwälte. Rückendeckung erhielten die Kläger durch die Untersuchung der Internationalen Agentur für Krebsforschung, die Glyphosat im Juli 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte. Analysten zufolge könnte die Beilegung der Klagen Bayer bis zu 20 Milliarden US-Dollar kosten. Bayer erklärte nun, dass die Corona-Krise die Klagebeilegung verzögern würde. Klägeranwälte in den USA widersprechen. Bayer hätte Anwaltskanzleien angekündigt, bereits verhandelte Entschädigungssummen nicht zahlen zu wollen. Der Konzern ist nach der Monsanto-Übernahme der größte Anbieter von Glyphosat. Weitestgehend unbeachtet blieb eine Schiedsklage, die Bayer im September 2019 von BASF erhielt. BASF macht Schadenersatzansprüche aus den 2017 und 2018 unterschriebenen Kaufverträgen geltend. Der Grund: Bayer habe bestimmte Kostenpositionen nicht hinreichend offengelegt und den veräußerten Geschäftsbereichen teilweise falsch zugerechnet.

Hohes Gesundheitsrisiko durch hochgefährliche Pestizide im globalen Süden

Hätten arme Menschen im globalen Süden die gleichen Klagemöglichkeiten wie in den USA, müssten Bayer und andere Agrarkonzerne erhebliche Entschädigungssummen zahlen. Dass Pestizide krank machen, ein höheres Krebsrisiko mit sich bringen oder zum Tode führen, ist mehrfach belegt.

So zeigt die Studie der in Wien ansässigen Organisation „ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt“ ein drastisch erhöhtes Krebsrisiko durch Pestizide im konventionellen Anbau von ecuadorianischen Bananen. Die entsprechenden Werte waren bei Arbeiter/innen deutlich erhöht, teils um bis zu 155 Prozent. In Argentinien hat ein Ärztenetzwerk („Red de Médicos de Pueblos Fumigados“) belegt, das in den letzten zehn Jahren bei Kindern die Krebsfälle um das Dreifache gestiegen sind sowie Fehlgeburten bzw. Missbildungen von Säuglingen um 400 Prozent. Schätzungsweise sterben jährlich zwischen 20.000 und 40.000 Menschen am Arbeitsplatz durch Pestizidvergiftungen, davon 99 Prozent im Globalen Süden.

Bayer, BASF & Co. sind Spitzenreiter im globalen Geschäft mit hochgefährlichen Pestiziden. Bei Bayer liegt der Anteil bei 36,7 Prozent. Die meisten hochgefährlichen Pestizide kommen im Mais- und Sojaanbau zum Einsatz. Verkauft werden auch solche Pestizide, die in der EU oder woanders verboten sind. Von den 229 registrierten Pestiziden in Bolivien sind 105 in anderen Ländern verboten und 75 in der EU nicht zugelassen. In Südafrika werden 67 Pestizide eingesetzt, die in der EU verboten sind. 20 von ihnen kommen auch im Wein- und Obstanbau zum Einsatz. Die Bürgerrechts­organisation „Women on Farms Project“ initiierte 2019 eine Kampagne, die von Oxfam unterstützt wurde. Ihr Ziel: Ein Verbot von hochgefährlichen Pestiziden. Im Zeitraum 1986 bis 2016 sind Südafrikas Pestizidimporte um 536 Prozent (wertmäßig) gestiegen, während in ganz Afrika der Importanstieg 213 Prozent betrug. Südafrika spielt denn auch eine Schlüsselrolle in Bayers Afrika-Strategie. Auch seine Umsätze in Afrika werden mehrheitlich in dem Land erzielt.

Bayers Marktmacht und Strategie im Pestizid- und Saatgutbereich

Bayer Crop Science erzielte 2019 knapp 70 Prozent seiner Umsätze in Nord- und Südamerika, davon 44 Prozent in Nordamerika und 25 Prozent in Südamerika. Die Region Europa/Mittlerer Osten/Afrika kommt nur noch auf einen Anteil von 21 Prozent und der asiatisch-pazifische Raum auf neun Prozent. Beim Capital Markets Day in London 2018 kündigte Bayer an, noch mehr (hochgefährliche) Pestizide in Nord- und Südamerika verkaufen zu wollen. „Nur“ 50 Prozent seiner Pestizidumsätze werden nach Angaben von Bayer dort erzielt. Bei Saatgut betrage der Fußabdruck hingegen 90 Prozent (ca. 161 Millionen Hektar).

Dabei ist Bayer/Monsanto in Südamerika bereits marktdominierend. In Argentinien liegt sein Marktanteil bei 18,4 Prozent, bei Totalherbiziden und selektiven Herbiziden im Sojaanbau sogar 37 Prozent. Insgesamt macht Bayer die Hälfte seines Pestizid-Umsatzes mit Herbiziden. Auch bei Insektiziden, die in Argentinien im Maisanbau angewendet werden, hat Bayer einen Marktanteil von 35 Prozent. In Indonesien ist Bayer bei Pestiziden nach Syngenta der zweitgrößte Anbieter mit einem Marktanteil von 16 Prozent. In der Region Europa/Mittlerer Osten/Afrika und im asiatisch-pazifische Raum will Bayer die Profite im Saatgutbereich deutlich erhöhen. In der EU hat Bayer/Monsanto jedoch bereits einen Anteil von 16 Prozent am EU-Maissaatgutmarkt. Als führender Anbieter von Reissaatgut dominiert Bayer auch den indischen Reismarkt mit einem Anteil von 40-45 Prozent. In Indonesien hat Bayer/Monsanto hingegen einen Anteil von fünf Prozent am Maissaatgutmarkt.

Bayers Monopolrechte bzw. Patente auf Leben

Im Saatgutbereich entfallen 75 Prozent von Bayers Umsätze auf Mais und Soja, die in großen Teilen als Futtermittel eingesetzt werden. Gemüse und Hauptnahrungsmittel wie Reis und Weizen generieren nur 10 Prozent bzw. 15 Prozent der Saatgutumsätze. Ganz zu schweigen von vernachlässigten und wenig genutzten Pflanzen, die im Portfolio von Bayer & Co. nicht zu finden sind, obwohl sie einen sehr hohen Nährwert haben. Bayers Beitrag zur Bereitstellung von Saatgut für eine gesunde Ernährung ist somit sehr begrenzt.

Erstaunlich ist, dass Bayer kaum Weizensaatgut verkauft – in der EU gar nicht, obwohl es weltweit am meisten angebaut wird. Wahrscheinlich ist es weniger lukrativ. Hybridweizen ist noch nicht marktfähig und es gibt keinen gentechnisch veränderten Weizen. Nach der Preisexplosion bei Weizen hatte Monsanto 2009 das auf Weizen spezialisierte US-Unternehmen Westbred aufgekauft, das nun zu Bayer gehört. Das Hybridweizenprogramm musste Bayer im Zuge der Fusion an BASF abgeben. Die Forschung zu Hybridweizen, der bäuerliche Produzenten abhängig machen würde, läuft auf Hochtouren. Patente können den Zugang von Züchter*innen bzw. Bauern und Bäuerinnen zu lebenswichtigem Saatgut versperren. Studien haben vielfach gezeigt, dass kleinbäuerliche Produzenten im Globalen Süden davon abhängig sind, Saatgut von ihrem Betrieb auszutauschen, damit zu handeln und wiederzuverwenden. Bäuerliche Saatgutsysteme stellen dort 80 Prozent des Saatguts für den Lebensmittelanbau zur Verfügung.

Bayer, BASF & Co. werden weiter marktbeherrschend bleiben, wenn Patente auf Pflanzen und Tiere nicht gestoppt und ihre Monopolrechte aufgehoben werden. Bayer/Monsanto hat im Zeitraum 2018 bis 2019 die meisten Patente auf konventionelle Züchtungen bei der Weltpatentorganisation (WIPO) angemeldet. Bei Pestiziden bestehen weltweit nur noch auf 18 Prozent der aktiven Wirkstoffe Patente. Der Grund: Die Entwicklungskosten für ein neues Pestizids sind deutlich höher als für eine neue (GVO-)Sorte. Als Liam Condon beim Capital Markets Day 2018 eine Frage von JPMorgan zu Patenten bei Pestiziden erhielt, antwortete er ausweichend. Ihm lägen keine exakten Statistiken zu Patenten bei Pestiziden vor.

Bayers Geschäftsmodell ist nicht zukunftsfähig

Bayer macht Profite mit hochgefährlichen Pestiziden, die für massive Gesundheitsprobleme, Umweltschäden und Artensterben verantwortlich sind. Unzählige Arbeiter*innen in Plantagen und Menschen in umliegenden Gemeinden leider unter Asthma, Hautverätzungen und zunehmenden Krebsfällen. Alles spricht dafür, dass wir uns mitten in einer Biodiversitäts-Krise befinden. Diese ist nicht nur, aber auch auf den massiven Einsatz von Pestiziden zurückzuführen.

Dreiviertel der angebauten Lebensmittel sind in irgendeiner Form von Bestäubern wie Bienen abhängig. Der Biologieprofessor Goulson von der Sussex Universität bestätigt, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass Pestizide Bestäuber schädigen. Der Lobbyverband Croplife tut aber nach wie vor so, als ob dies mit Bayer, BASF & Co. nichts zu tun hat. Es gibt auch keine Pläne, hochgefährliche Pestizide zu reduzieren, allen Hochglanzbroschüren und Nachhaltigkeitsgerede zum Trotz. Der UN-Sonderberichterstatter für toxische Substanzen, Baskut Tuncak, bringt es auf den Punkt: „Der weit verbreitete Einsatz von hochgefährlichen Pestiziden in der Landwirtschaft hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun…Sie sind nicht nachhaltig, können nicht sicher eingesetzt werden und hätten längst auslaufen sollen“.

Nachhaltigkeit beinhaltet auch, dass alle Menschen genug zu essen und sich gesund ernähren können. Auch hier ist Bayer auf dem Irrweg. Der Konzern trägt dazu bei, die Saatgutvielfalt zu dezimieren, indem er sich auf einige wenige gewinnträchtige Sorten konzentriert. Patente – und das entsprechende intensive Lobbying - sichern seine Gewinne und zementieren seine Marktmacht. Robuste und nahrhafte traditionelle Pflanzensorten werden durch die Hybridsorten von Bayer & Co. verdrängt. Kleinbäuerliche Produzenten, die Hybridsorten einsetzen, sind verstärkt klimabedingten Risiken ausgesetzt. Bayer ist aktuell nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

2 Kommentare

Je älter (73 Jahre) ich werde, desto wütender werde ich über diese unfassbare Menschenverachtung und Lebensfeindlichkeit, die hinter der Geschäftemacherei dieser verantwortlichen Manager steckt.
Es ist längst überfällig, daß Sie für ihr Tun zur Verantwortung gezogen werden.

...man hätte Bayer längst die Lizenz entziehen müssen...wir sehen alle wie das Insektensterben voranschreitet...und Bayer sollte für den Schaden- Schadenersatz leisten...niemand sollte eine Firma unterstützen der die Labor/Forschungsergebnisse zu seinen gunsten manipuliert !!!...und der Markt muss für alle ,offen' sprich wettbewerbsfähig bleiben damit der Kunde die Wahl hat zwischen nachhaltige Landwirtschaft und Wirtschaftsinteressen von Grosskonzernen...

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