Eine Bekannte von mir fährt einen italienischen Kleinwagen, ein älteres Modell, grüne Umweltplakette, der Wagen trinkt Super-Benzin. Allerdings Super ohne E10 – der Motor kann den Biosprit nicht vertragen. „ Ich tue wenigstens etwas gegen den Welthunger!“ meint sie, wenn wir uns begegnen. Der Reihe nach. Wer heute kein E10 tankt, ist hipp? (Dazu muss man wissen, dass alle Kraftstoffe eine Beimischung von Biosprit haben, der Triumph meiner Bekannten ist also nur ein kleiner). Kann es sein, dass da jemand voller Stolz Sprit aus Erdöl in den Tank laufen lässt? Um Hunger zu bekämpfen?
Es ist sehr spannend zu sehen, wie sich das Image des Biosprits vom Paulus zum Saulus gewandelt hat. Vor drei Jahren noch wurde Biosprit allgemein für eine doppelte Lösung gehalten: weniger Kohlendioxid und Schonung der Erdölreserven durch die Verwendung von Sprit aus Pflanzen wie Raps oder Mais. Durch den Anbau solcher „Energie“-Pflanzen auf heimischen Äckern sollte weniger fossile Energie wie z.B. Erdöl eingesetzt werden.
Zerstörerische Nachfrage
Das funktioniert nur leider nicht. Die Nachfrage nach Energie für unsere Mobilität hält sich nicht lange auf heimischen Feldern auf. Wenn die reichen Länder vermeintlich „sauberer“ fahren wollen, hat das Folgen für den gesamten Planeten. Wenn es profitabler ist, „Energie“-Pflanzen in Monokultur anzubauen als Nahrungsmittel für den regionalen Markt, haben wir unseren vermeintlichen Klimaschutz-Ansatz in zerstörerischer Weise exportiert. Wir sprechen inzwischen von „Hunger-Sprit“ und „Essen im Tank“. Es sind vor allem die Menschen in den armen Ländern des Südens, die unter den Folgen der Biosprit-Politik der Europäischen Union leiden. Hunger und Armut nehmen zu, wenn Nahrungsmittelpreise infolge der Konkurrenz um knappe Anbauflächen, Wasser und Rohstoffe steigen. Die Land-Matrix, eine internationale Datenbank, führt auf, dass schon heute Biosprit-Projekte der zweithäufigste Grund für Landgeschäfte in Entwicklungsländern sind.
Ein Beispiel aus Asien. Dort wird aus der Frucht der Ölpalme der Rohstoff für Biosprit gewonnen. Indonesien brennt zur Neugewinnung von Flächen für diesen Anbau. Das Land ist der größte Lieferant von Palmöl für die europäische Biodieselherstellung. Dort hat sich die Fläche für Palmölplantagen in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Oxfams Partner in Indonesien berichten, dass die Konflikte um Land und Wasser zunehmen. Die Organisation Sawit Watch (Sawit heißt auf Indonesisch Ölpalme) dokumentiert mehr als sechshundert Landkonflikte in Indonesien. Rinting Siten von der Allianz der Indigenen (AMAN) in Indonesien erklärt, dass Palmöl langsam aber sicher das Leben der Indigenen in Indonesien zerstört habe. Großflächige Palmölplantagen bedrohten nicht nur die Ernährungssicherheit. „Wir können das Wasser aus unseren Flüssen nicht mehr trinken, da es stark mit Agrargiften belastet ist“, sagt sie.
Nicht mehr als fünf Prozent Biosprit aus Nahrungsmitteln
Das muss aufhören. Deshalb habe ich für Oxfam Deutschland gemeinsam mit 15 anderen Organisationen einen offenen Brief an die CDU-Abgeordneten im Umweltausschuss des EU-Parlaments unterzeichnet. Wir fordern die Mitglieder des Ausschusses dazu auf, den Anteil des Biosprits aus Nahrungsmitteln heute auf fünf Prozent des Gesamtverbrauchs zu begrenzen. Das ist unsere rote Linie. Hoffentlich nutzt der Ausschuss seine Chance.
Übrigens: „Das vorletzte Wort“ macht jetzt vorerst Sommerpause. Im August gibt es dann wieder etwas von mir zu lesen. Unser Einsatz für eine gerechte Welt ohne Armut geht weiter.
Kommentieren