Unser Parteien-Check zur Bundestagswahl basiert auf den Antworten der Parteien auf unsere Fragen im Rahmen der „Wahlprüfsteine“. Diese sind eine gemeinsame Initiative der fünf aufgeführten Parteien, um im Vorfeld der Wahl die unterschiedlichen Positionierungen der Parteien deutlich zu machen. Wir wurden eingeladen, dafür unsere Fragen einzureichen. Wir sind dieser Einladung gefolgt und haben Fragen zu acht unserer Arbeitsschwerpunkte für eine gerechte Welt ohne Armut gestellt:
1. Ungleichheit und Steuern
Halten Sie soziale Ungleichheit in Deutschland für ein Problem und wie wollen Sie ihm begegnen? Sollten für Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge, inklusive in sozial gerechten Klimaschutz, Superreiche durch die Besteuerung sehr hoher Vermögen stärker in die Verantwortung genommen werden?
CDU/CSU
Ob soziale Ungleichheit in Deutschland ein Problem ist, beantwortet die CDU/CSU nicht. Sie lehnt eine Besteuerung sehr hoher Vermögen und die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer ab und äußert sich nicht zur Finanzierung öffentlicher Investitionen. Menschen sollen auf individueller Ebene beim Aufbau eigenen Vermögens unterstützt werden, die Finanzierung der Maßnahmen bleibt unklar.
SPD
Die SPD kritisiert die ungleiche Vermögensverteilung und geringe Vermögensbesteuerung in Deutschland. Eine Mindestbesteuerung von großen Unternehmensvermögen soll sichergestellt, die Vermögenssteuer für sehr große Vermögen wiedereingeführt und eine international koordinierte Mindeststeuer für Superreiche (Milliardärssteuer) unterstützt werden, um so Zukunftsinvestitionen zu finanzieren.
Grüne
Die Grünen sehen Ungleichheit als ein erhebliches Problem in Deutschland, das den sozialen Zusammenhalt und die Chancengerechtigkeit gefährde. Die Grünen wollen, dass Superreiche durch eine stärkere Besteuerung sehr hoher Vermögen und die Schließung von Steuerlücken einen fairen Beitrag leisten. Sie unterstützen das Konzept einer globalen Milliardärssteuer.
Linke
Die Linke sieht die zunehmende soziale Ungleichheit als eines der größten Probleme unserer Zeit. Sie will eine gerechtere Verteilung des Reichtums und fordert eine Vermögenssteuer, die ab einem Vermögen von einer Million Euro (abzüglich Schulden) greift, mit progressiv ansteigenden Steuersätzen und einem Sondersteuersatz von 12 Prozent für Milliardär*innen.
FDP
Die FDP sieht Ungleichheit nur dort als Problem, wo selbstbestimmte Lebensgestaltung und Aufstieg nicht möglich sind – was bei Millionen Menschen der Fall sein dürfte. Eine Vermögenssteuer lehnt die FDP entschieden ab. In prioritäre Bereiche soll mit den verfügbaren Mitteln investiert werden – die jedoch nicht ausreichen dürften, um die notwendigen Investitionen zu stemmen.
Hintergrund
Um die extreme Ungleichheit weltweit und hier in Deutschland zu verringern, ist eine gerechte Steuerpolitik und Finanzierung sozialer Grunddienste und des Klimaschutzes unabdingbar. Das bedeutet im Kern, dass Haushalte mit geringen Einkommen und Vermögen entlastet und umgekehrt reichere Bevölkerungsschichten, insbesondere Superreiche, finanziell stärker in die gesellschaftliche Verantwortung genommen werden müssen, um zum Gemeinwohl beizutragen. Daher setzt sich Oxfam für die Einführung einer Vermögenssteuer für Superreiche ein und unterstützt die im Rahmen der G20 diskutierte Mindeststeuer für Multimillionär*innen und Milliardär*innen, die sogenannte Milliardärssteuer.
2. Entwicklungspolitik, Klimafinanzierung und Humanitäre Hilfe
Plant Ihre Partei die Finanzzusagen für Entwicklung (EZ) und Humanitäre Hilfe (0,7 % des Bruttonationaleinkommens) einzuhalten und die EZ für Bildung, Agrarökologie und soziale Sicherung zu erhöhen? Wie wollen Sie die Unterstützung zur Bewältigung der Klimakrise in einkommensschwachen Ländern steigern und verbessern?
CDU/CSU
Die CDU/CSU bestätigt das 0,7-Prozent-Ziel nicht und weicht der Frage nach der Klimafinanzierung mit einem Allgemeinplatz aus. Die Bereiche Bildung, Agrarökologie und soziale Sicherung finden in der Antwort keine Erwähnung. Die Entwicklungspolitik soll u. a. mit der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, dem Stopp illegaler Migration und der Zurückdrängung des Einflusses von Russland und China verknüpft werden – von Armutsbekämpfung ist nicht die Rede.
SPD
Die SPD bekennt sich zum 0,7-Prozent-Ziel. Entwicklungspolitik soll zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen, indem sie Konflikt- und Fluchtursachen beseitigt, Frieden fördert und dem Aufbau vertrauensvoller Partnerschaften dient. Auf die Humanitäre Hilfe wird nicht eingegangen, ebenso wenig wie auf die Klimafinanzierung. Die Umstellung der Agrarsysteme auf Nachhaltigkeit wird als wichtig angesehen, ebenso Investitionen in soziale Sicherungssysteme. Bildung findet keine Erwähnung.
Grüne
Die Grünen bekennen sich zum 0,7-Prozent-Ziel. Humanitäre Hilfe wird in der Antwort nicht explizit erwähnt. Unklar bleibt auch, ob die Grünen konkret die Klimafinanzierung weiter anheben wollen. Sie wollen das Recht auf Wasser und Nahrung durch agrarökologische Ansätze und Landrechte von Kleinbäuer*innen verwirklichen. Soziale Sicherungssysteme werden unterstützt, auf Bildung wird nicht eingegangen.
Linke
Die Linke bekennt sich zum 0,7-Prozent-Ziel. Die EZ soll den Menschen dienen, anstatt privaten Investitionen oder militärischen Interessen. Ernährungssouveränität soll durch die Stärkung von Kleinbäuer*innen und regionalen Märkten gesichert werden. Soziale Sicherung und Bildung finden keine explizite Erwähnung. Auch eine Steigerung der Klimafinanzierung kommt nicht vor, allerdings unterstützt die Partei innovative Finanzierungsquellen, um Klimaschäden im Globalen Süden auszugleichen – ein Pluspunkt für mehr Klimagerechtigkeit.
FDP
Die FDP geht auf die Frage nach konkreten Finanzzusagen nicht ein. Sie fokussiert auf eine effizientere Verwendung vorhandener Mittel für humanitäre Krisen durch u. a. Lokalisierung und Flexibilisierung – die zuletzt beschlossenen massiven Mittelkürzungen bleiben unerwähnt. Bildung, Agrarökologie oder soziale Sicherung finden keine Erwähnung. Eine Steigerung der Klimafinanzierung hat die FDP nicht im Programm, vielmehr sollen Marktkräfte den weltweiten Klimaschutz regeln – das blendet die wichtige Rolle der direkten Unterstützung gerade zur Anpassung an die Veränderungen und zum Umgang mit unvermeidlichen Klimaschäden völlig aus.
Hintergrund
Eine zentrale Herausforderung für die kommenden Jahre wird sein, wie Deutschland seine Rolle in der internationalen Zusammenarbeit ausfüllt und seiner Verantwortung in der globalen Krisenbewältigung gerecht wird. Weltweit verschärfen multiple Krisen, Kriege, die Klimakrise und soziale Ungleichheit die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen. In dieser Situation muss Deutschland ein verlässlicher Partner bleiben und seine entwicklungspolitischen Anstrengungen deutlich ausweiten.
Dazu gehört eine substanzielle Erhöhung der Humanitären Hilfe, um Menschen in akuten Notsituationen besser zu unterstützen. Zugleich bedarf es u. a. mehr Investitionen in Bildung, Agrarökologie und Geschlechtergerechtigkeit, um Armut und Ungleichheit zu bekämpfen.
3. Geschlechtergerechtigkeit
Für welche Maßnahmen zur wirtschaftlichen, steuerpolitischen und sozialen Gleichstellung der Geschlechter setzt sich Ihre Partei ein? Setzen Sie sich für eine Fortführung der feministischen Entwicklungs- und Außenpolitik mit einer entsprechenden Erhöhung finanzieller Zusagen ein?
CDU/CSU
Die CDU/CSU betont, dass die Belange von Frauen und Mädchen im Mittelpunkt ihrer Entwicklungspolitik stehen und zentral in ihrer Außenpolitik sind. Den Begriff und die Umsetzung einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik lehnt sie jedoch ab. Sie zielt auf eine wertebasierte und interessengeleitete Politik, aber nicht auf feministische Ansätze, die Rechte und Gleichstellung aller Menschen ins Zentrum rückt.
SPD
Die SPD hält in ihrer Antwort klar an der feministischen Außen- und Entwicklungspolitik fest, die die Rechte, Repräsentanz und Ressourcen von Frauen, Mädchen und anderen marginalisierten Gruppen stärkt.
Grüne
Die Grünen sprechen sich klar für die Fortführung einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik aus, die ungerechte Machtstrukturen benennt und durchbrechen soll. Sie wollen Rechte, Ressourcen und Repräsentation von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen weltweit stärken und Diskriminierungsformen abbauen. Sie sagen zu, dafür mehr Mittel für Frauen- und Menschenrechtsorganisationen bereitzustellen.
Linke
Die Linke bekennt sich zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik, die keine bloße Symbolpolitik ist. Was die explizite Bereitstellung von Mitteln für diesen Zweck angeht, bleibt sie in ihrer Antwort unklar und fordert grundsätzlich mehr Mittel für soziale und entwicklungspolitische Projekte.
FDP
Die FDP geht nicht auf die Fortführung einer feministischen Politik ein, will aber Frauen und Mädchen fördern. Bei Strafverschärfungen gegen LSBTIQ-Menschen und dem Abbau von Frauenrechten soll die EZ die Betroffenen weiter erreichen. Eine ausreichend ausgestattete feministische Politik dürfte aufgrund der von der FDP anvisierten Kürzungen für EZ und der Ausrichtung an sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen kaum möglich sein.
Hintergrund
Noch immer haben Frauen, Mädchen und andere marginalisierte Gruppen weltweit weniger Chancen und werden aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder anderer Merkmale diskriminiert. Als Antwort auf diese anhaltende Ungleichheit und Diskriminierung verfolgen einige Staaten, darunter auch Deutschland, und viele internationale und zivilgesellschaftliche Organisationen seit einigen Jahren eine gezielt feministische Außen- und Entwicklungspolitik. Diese hat die gleichberechtigte politische, wirtschaftliche und soziale Teilhabe aller Menschen zum Ziel, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Alter, Behinderung oder anderen Merkmalen.
4. Recht auf Asyl
Wie wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, Pushbacks und Gewalt an den EU-Außengrenzen zu verhindern? Wie positioniert sich Ihre Partei zu bilateralen Migrationsabkommen der EU mit Drittstaaten, die häufig mangelnde Transparenz und Menschenrechtsverletzungen mit sich bringen?
CDU/CSU
CDU/CSU setzen auf eine grundlegende Neuausrichtung des Asylsystems, indem Asylverfahren komplett in „sichere Drittstaaten“ ausgelagert werden sollen. Aktuell müssen laut EU-Asylrecht Asylverfahren in einem EU-Mitgliedstaat stattfinden. Die CDU/CSU geht also über den aktuellen rechtlichen Rahmen hinaus. Sie vermeidet eine direkte Positionierung zu Gewalt an den EU-Außengrenzen, der Fokus liegt auf der Verhinderung „irregulärer Zuwanderung“ und der Bekämpfung von Schleusern.
SPD
Die SPD lehnt Pushbacks klar ab und nennt sie völkerrechtswidrig. Sie betont zudem die Notwendigkeit rechtsstaatlicher Bedingungen für den Grenzschutz. Sie setzt sich für unabhängiges Monitoring an den EU-Außengrenzen ein, um Menschenrechtsverletzungen besser zu dokumentieren. Allerdings bleibt sie bei der Frage bilateraler Migrationsabkommen unklar. Da der Fokus auf Kontrolle und Rechtsstaatlichkeit des Grenzschutzes liegt, ergibt sich indirekt zumindest eine Skepsis gegenüber intransparenten Abkommen.
Grüne
Die Grünen fordern ein konsequentes Vorgehen gegen illegale Pushbacks, juristische Schritte dagegen und rechtliche Unterstützung für die Betroffenen. Sie betonen die universelle Gültigkeit der Menschenrechte in der gesamten EU. Die Grünen möchten Alternativen zu den aktuellen Migrationsabkommen identifizieren, bei denen nicht nur Menschenrechte berücksichtigt, sondern auch „bessere Lebensbedingungen vor Ort“ geschaffen werden. Die Grünen möchten also die Entwicklungsdimension in Migrationsabkommen verstärken. Finanzielle Anreize der EZ sollen aber bei Migrationsabkommen keine Rolle spielen. Insgesamt setzen die Grünen auf mehr geregelte Migration und mehr Transparenz und öffentliche/zivilgesellschaftliche Partizipation.
Linke
Die Linke verurteilt ebenfalls illegale Pushbacks und fordert einen unabhängigen Überwachungsmechanismus, der über die GEAS-Reform hinausgeht, und Vertragsverletzungsverfahren gegen Staaten, die Rechtsbrüche begehen. Die Position geht also noch über die Forderung nach Monitoring hinaus, verlangt werden effektivere Kontrollen und Sanktionen. Migrationsabkommen mit Drittstaaten werden abgelehnt, außer solche, die einvernehmlich zur Erleichterung der legalen Migration geschlossen werden.
FDP
Die FDP äußert sich nicht zu der Frage, wie Pushbacks und Gewalt an den EU-Außengrenzen verhindert werden können. Stattdessen fordert sie eine Stärkung der Rolle von Frontex, ohne jede Andeutung einer Kritik an Frontex. Migrationsabkommen der EU mit Drittstaaten, um „irreguläre Migration ein[zu]dämmen“, werden vorbehaltlos begrüßt, ebenfalls ohne ein kritisches Wort zu den bestehenden Migrationsabkommen.
Hintergrund
Eine der wichtigsten politischen Herausforderungen der nächsten Jahre wird es sein, Asylsuchende zu schützen und grundlegende menschenrechtliche Standards zu wahren. Letztes Jahr wurde die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) beschlossen. Die Reform muss jetzt so umgesetzt werden, dass das Recht auf Asyl unangetastet bleibt und Menschenrechte geschützt werden.
Pushbacks und Gewalt gegen Schutzsuchende an den Außengrenzen müssen beendet werden. Dazu braucht es mehr Kapazitäten für eine zügige und rechtsstaatliche Bearbeitung von Asylanträgen, und es müssen menschenwürdige Aufnahmebedingungen geschaffen werden. Der konsequente Einsatz für den Schutz der Menschenrechte an Europas Grenzen ist unerlässlich.
5. Friedenspolitik im Nahen Osten
Was wird Ihre Partei tun, um den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau im besetzten palästinensischen Gebiet und die De-facto-Annexion weiter Teile des Westjordanlands durch Israel zu beenden? Wie wollen Sie verhindern, dass deutsche Waffen in der Region weiterhin für Kriegsverbrechen eingesetzt werden?
CDU/CSU
Die CDU/CSU fokussiert ihre Antwort darauf, wie die Sicherheit Israels als Teil der „deutschen Staatsräson“ gestärkt werden kann: erstens durch militärische Unterstützung und zweitens durch die Beendigung von nicht näher beschriebenen „Exportblockaden“. Mit keinem Wort wird auf die von Oxfam geforderte Beendigung von Siedlungsbau, Annexion und Vertreibungen von Palästinenser*innen durch Israel eingegangen. Allgemein soll lediglich „ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern“ durch eine Zweistaatenlösung erreicht werden. Völkerrechtsverstöße durch israelische Staatsbürger*innen sollen in Israel vor Gericht gebracht werden. Die internationale Gerichtsbarkeit (IGH, IStGH) wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Die Antwort der Union legt nahe, dass für sie die Verhinderung und Ahndung der zahlreichen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen im laufenden Konflikt keine Priorität darstellen.
SPD
Die SPD lehnt den Siedlungsbau, eine Annexion von palästinensischem Gebiet und die Vertreibung von Palästinenser*innen klar ab. Wie die Partei diese bereits seit Jahren weitgehend erfolglos vertretene Position durchsetzen möchte, verrät sie in ihrer Antwort jedoch nicht. Rüstungsexporte an Israel werden mit Verweis auf die Sicherung des Existenzrechts Israel befürwortet, wobei darauf hingewiesen wird, dass in jedem Einzelfall sorgfältig auf Basis von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht entschieden werden müsse. Diese Position erscheint wenig glaubwürdig, da die SPD Verantwortung für die Lieferung großer Mengen Kriegswaffen seit 2021 an Israel trägt, die vielfach völkerrechtswidrig eingesetzt worden sind.
Grüne
Bündnis 90/Die Grünen verurteilen Siedlungsbau, Annexionspläne und Siedlergewalt und wollen Sicherheit für Israelis und Palästinenser*innen durch eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung auf Basis der Grenzen von 1967 erreichen. Beantragte Rüstungsexporte sollen einzeln geprüft und abgelehnt werden, wenn sie gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen würden. Es besteht offensichtlich eine große Kluft zwischen Programmatik und realer Politik, denn Bündnis 90/Die Grünen haben als Teil der aktuellen Regierungskoalition nur sehr wenig dafür getan, dass der völkerrechtswidrige israelische Siedlungsbau und die steigende Siedlergewalt im Westjordanlandund sowie unverantwortliche Rüstungsexporte nach Israel gestoppt worden wären.
Linke
Die Linke fordert ein generelles Verbot von Rüstungsexporten nach Israel und unterstützt die Aktivitäten des internationalen Strafgerichtshofs zur rechtlichen Ahndung von Kriegsverbrechen. Annexionen und Siedlungen werden mit Verweis auf die Gültigkeit der Grenzen von 1967 sowie die Notwendigkeit einer Konfliktlösung auf Basis zweier lebensfähiger Staaten abgelehnt.
FDP
Die FDP bekennt sich zur Sicherheit Israels als deutscher „Staatsräson“ und fordert, Israel in Bezug auf Rüstungsexporte mit NATO-Staaten gleichzustellen. Nach Ansicht der Liberalen ist eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung am besten geeignet, um die Sicherheit von Israelis und Palästinenser*innen zu erreichen sowie einen „souveränen, demokratischen und lebensfähigen Staat Palästina“ zu ermöglichen. Es ist nicht zu erkennen, dass den Liberalen der Schutz der Menschenrechte für alle Menschen in Palästina und Israel sowie die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts im aktuellen Nahostkrieg ein wichtiges Anliegen wäre.
Hintergrund
Eine friedliche, dauerhafte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ist nicht in Sicht. Mit dem Regierungsantritt von Präsident Trump steigt trotz einer vorübergehenden Waffenruhe im Gazastreifen die Gefahr einer ethnischen Säuberung der palästinensischen Zivilbevölkerung durch Israel und die USA.
Gleichzeitig eskaliert die Gewalt im Westjordanland, indem die israelische Armee und militante Siedlergruppen palästinensische Zivilist*innen angreifen und vertreiben. Kriegsverbrechen bleiben weitgehend straflos, indem die israelische Justiz diese so gut wie nicht verfolgt und Staaten wie Deutschland die internationale Gerichtsbarkeit (IGH, IStGH) in Bezug auf Israel praktisch ignorieren.
Deutschland, sonst traditionell Fürsprecher einer regelbasierten Ordnung, hat durch die einseitige Parteinahme für Israel international viel Ansehen verloren; die nächste Bundesregierung muss Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit international wieder mehr Geltung verschaffen.
6. Klimapolitik
Steht Ihre Partei konsequent zu den bestehenden deutschen Klimazielen? Mit welchen neuen Maßnahmen will Ihre Partei den Klimaschutz in den Sektoren Gebäude und Verkehr verstärken, das Ende der fossilen Energien beschleunigen und mehr soziale Ausgewogenheit im Klimaschutz konkret erreichen?
CDU/CSU
CDU/CSU bekennen sich immerhin zum Pariser Abkommen und haben offenbar auch das deutsche Ziel der Klimaneutralität bis 2045 „fest im Blick“. Das allein reicht noch nicht, und Maßnahmen für die Bereiche Gebäude und Verkehr oder den Ausstieg aus den fossilen Energien benennen CDU/CSU nicht. Die Mehrbelastung durch die CO2-Bepreisung wollen CDU/CSU zuerst durch eine Senkung von Abgaben erreichen (von denen aber zumindest teilweise eher einkommensstärkere Haushalte profitieren würden).
SPD
Die SPD steht in ihrer Antwort ebenfalls zu den bestehenden Klimazielen. Sie antwortet auf unsere Frage zu den Bereichen Verkehr und Gebäude mit konkreten Ideen, darunter der Ausbau der Wärmenetze oder die Verbesserung öffentlicher Transportsysteme oder Kaufprämien für E-Autos (von denen einkommensschwache Haushalte eher wenig profitieren werden). Was die sozial gerechte Transformation angeht: Zwar antwortet die SPD mit Maßnahmen, aber ob Wärmepumpenleasing (für Eigentümer mit geringem Einkommen) oder steuerliche Besserstellung von E-Dienstwagen die große Menge an sozial benachteiligten Menschen erreichen wird, ist fraglich.
Grüne
Auch die Grünen halten am 2045-Ziel der Klimaneutralität fest. Konkrete Maßnahmen in den abgefragten Bereichen Gebäude und Verkehr nennen sie in ihrer Antwort allerdings (auch) nicht. Für die sozial gerechte Transformation planen die Grünen eine sozial stärker gestaffelte Förderung von klimaverträglichen Alternativen, womit vor allem das von den Grünen geforderte Klimageld gemeint sein dürfte.
Linke
Die Linke ist die einzige Partei, die nach ihrer Antwort nicht nur an den bestehenden (aus Oxfam-Sicht unzureichenden) deutschen Klimaschutzzielen festhält, sondern sie auch verschärfen möchte (Klimaneutralität 2040). Konkret will die Linke den öffentlichen Verkehr massiv ausbauen, neue Autobahnen verhindern, ein Tempolimit einführen, den Kohleausstieg beschleunigen, und energetische Sanierungen mietenneutral realisieren. Die CO2-Bepreisung im Bereich Wärme und Verkehr aber lehnt die Linke ab – und will zumindest die Mehrkosten durch ein Klimageld abfedern helfen.
FDP
Wir waren etwas geschockt zu lesen, dass die FDP (als einzige der befragten Parteien) das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 abschaffen bzw. auf 2050 verschieben möchte, um die Wirtschaft zu entlasten. Neue Ideen für die schnellere Abkehr von den fossilen Energien oder mehr Klimaschutz in den Bereichen Gebäude und Verkehr sind in der Antwort nicht enthalten – nur ein Verweis auf den erweiterten Emissionshandel ab 2027. Immerhin plant die FDP eine Version des Klimagelds für den sozialen Ausgleich – in unserer Wertung kann das aber die Verschiebung der Klimaneutralität nicht aufwiegen.
Hintergrund
Um die schlimmsten Szenarien der Klimakrise noch zu vermeiden, braucht es eine globale Transformation unserer Energie- und Wirtschaftssysteme, um bis spätestens 2050 die weltweiten Emissionen auf Netto-Null zu drücken. Derzeit steuert die Welt auf eine Erwärmung um 2,7°C zu – weit über dem von der Klimawissenschaft als noch halbwegs beherrschbaren Limit von maximal 1,5°C, wie es auch im Pariser Abkommen vereinbart ist. Reichen Ländern wie Deutschland fällt wegen der hohen Wirtschafts- und Finanzkraft und der hohen Verantwortung für das Verursachen der Klimakrise eine besondere Rolle zu.
7. Menschenrechte in Lieferketten
Plant Ihre Partei, sich für eine zügige und ambitionierte Umsetzung der „EU-Lieferkettenrichtlinie“ (CSDDD) in deutsches Recht einzusetzen? Und dabei das Schutzniveau des deutsches „Lieferkettengesetzes“ zu erhalten und effektiven Rechtsschutz zu stärken?
CDU/CSU
Zwar bezeichnen CDU/CSU Nachhaltigkeit als wichtig, das Lieferkettengesetz wird aber nur unter dem negativen Aspekt der Bürokratiebelastung kommentiert. Das deutsche Gesetz soll abgeschafft werden, langfristig soll auch auf EU-Ebene gegen Bürokratie vorgegangen werden, woraus sich eine kritische Haltung zur EU-Lieferkettenrichtlinie erkennen lässt. Damit würde die Union zentrale Errungenschaften des Menschenrechtsschutzes zurückdrehen.
SPD
Die SPD erachtet verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten als wichtig und fordert eine schnelle Überführung der EU-Lieferkettenrichtlinie in deutsches Recht. Sie betont die Wichtigkeit klarer und gemeinsamer Regeln für alle Unternehmen in Europa. Einzig die Beibehaltung des größeren Anwendungsbereichs des deutschen Lieferkettengesetzes bleibt unerwähnt.
Grüne
Die Grünen erachten die Lieferkettengesetze auf deutscher und europäischer Ebene als große Errungenschaft. Sie möchten die europäische Richtlinie zügig umsetzen, erwähnen auch die zivilrechtliche Haftung und wollen sich dafür einsetzen, dass das Schutzniveau nicht abgesenkt wird.
Linke
Die Linke erachtet die Lieferkettengesetze auf deutscher und europäischer Ebene als Schritte in die richtige Richtung und möchte die europäische Richtlinie zügig umsetzen und den breiteren Anwendungsbereich des deutschen Gesetzes beibehalten.
FDP
Die FDP streitet die Wirksamkeit der Lieferkettengesetze ab, auch entgegen den Erkenntnissen von Oxfam und seinen Partnerorganisationen. Unter dem Vorwand „kaum noch zu bewältigender“ Bürokratie seien die Gesetze auf deutscher und europäischer Ebene vollständig abzuschaffen – ein fataler Rückschritt für den Menschenrechtsschutz und globale Gerechtigkeit.
Hintergrund
Keine Ausbeutung, Kinderarbeit und Umweltzerstörung mehr in deutschen und europäischen Produkten – die Lieferketten-Regelungen, die auf deutscher und europäischer Ebene verabschiedet wurden, sind Meilensteine für eine gerechtere Globalisierung. Deshalb fordert Oxfam Deutschland eine zügige Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) in deutsches Recht. Insbesondere müssen die schärferen Standards der EU-Richtlinie, wie die Klagemöglichkeit für Betroffene, in Deutschland verwirklicht werden – ohne die Zahl der bereits heute unter das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) fallenden Unternehmen einzuschränken. Zuletzt gab es wegen vermeintlich hohen bürokratischen Aufwands viel Gegenwind gegen diese Gesetze, mehrere Parteien revidierten ihre zuvor positive Haltung.
8. Kontrolle von Marktmacht
Setzt sich Ihre Partei dafür ein, die Befugnisse des Bundeskartellamts und das Wettbewerbsrecht zu stärken? Welche konkreten Maßnahmen gegen zunehmende Marktkonzentration, den Missbrauch ökonomischer Macht und unfaire Handelspraktiken planen Sie?
CDU/CSU
Die CDU möchte zwar Wettbewerb fördern, plant aber, die Befugnisse des Bundeskartellamts zum Markteingriff wieder an einen Rechtsverstoß zu binden. Damit würde eine entscheidende Stärkung des Wettbewerbsrechts aus der laufenden Legislaturperiode rückgängig gemacht und der Kampf gegen Monopolisierung entschieden geschwächt. Positiv ist, dass die Union sich dafür ausspricht, den Schutz von Erzeugern und Lieferanten vor unlauteren Handelspraktiken zu stärken.
SPD
Die SPD analysiert richtig, dass große Lebensmittelkonzerne von der Inflation bei Lebensmitteln profitiert haben. Im Bereich Kartell- und Wettbewerbsrecht seien mögliche Wettbewerbsverstöße großer Lebensmittelhändler zu prüfen, außerdem brauche es mehr Transparenz über Lebensmittelpreise. Auf unlautere Handelspraktiken geht die Antwort der SPD nicht ein.
Grüne
Die Grünen sprechen sich für die Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts aus, insbesondere bei Onlineplattformen und dem Lebensmittelhandel. Auf EU-Ebene setzen sie sich für die Stärkung des Kartellrechts durch das New Competition Tool, also stärkere Befugnisse der Kommission gegenüber Konzernen, ein. Positiv hervorzuheben ist das Gebot des Kaufs zu kostendeckenden Preisen, das der Landwirtschaft nützen würde.
Linke
Die Linke spricht sich für eine Stärkung der Befugnisse und mehr Durchgriffsrecht für das Bundeskartellamt und eine Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts aus. Zusätzlich sollen regionale Wirtschaftsstrukturen und genossenschaftliche und gemeinwohlorientierte Unternehmen gefördert werden und insbesondere Marktmacht in den Bereichen Lebensmittel, Energie und Wohnen eingedämmt werden.
FDP
Die FDP sieht den gesetzlichen und institutionellen Rahmen für ein starkes Wettbewerbsrecht und durchsetzungsfähige Wettbewerbsbehörden bereits gegeben. Im nationalen Wettbewerbsrecht spricht sich die FDP dafür aus, die Klagebefugnisse gegen die sogenannte Ministererlaubnis auszuweiten. Auf EU-Ebene spricht sie sich gegen die Aufweichung des Kartellrechts aus. Auf unfaire Handelspraktiken im Lebensmittelhandel geht die FDP nicht ein.
Hintergrund
Ein Grund für die extreme Ungleichheit weltweit und hier in Deutschland ist die ungleiche ökonomische Macht. Während Arbeitnehmende von Inflation, steigenden Preisen und Reallohnverlusten betroffen sind, verzeichnen vor allem Großkonzerne und ihre Eigentümer*innen enorme Gewinne. Dies hat auch mit zunehmender Marktkonzentration zu tun. Dagegen müssen aus Sicht von Oxfam Wettbewerbsbehörden stärker durchgreifen als bisher. Dabei sollte ein Fokus auf besonders konzentrierte Sektoren wie dem Lebensmitteleinzelhandel oder der Tech-Industrie liegen.
Warum sind nur diese Parteien im Parteien-Check?
Als spendenfinanzierte Organisation ist es für uns nicht leistbar, alle zur Wahl stehenden Parteien zu untersuchen und darzustellen. Deshalb mussten wir hier eine pragmatische Auswahl treffen: Wir haben uns entschieden, nur solche Parteien einzubeziehen, deren Einzug in den Bundestag realistisch ist.
Dem BSW haben wir unsere Fragen geschickt, haben aber keine Antwort erhalten.
Die AfD hat – im Gegensatz zu anderen Parteien im Bundestag, mit denen wir ebenfalls politische Differenzen haben – ein Menschenbild, das sich nicht mit allgemeinen Menschenrechten und Oxfams Werten in Einklang bringen lässt. Wir wollen dem keine Plattform bieten.