Seit 2016 versinkt Burkina Faso immer tiefer in Unruhen und Gewalt. Über eine Million Menschen sind bereits aus dem Norden in die Landesmitte geflüchtet.

Die Infrastruktur unserer Stadt kann den Zustrom an Menschen, den es in den letzten zwei Jahren gegeben hat, nicht verkraften
Binta Sawadogo, stellvertretende Bürgermeisterin von Kaya

„Vor allem unsere Wasserversorgung kann das nicht bewältigen, schon gar nicht während der Trockenzeit, die mit immer höheren Temperaturen länger als üblich anhält.“

Hintergrund:

Ähnlich wie im benachbarten Mali haben bewaffnete dschihadistische Gruppen Wüstengebiete im Norden des Landes besetzt, die von aufeinanderfolgenden Regierungen im Stich gelassen wurden. Nach dem Sturz des Präsidenten Blaise Compaoré entgleitet der Regierung zunehmend die Kontrolle über das Land. Die dschihadistischen Gruppen haben eine regierungsfeindliche Stimmung etabliert und zur Spaltung von Gemeinschaften beigetragen. Die Machthaber*innen in der Hauptstadt Ouagadougou reagierten mit Militäreinsätzen und verlieren durch ihr gewalttätiges Vorgehen zunehmend das Vertrauen der Bevölkerung.

Kaya ist die Hauptstadt der Region Centre-Nord. Seit 2004 bezieht sie ihr Trinkwasser aus dem etwa 15 km entfernten Lake Dem. Das dortige Wasserwerk wurde zwar 2009 erneuert, hat aber eine „für die Bevölkerung von Kaya nicht ausreichende Kapazität“ – so der Leiter der zuständigen Wasserbehörde Office Nationale des Eaux et de l’Assainissement (ONEA). Auch der Lake Dem ist infolge der Klimakrise und massiver Wasserentnahmen in den letzten 20 Jahren um fast 40 Prozent geschrumpft. Ganze Stadtteile haben überhaupt keinen Zugang zu Wasser.

Mehr Menschen, weniger Wasser

„Das Wasserproblem begann 2015. Zuerst bekamen wir einmal die Woche Wasser und danach nur noch alle zwei Wochen einmal. Zudem wurde es nur nachts geliefert. Seitdem die Vertriebenen hier sind, bekommen wir manchmal einen ganzen Monat lang kein Wasser. Also müssen wir es privat kaufen“, berichtet Clémence*, die im bevölkerungsreichsten Teil Kayas lebt. Doch das Wasser wird immer teurer: „Ein 200-Liter-Fass Wasser hat vor zwei Jahren noch umgerechnet 80 Cent gekostet. Jetzt kostet es umgerechnet 1,10 Euro. Und das in einem Land, wo Dreiviertel der Menschen von weniger als einem Euro am Tag leben.“

Eine Gruppe von Menschen greift nach Wasserkanistern in Kaya, Burkina Faso.
Die Stadt Kaya hat mehr als 100.000 Vertriebene aufgenommen, aber nicht genug Wasser, um sie und die Einheimischen zu versorgen.

„In Notsituationen, in denen es keine Infrastruktur gibt, lagern wir das Trinkwasser in Wasserspeichern und verteilen es mit Tanklastern. Das ist zeitaufwendig und kostenintensiv. In Situationen wie hier in Kaya können wir stattdessen die bestehenden Infrastrukturen verbessern. Wir sanieren Pumpen und legen neue Bohrlöcher strategisch dort an, wo großer Bedarf besteht“, erklärt Noël Zigani, der Oxfams Nothilfe in der Region Centre-Nord leitet. Das Wasser wird dann in das ONEA-Netzwerk eingeleitet oder in Wasserspeichern gelagert, um plötzliche Ausfälle der Wasserversorgung zu vermeiden. Gerade in Pandemiezeiten ist das unerlässlich, denn die Infektionszahlen steigen, wenn nicht genug Wasser da ist oder die Menschen auf verschmutzte Quellen zurückgreifen müssen.

Das Vieh ist wichtiger als das eigene Leben

„In unseren Dörfern wird Wasser für viele Dinge gebraucht und verwendet: im Haushalt, zum Kochen und Waschen, zur Kleiderwäsche und im Garten“, erklärt Abdoulaye Ba Fatman. Er ist Leiter der Vereinigung ländlicher Bürgermeister der Region Centre-Nord und Bürgermeister der Kommune Barsalogho. Rund 85 Prozent der Bevölkerung Burkina-Fasos lebt von Landwirtschaft und Viehzucht. Dörfer und kleine Gemeinschaften haben mehr als die Hälfte der im eigenen Land Vertriebenen aufgenommen.

„Für die Tierzüchter sind ihre Rinder alles. Sie sind ihre Identität und ihre Lebensgrundlage. Das Wasser für die Tiere ist daher wichtiger als das eigene Leben“, erklärt Abdoulaye Ba Fatman. „Wenn sich Vertriebene mit ihrem Vieh in einem Dorf niederlassen, können Sie sich sicher vorstellen, welchen Druck dies auf das Wassersystem ausübt. Es ist verständlich, dass es Streit gibt, wenn das Wasser aus den Brunnen für das Vieh verwendet wird und die Einwohner von Barsalogho sich nicht mehr täglich waschen können.“ Das kleine Barsalogho wird durch Angriffe und Hinterhalte auf der Straße regelmäßig von der Versorgung und jeglicher humanitären Hilfe abgeschnitten. 88.000 Vertriebene sind hier untergekommen – dreimal mehr Menschen als ursprünglich im Ort lebten.

Zurück zu den Quellen

In den Dörfern Namsigui, Sera, Louda, Nesmetenga und Kiendyendé sieht es ähnlich aus:

Dieses Dorf erlebte 300 Jahre lang keinen großen Wassermangel
Adama*, Dorfvorsteher von Kiendyendé

Aber in der Sahelzone Afrikas fällt heute nur noch ein Drittel so viel Regen wie vor 70 Jahren. Die Trockenzeiten sind länger und die Temperaturen steigen anderthalbmal schneller als in der restlichen Welt.  Ab Dezember wird die Wasserversorgung zur alltäglichen Sorge für die nächsten sechs Monate. „Wir haben keine Wahl. Wir müssen uns anpassen“, erklärt Adama.

Das bedeutet zum Beispiel, dass sie mit Saatgut experimentieren, das der Trockenheit besser gewachsen ist. Lösungen finden die Bäuer*innen und Viehzüchter*innen aber vor allem in alten, fast vergessenen Techniken. Dazu gehören steinerne Wasserrückhaltebecken, um die Verdunstung des spärlichen Wassers zu verlangsamen. Natürliche Düngemittel verbessern die durch jahrelange Monokulturen und den intensiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ausgelaugten Böden. Und die traditionelle Zai-Methode lebt wieder auf, bei der Setzlinge in Gruben gepflanzt werden. So sammeln sich Regenwasser und organisches Material direkt bei den Wurzeln und lassen die Pflanzen gedeihen.

Sanfo Ramatas Geschichte:

Sanfo Ramata ist Bäuerin und Viehzüchterin. Sie arbeitet für die Confédération Paysanne du Faso, eine Partnerorganisation von Oxfam. Die Frau steht in einem bunten Kleid vor einem Haus. Sie sieht nachdenklich aus.
Sanfo Ramata, Bäuerin und Viehzüchterin, arbeitet für Oxfams Partnerorganisation Confédèration Paysanne du Faso in Burkina Faso. Ihr Vieh stirbt wegen des Futtermangels und der Wasserknappheit, die durch die Klimakrise verstärkt werden.

„Früher hatte ich zwölf Schafe, aber jetzt ist nur noch eins da“, berichtet sie. „Ich hatte insgesamt 42 Hühner, jetzt sind es nur noch zehn. Ich hatte auch sieben Kühe, jetzt sind nur noch drei übrig. Das liegt daran, dass es zu wenig Futter für die Tiere gibt. Durch den Mangel an Weideland werden sie immer dünner. Als sie anfingen, Gewicht zu verlieren, musste ich sie mit Verlust verkaufen. Wären sie gestorben, hätte ich alles verloren.

Wenn ausreichend Regen fällt, gibt es genug Gras, so dass die Tiere kräftig sind und sich vermehren können. Wenn wir zehn Jungtiere haben, können wir sie in dieser Zeit verkaufen und ich habe Geld, um meine Kinder zur Schule zu schicken. Aber dieses Jahr haben die Tiere wenig Nachwuchs. Den wenigen, die übrig bleiben, gebe ich das restliche Futter, um die Zucht zu erhalten. Regenfälle sind selten. Es gibt keine Nahrung mehr, kein Weideland und kein Geld, um die Ausbildung der Kinder zu bezahlen. Ich würde gerne mein Vieh zurückhaben, damit die Kinder wieder zur Schule gehen können.“

*Name zum Schutz der Person geändert oder gekürzt.

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