Klimawandel ist ein moderner Begriff. Während er für andere abstrakt ist, ist er ein echtes Risiko für mich, meine Familie und Freund/innen sowie meine Heimat. Ich heiße Kauaata, bin 25 Jahre alt und komme aus Kiribati.

Dem Meer schutzlos ausgeliefert

Das erste Mal, dass ich mit dem Klimawandel in Berührung kam, war im Jahr 2009. An einem sonnigen Tag saß ich gerade im Statistikunterricht, als die Tochter meiner Lehrerin mit Tränen in den Augen in unsere Klasse stürmte und rief: „Mama, der Tsunami kommt, der Tsunami kommt!“. Wir dachten zuerst, dass sie sich irgendetwas einbildet. Doch plötzlich schrie ein Junge vom anderen Ende des Gebäudes herüber, dass alle die Schule verlassen und in ihre Häuser zurückkehren sollten, weil es eine Tsunami-Warnung gab. Da wurde es meinen Klassenkamerad/innen und mir ganz mulmig. Als ich aus dem Klassenraum lief, sah ich mehrere Menschen panisch umherrennen. Ich erinnerte mich sofort an die Berichte im Internet über einen Tsunami auf den Philippinen, der Gebäude und Kokosnusspalmen einfach wegschwemmte und viele Menschen, unter ihnen auch Kinder, das Leben kostete. Als ich aufs Meer schaute, verlor ich alle Hoffnung, dass wir einen sicheren Ort finden würden, wenn der Tsunami uns trifft. Unsere Insel liegt nur einen Meter über dem Meeresspiegel, und von allen Seiten sind wir vom riesigen Ozean umgeben.

Weggespülte Küsten, versalzenes Trinkwasser

Als ich damals von dem drohenden Tsunami hörte, fand ich es sehr seltsam, dass ich während meiner ganzen Kindheit nie von solch einer Naturkatastrophe gehört hatte. Wir kannten nur starke Regenfälle und Dürren auf einigen anderen Inseln sowie starke Winde an unserer Küste, die keinen Schaden anrichteten. An diesem Tag verstand ich, dass etwas Großes im Gange war – doch hatte ich keine Ahnung, wodurch es ausgelöst wurde. Bis dahin hatte ich nie über den Klimawandel nachgedacht. Ich wusste noch nicht einmal, dass er existiert.

An jenem Tag begann ich, Veränderungen in meiner Umgebung besonders kritisch wahrzunehmen. An einem Nachmittag lief ich die Küste meines Dorfes Bikenibeu entlang, als mir etwas auffiel: Der Weg, den ich immer von der Schule nach Hause nahm, hatte sich landeinwärts verschoben. Die Sträucher waren nicht mehr da, und nur anhand der Kokospalmen, die einst die Küste säumten, ließ sich die alte Küstenlinie noch erahnen. Das machte mich traurig, weil die neue Küstenlinie praktisch drei Schritte von der alten entfernt war. Zu Grundschulzeiten lief ich fünf Jahre lang immer diese Straße entlang. Darum konnte ich die Veränderungen in diesem Gebiet besonders gut erkennen.

Die Erosion der Küste hatte schwerwiegende Folgen: Unser Brunnenwasser wurde salzig, sodass wir es nicht länger trinken konnten. Es war schlimm, eine unserer Trinkwasserquellen zu verlieren, weil wir fortan auf unseren Wassertank angewiesen waren. Manchmal kamen dann Menschen vorbei, die nach Wasser für ihre Kinder fragten. Es war neu für mich, dass jemand um Wasser bettelt. In unserer Kultur ist es nicht üblich und peinlich, andere um etwas zu bitten. Ich verstand jedoch, dass die Menschen litten und dringend Wasser brauchten und es deshalb taten.

Der Preis des Klimawandels

2011 begann ich mein Studium an der University of the South Pacific in Fidschi. Ich lernte mehr über den Klimawandel und darüber, wie er sich auf tiefer liegende Gebiete auswirkt – wie meine Insel. So begriff ich, dass der Klimawandel die Ursache für all die Umweltprobleme war, die ich zuvor auf Kiribati beobachtet hatte. Deswegen beschloss ich, mich eingehender mit dem Klimawandel und seinen Folgen zu beschäftigen. Ich machte meinen Bachelor-Abschluss und fing im gleichen Jahr mit meinem Aufbaustudium zum Thema Klimawandel an.

Mir wurde bewusst, wie schlecht es um mein Land und dessen künftige Generationen steht. Ich finde es extrem unfair, dass tief gelegene Inseln jetzt den Preis dafür zahlen, dass die Industrieländer wahnsinnig hohe Mengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre ausstoßen und damit das Klima verändern. Große Länder bekommen die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels nicht so sehr zu spüren – ganz im Gegensatz zu uns. Das sollte für alle ein Weckruf sein. Es brach mir das Herz zu erfahren, dass auf der Insel Kiritimati – eine der Inseln von Kiribati, auf der ich jetzt lebe – 80 Prozent der Korallen ausgeblichen sind.

Das 1,5-Grad-Ziel als Rettung für Kiribati

Ich weiß, dass auf der alljährlichen UN-Klimakonferenz das Ziel verfolgt wird, die globale Erwärmung auf 2 °C oder 1,5 °C zu begrenzen, um die Welt zu retten. Doch bedenken Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dass der weite Ozean um Kiribati schon seit langer Zeit dazu beiträgt, die Kohlendioxidanreicherung in der Atmosphäre zu verringern, indem er Kohlendioxid aus der Luft bindet. Die Opfer, die dafür erbracht wurden, sind groß: Der größte Teil unserer Korallenriffe und marinen Ressourcen ist verschwunden.

Wir selbst haben kaum Kohlendioxidemissionen zu verantworten, aber unser Ozean hat der Welt geholfen, die Kohlendioxid-Anreicherung in der Atmosphäre zu verringern. Dafür haben wir von den Industrieländern nie eine Entschädigung erhalten. Wir haben auch nie nach Geld gefragt, denn Geld kann uns, unsere Umwelt und künftige Generationen nicht retten. Nur die Verpflichtung aller Industrieländer, die Erderwärmung unter 1,5 °C zu halten, kann meine Insel, mein Volk, meine Familie und mich vor den Folgen des Klimawandels retten.

Der Original-Blog ist hier abrufbar.

Kommentieren

Wir freuen uns über anregende Diskussionen, sachliche Kritik und eine freundliche Interaktion.

Bitte achten Sie auf einen respektvollen Umgangston. Auch wenn Sie unter einem Pseudonym schreiben sollten, äußern Sie bitte dennoch keine Dinge, hinter denen Sie nicht auch mit Ihrem Namen stehen könnten. In den Kommentaren soll jede*r frei seine Meinung äußern dürfen. Doch es gibt Grenzen, deren Überschreitung wir nicht dulden. Dazu gehören alle rassistischen, rechtsradikalen oder sexistischen Bemerkungen. Auch die Diffamierung von Minderheiten und Randgruppen akzeptieren wir nicht. Zudem darf kein*e Artikelautor*in oder andere*r Kommentator*in persönlich beleidigt oder bloßgestellt werden.

Bitte bedenken Sie, dass Beleidigungen und Tatsachenbehauptungen auch justiziabel sein können. Spam-Meldungen und werbliche Einträge werden entfernt.

Die Verantwortung für die eingestellten Kommentare sowie mögliche Konsequenzen tragen die Kommentator*innen selbst.