Schutz- und Rechtlosigkeit sind ein Kernproblem

Erst kürzlich konnte ich mir beim Besuch von Oxfams Nothilfe- und Entwicklungsprojekten in Jordanien und Libanon einen Eindruck von den Verhältnissen verschaffen, in denen Flüchtlinge dort leben. Die beiden Länder haben einen großen Teil der Menschen aufgenommen, die vor der Gewalt in Syrien ins Ausland fliehen mussten. Ein Kernproblem ist die Rechtlosigkeit dieser Menschen. Im Libanon sind nur wenige formal als Flüchtlinge registriert, noch weniger verfügen über eine Arbeitserlaubnis. Um ihre Familien über die Runden zu bringen, müssen die Flüchtlinge in der Schattenwirtschaft arbeiten, in der nicht selten Kinderarbeit, Ausbeutung und Prostitution auf sie warten. Nicht selten werden aus Geldnot auch Kinderehen eingegangen. Klar ist, dass unter solchen Bedingungen an regelmäßigen Schulbesuch der Kinder nicht zu denken ist.  

Syrische Kinder vor einer Schule im  Zaatari Flüchtlingscamp, Jordaninien. © Sam Tarling/Oxfam
Syrische Kinder vor einer Schule im Zaatari Flüchtlingscamp, Jordaninien.

Nur wenig besser sieht es in Jordanien aus: In den großen Flüchtlingscamps wie Zaatari, in denen circa 20 Prozent der Flüchtlinge in der Region untergekommen sind, leben die Menschen geschützter. Es wird für das Allernötigste gesorgt, Oxfam organisiert etwa die Versorgung mit Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen, doch auch dort dürfen die Menschen nicht außerhalb der Lager arbeiten. Schulbildung gibt es nur für Kinder, weiterführende Schulen, die Jugendliche auf Abitur und Studium vorbereiten könnten, fehlen.

Mit ihrer restriktiven Politik wollen die Regierungen der beiden Aufnahmeländer klarstellen, dass sie die Flüchtlinge nicht in die Gesellschaft integrieren wollen. Sie werden nur geduldet solange der Konflikt in Syrien andauert. Der Libanon verteidigt so seinen innenpolitischen Status-Quo, in dem sich die verschiedenen Minderheiten in einer Machtbalance halten. Jede fünfte Person im Libanon ist inzwischen ein syrischer Flüchtling. Darüber hinaus leben dort bereits teils seit Jahrzehnten rund 500.000 registrierte palästinensische Flüchtlinge. Würden die geflüchteten Syrerinnen und Syrer integriert, würden die Sunniten eine Mehrheit stellen, was Unfrieden schürte. In Jordanien ist immerhin mindestens jeder elfte Einwohner ein Flüchtling aus Syrien.

Nawal Gharab, 28 bereitet Tee zu in ihrem 1-Zimmer-Haus in Abreen, Libanon, in dem es keinen Strom und kein fließendes Wasser gibt. Die Familie flüchtete aus Idlib, Syrien, nachdem zwei ihrer drei Kinder durch eine explodierende Clusterbombe verletzt wurden, mit der sie spielten.

Internationale Unterstützung neu ausrichten

Die Staatengemeinschaft muss deshalb ihre Unterstützung neu justieren. Ziel muss es sein, dass die Flüchtlinge nicht nur als Belastung, sondern auch als Chance für die Aufnahmeländer erlebt werden. Hierfür sollten nicht nur Flüchtlinge, sondern auch die gastgebende einheimische Bevölkerung von der Unterstützung profitieren, etwa in Form von Bildungs- und Qualifizierungsangeboten. Auch könnte deutlich mehr in die Infrastruktur investiert werden, um Jobs für alle im Land lebenden Bevölkerungsgruppen zu schaffen. Ein Beispiel: Jordanien ist das drittwasserärmste Land der Welt, doch das Leitungsnetz ist so marode, dass Schätzungen zufolge ein Viertel des Wassers verloren geht. Solche Investitionen würden kurz- und mittelfristig zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führen. Außerdem sollte die Staatengemeinschaft stärker auf die Aufnahmeländer einwirken, dass Flüchtlinge Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis erhalten, mindestens solange der Konflikt in Syrien andauert. Dies würde die finanzielle Unterstützung nicht nur wirksamer machen, sondern auch die lähmende rechtliche Unsicherheit beenden, unter der so viele geflüchtete Menschen leiden.

Seit der Londoner UN-Geberkonferenz zur Unterstützung Syriens im Februar dieses Jahres hat die Region bei den Entwicklungsbanken und auch bei der deutschen Entwicklungszusammenarbeit erfreulicherweise Priorität. Auf dem bevorstehenden New Yorker Gipfel besteht die Chance, die Unterstützung auf eine breitere Grundlage zu stellen. Oxfam drängt darauf, dass es klare Zusagen gibt und die Umsetzung der Verpflichtungen anschließend nachgehalten wird.

„Stand as one“ mit Menschen auf der Flucht vor Kriegen und Konflikten

Reih dich in unsere virtuelle Menschenkette ein, mach mit bei unserer Aktion "Stand as one"! Gemeinsam wollen wir den Staats- und Regierungschefs in aller Welt demonstrieren, dass wir nicht tatenlos zusehen, wenn Menschen leiden. Im September kommen die Staats- und Regierungschefs bei den Vereinten Nationen in New York zu einem Gipfeltreffen zu Flucht und Migration zusammen. Dort werden die weltweit gesammelten Unterschriften übergeben.

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