Der extrem trockene letzte Sommer machte die Folgen des Klimawandels auch in Deutschland erlebbar: Die Hektarerträge lagen bei Getreide um 16 Prozent unter dem dreijährigen Mittel der Vorjahre. Am meisten betroffen waren die nördlichen Bundesländer mit drastischen Ernteausfällen von bis zu 31 Prozent. Jahre zuvor wurden die deutschen Bauern noch als die großen Profiteure des Klimawandels gesehen. Doch Wetterextreme werden zukünftig neue Normalität sein. Die Folgen der globalen Erderhitzung werden aber vor allem jene treffen, die am wenigsten zum Anstieg der Treibhausgasemissionen beigetragen haben: die Armen der Welt.
Am schlimmsten könnten die Auswirkungen in Städten und in einigen ländlichen Regionen in Subsahara-Afrika und Südostasien sein. Auch die Trockengebiete wären besonders von der Klimakrise betroffen, dort leben mehr als 650 Millionen der Ärmsten. Im Jahr 2017 waren 34 der 51 Nahrungsmittelkrisen wesentlich auf klimatische Schocks zurückzuführen. 36 Prozent aller Länder, die seit 2005 steigende Hungerzahlen aufwiesen, litten unter einer starken Dürre in der Landwirtschaft.
Aber nicht nur zunehmende Dürren gefährden die Lebensmittelproduktion, schwere Stürme verwüsten Anbaugebiete und die Infrastruktur, der steigende Meeresspiegel führt zur Versalzung von Böden und Grundwasser, Hitzewellen machen das Arbeiten auf den Feldern unmöglich und beeinträchtigen das Pflanzenwachstum. Zunehmende Krisen und Konflikte zwingen immer mehr Menschen, ihr Land und ihr Zuhause zu verlassen.
Mehr Schwankungen bei globaler Lebensmittelversorgung
Aktuell werden genug Lebensmittel produziert, um den Ernährungsbedarf der Weltbevölkerung zu decken. Nach Angaben der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) müssten bis 2050 50 Prozent mehr Lebensmittel, Futtermittel, Agrarkraftstoffe und Agrarrohstoffe für andere industrielle Nutzungen produziert werden als 2012, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Aber nur, wenn es beim „Business as usual“ bleibt.
In einem sogenannten „Nachhaltigkeitsszenario“ wäre bis 2050 nur ein Anstieg von 40 Prozent erforderlich, wenn die Lebensmittelverschwendung bzw. -verluste und die Nachfrage nach Futtermitteln für die Fleischproduktion sinken würden. Bis 2027 müsste der OECD und FAO zufolge die Produktion von Weizen für die Lebensmittelversorgung um 8 Prozent (46 Mio. t) und von Mais um 17 Prozent (23 Mio. t) steigen. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 entfielen 57 Prozent des weltweiten Maisverbrauchs (606 Mio. t) und 19 Prozent des Weizenverbrauchs (146 Mio. t) auf Futtermittel. Ein beachtlicher Teil der Futtermittelfläche könnte bei einem Rückgang des Fleischkonsums für die Lebensmittelproduktion verwendet werden. Konflikte um Land und Wasser könnten reduziert werden. Gleichwohl werden klimabedingte Wetterextreme zu stärkeren Angebotsschwankungen und damit auch Preisschwankungen führen.
Gefährdete Lebensmittelproduktion in Subsahara-Afrika
Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) geht davon aus, dass der Temperaturanstieg in Subsahara Afrika höher ausfallen wird, als im Mittel auf globaler Ebene. Schon eine Erderhitzung um 2 Grad Celsius würde Ernteausfälle und Schäden bei Mais, Sorghum, Weizen, Hirse, Maniok und Erdnüssen mit sich bringen. Westafrika wurde als Hotspot im Hinblick auf negative Auswirkungen auf Ernteerträge und Lebensmittelproduktion identifiziert. Auch das südliche Afrika gilt als Hotspot in punkto Hitzeextreme und Trockenheit. Bereits bei 1,5 Grad Celsius Erderhitzung wird von längeren und häufigeren Hitzewellen ausgegangen, bei 2 Grad Celsius werden um 10-20 Prozent niedrigere Niederschläge und längere Trockenheit in Namibia, Botswana, Nord-Simbabwe und Süd-Sambia erwartet.
Dürren erhöhen das Risiko von Konflikten von vulnerablen Ländern und Gruppen, weil ihre Lebensgrundlagen von der Landwirtschaft abhängen. Dies trifft insbesondere auch auf die am wenigsten entwickelten Länder in Subsahara-Afrika zu. Die Landwirtschaft in Subsahara-Afrika muss nicht nur die Folgen der Klimakrise bewältigen, sondern auch mehr Nahrungsmittel für die steigende Bevölkerung bei sich verschlechternden Umweltbedingungen produzieren. Der Stärkung lokaler Ernährungssysteme wird dabei eine entscheidende Rolle zukommen.
Die Ungleichheit der Risiken
Die Risiken der Klimakrise sind sehr ungleich verteilt. In Äthiopien und Kenia können beispielsweise nomadische Viehzüchter*innen nicht an Wasser für ihre Tiere gelangen, weil eine kommerzielle Landbewirtschaftung entlang der Flüsse den Zugang verhindert. Extreme Preisschwankungen im Jahr 2007/08 und 2012 ließen die Profite vom Agrarkonzern Cargill steigen, während Millionen Eltern sich nicht mehr Essen für ihre Familie leisten konnten.
Klimabedingte Schocks können Menschen unvermittelt in die Armut treiben oder in Armut halten. In der Entwicklungszusammenarbeit sollten deswegen grundsätzlich Risiken identifiziert, analysiert und gemanagt werden. Statt Sicherheit für wenige und Unsicherheit für viele auf sozialer, ökonomischer und politischer Ebene zu befördern, muss es auch um eine Umverteilung von Macht und Wohlfahrt sowie um das Teilen von gesellschaftlichen Risiken gehen. Zum Beispiel, indem die exzessive Spekulation mit Lebensmitteln eingedämmt, soziale Sicherungssysteme eingeführt und eine progressive Steuerpolitik vorangetrieben wird.
Frauen und Männer sollten nicht nur in die Lage versetzt werden, Krisensituationen zu bewältigen, sondern ihre Rechte wahrnehmen zu können, so dass sie eine Hoffnung für die Zukunft haben und eine Wahl treffen können, wie sie leben wollen. Rein technologische Ansätze wie neue Züchtungsmethoden dominieren die Diskussion. Dabei geht es darum, Fähigkeiten bzw. Kapazitäten der betroffenen Menschen aufzubauen und gleichzeitig die Ungleichheit und Ungerechtigkeit anzugehen, die Arme überhaupt erst vulnerabel machen.
Agrarökologie fördert Ernährungssouveränität und Resilienz
Agrarökologie ist als ganzheitlicher Ansatz besonders geeignet, um die Klimakrise zu bewältigen. Dies gilt insbesondere für von Armut betroffene, vulnerable Bevölkerungsgruppen, die in einem höheren Maße von intakten Ökosystemen abhängig sind, vor allem in den am wenigsten entwickelten Ländern. Biodiversität ist unerlässlich für die Ernährungssicherung, sie wird bei Agrarökologie systematisch ins Anbausystem integriert und die Bodenfruchtbarkeit wird verbessert. Synthetische Dünger und Pestizide werden nicht benötigt. Die Folge: niedrigere Produktionskosten und höhere Netto-Einnahmen durch steigende und stabilere Erträge.
Eine Langzeitstudie über einen Zeitraum von 30 Jahren hat ergeben, dass die Maiserträge in Zeiten von Dürren in ökologischen Anbausystemen um 31 Prozent höher waren als in konventionellen. Alternative Vermarktungsformen wie die solidarische Landwirtschaft bieten zudem höhere Erzeugerpreise und direktere Verbindungen zu Konsumenten bei kürzeren Transportwegen. Lokale Nahrungsmittelreserven und lokale Saatgutbanken bilden wichtige Sicherheitsnetze. Agrarökologie beinhaltet ein solidarisches Miteinander von Frauen und Männern basierend auf gleichen Rechten, einem gewaltfreien Umgang miteinander und gleichen Entwicklungsmöglichkeiten. Menschen organisieren sich selbst und sind in Gruppen oder Netzwerken kollektiv tätig, ob auf lokaler, regionaler oder globaler Ebene.
Agrarökologie versus klimasmarte Landwirtschaft und Gentechnik
Es ist wichtig, dass die Landwirtschaft an den Klimawandel angepasst wird und die Treibhausgasemissionen, die in der Landwirtschaft erzeugt werden, reduziert werden. Allerdings geht es den Befürworter*innen der „klimasmarten Landwirtschaft“ darum, den Fehlentwicklungen in der industriellen Landwirtschaft ein neues, positives Label zu verpassen und sie nur etwas anzupassen.
Auch das Seminar für ländliche Entwicklung ist skeptisch: „Solange das Konzept ... nicht klarer definiert und eingeengt wird, ist es wahrscheinlich, dass es nur als ein neues Label dient, um „business as usual“ etwas zu verbessern“. Bei der „klimasmarten Landwirtschaft“ oder „nachhaltigen Intensivierung“ werden selektiv einzelne Praktiken der Agrarökologie – Fruchtfolge, Zwischenfrüchte, Agroforstsysteme – aufgenommen und mit Mainstream-Technologien der industriellen Landwirtschaft kombiniert. Sie schließen Praktiken, die inkompatibel mit agrarökologischen Ansätzen sind oder diese untergraben, nicht aus, wie zum Beispiel Herbizid-tolerante Pflanzen, toxische Pestizide, gentechnisch verändertes Saatgut, Patente auf Saatgut und großflächige, industrielle Monokulturen. Beängstigend ist insbesondere die Entwicklung sogenannter „Gene Drives“, die auf die gentechnische Veränderung einer natürlichen Population bzw. auf alle Individuen dieser Population abzielen, bis hin zu deren Ausrottung. Eine gentechnische Kontamination ist hier also explizit gewollt.
Wie sieht das Engagement der Bundesregierung in punkto Klimaanpassung aus?
Offiziellen Angaben der Bundesregierung zufolge betrugen die Haushaltsmittel für die finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer für Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels 3,65 Mrd. Euro im Jahr 2017. Von diesen Geldern waren in der offiziellen Berichterstattung knapp über 900 Mio. Euro spezifisch für Projekte zur Förderung der Anpassung an den Klimawandel markiert – nicht einmal ein Drittel. Hinzu kommt, dass die Anpassungsrelevanz von Programmen der Entwicklungszusammenarbeit oft überhöht dargestellt wird.
Mehrere Entwicklungsorganisationen haben im Jahr 2017 eine Studie zur Anpassung an den Klimawandel veröffentlicht. Untersucht wurden Projekte im Zeitraum 2013 bis 2015, die über das BMZ und das BMU finanziert wurden und als Haupt- oder Teilzweck (Rio Marker 2 oder 1) das Ziel der Klimaanpassung verfolgten. Bei den Projekten des BMU waren die Anpassungskomponenten oft deutlich ausgeprägter beschrieben, wohingegen bei BMZ-Projekten oft nicht klar war, wie die beschriebenen Maßnahmen auf welche Klimarisiken bzw. Anpassungsbedarfe eingehen. Bedenklich ist, dass bei knapp der Hälfte der Projekte nicht erkennbar war, dass die lokale Bevölkerung ernsthaft mit einbezogen wurde und das Projekt auch einen langfristigen Kapazitätsaufbau im Bereich Anpassung verfolgt. Gender-Aspekte wurden mehrheitlich nicht integriert.
Forderung: Insgesamt sollte das BMZ die finanzielle Unterstützung für die Anpassung an den Klimawandel noch deutlich ausbauen, vor allem in den kritischen Sektoren Landwirtschaft, Wasserversorgung und Extremwetterrisiken. Dabei sollte die Programmarbeit stärker als bisher die spezifischen Anpassungskomponenten anhand von analysierten Risiken definieren und ausrichten.
Fördert das Entwicklungsministerium Agrarökologie?
Erfreulich ist das jüngste Engagement des BMZs in punkto Agrarökologie. Eine Portfolioanalyse des Ministeriums, angelehnt an der Methodologie einer britischen Studie, zeigt, dass ein kleiner Teil der landwirtschaftlichen Projekte bereits agrarökologischen Ansätzen folgt. Sie stellt eine gute Grundlage dar, um Handlungsfelder zu identifizieren und agrarökologische Programme systematischer zu fördern. Der agrarökologische Ansatz wird auch von Bündnis90/Die Grünen und DIE LINKE unterstützt. Aktuell liegt im Bundestag ebenso ein Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Potenziale aus der Agrarökologie anerkennen und unterstützen“ zur Beschlussfassung vor. Im zivilgesellschaftlichen Positionspapier „Agrarökologie stärken“, das von 59 Organisationen und Verbänden mitgetragen wird, sind zentrale Forderungen an das BMZ und die Bundesregierung aufgeführt.
Drei Forderungen möchte ich herausgreifen:
- In der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sollte Agrarökologie zum zentralen Konzept zur Armuts- und Hungerbekämpfung im ländlichen Raum werden. Insbesondere bei der Überarbeitung des Konzepts zur ländlichen Entwicklung sollte Agrarökologie als zentrale Komponente grundlegend verankert werden.
- Es sollte ein internationaler Beirat eingerichtet werden, der das BMZ zu Agrarökologie berät. Mitglieder sollten dabei aus der Wissenschaft, der agrarökologischen Praxis sowie sozialen Bewegungen kommen.
- Das BMZ sollte analysieren, welche ihrer Programmansätze agrarökologischen Ansätzen zuwiderlaufen und entsprechende finanzielle Unterstützungen einstellen. Dies beinhaltet Ansätze zur Förderung der Grünen Revolution in Afrika.
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