Ab und zu werde ich gefragt, wie Oxfam seine Projekte in den Ländern des Südens auswählt und finanziert. Abenteuerliche Vorstellungen gibt es dazu. Natürlich fahren wir nicht auf gut Glück in ein Land und suchen Entwicklungs- und Nothilfeprojekte. Das wäre fahrlässig.
Ich will am Beispiel eines neuen Projekts von Oxfam Deutschland erklären, wie wir vorgehen. Es handelt sich um ein Nothilfeprojekt in Afghanistan in der Provinz Badachschan. Dort sollen über 16.000 Menschen in 45 Dörfern unterstützt werden. Es geht um Ernährungssicherung, u.a. um Nutztiere wie Ziegen und Schafe (inkl. tiermedizinische Beratung), um Trinkwasser und Seuchenvorsorge. Das heißt, Oxfam leistet dringend notwendige Unterstützung und Nothilfe im Wert von rund 750.000 Euro, die das Auswärtige Amt zu 90 Prozent zur Verfügung stellt.
Neues Projekt in Afghanistan
Durch den Bundeswehreinsatz ist das Interesse an dem Land in Deutschland groß. Afghanistan ist auch nach über zehn Jahren intensiven Engagements des Westens noch bitterarm und Badachschan im Nordosten ist eine der ärmsten Gegenden des Landes, bergig und kalt. Und wie organisiert nun Oxfam so ein Projekt? Zunächst sollte man als Organisation mit seinen inländischen Partnerinnen und Partnern bereits seit längerer Zeit zusammenarbeiten. Oxfam arbeitet seit 1964 in Afghanistan, also lange vor dem Einmarsch der russischen Truppen, vor der Machtübernahme der Taliban und vor dem Einmarsch der US-Armee.
Kann man als Organisation nun auf erfolgreiche Kooperationen vor Ort verweisen, so darf man sich um Projektgeld des Auswärtigen Amtes bewerben. Das Ministerium unterstützt aus Steuergeld Nothilfeprojekte, die für die Bevölkerung fundamental wichtig sind und die in Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Nothilfeorganisationen auf die Beine gestellt werden. Das Auswärtige Amt startet dazu einen „Call“, einen Aufruf an Organisationen sich mit Hilfsprojekten für Afghanistan zu bewerben. Zusammen mit den jeweiligen Oxfam-Länderbüros erarbeiten Kolleginnen und Kollegen in Berlin eine sogenannte „Concept-Note“, einen kurzen Konzeptvorschlag, mit dem sich um die Projektgeld beworben wird.
"Call" und "Concept-Note"
Wird der Konzeptvorschlag vom Auswärtigen Amt positiv bewertet, so bittet es um ein „Proposal“, also um einen ausformulierten, detaillierten Projektantrag, der aus einem Situationsbericht mit Bedarfsanalyse, dem Budget und dem Zeitplan besteht. Das mag umständlich und aufwändig klingen, aber eine durchdachte Projektstrategie ist wichtig für den Erfolg. Nichts ist schädlicher für die Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit, als ein gescheitertes Projekt. Weil es am Bedarf der Menschen vor Ort vorbei geht oder weil mit Partnerinnen und Partnern kooperiert wird, die nicht zuverlässig sind. Denn leider gehört Afghanistan zu den korruptesten Ländern der Welt. Was aber nichts daran ändert, dass es unsere Pflicht ist, der friedvollen, vertrauenswürdigen und seit langem leidenden Zivilbevölkerung Unterstützung zukommen zu lassen.
In Badachschan hat nun alles gepasst – das Auswärtige Amt war zufrieden. Und vor kurzem ist mein Kollege Wolfgang Prangl nach Afghanistan gereist, um mit den dortigen Partnerinnen und Partnern Prozesse zur Qualitätssicherung festzulegen. Dabei mussten nicht nur Oxfams interne Standards berücksichtigt werden. Auch das Auswärtige Amt will regelmäßig über den Stand der Umsetzung des Projektes informiert werden. Da es sich bei Projektgeld zum Großteil um Steuergeld handelt, müssen eine Vielzahl von besonderen Regeln und Anforderungen des Bundes beachtet werden.
Regierungsgeld für Nichtregierungsorganisationen?
Nun fragen sich vielleicht einige, wieso sich Nichtregierungsorganisationen (NRO) um Projektgeld von Regierungen bewerben. Kann das nicht die Unabhängigkeit der NRO gefährden? Nein, jede Organisation bemüht sich in der Finanzierung der Projekte um Ausgewogenheit. Der Vorteil von Geld für Projekte, die von Regierungsstellen wie dem Auswärtigen Amt stammen (den sogenannten Drittmitteln) ist die Projekt-Finanzierung über einen längeren Zeitraum. Um aber unsere Unabhängigkeit zu wahren, finanzieren wir auch Projekte über private Spenden, über Zuwendungen aus den Oxfam-Shops und aus den Spenden der Oxfam-Trailwalker-Teams. Und auch im hier beschriebenen Afghanistan-Projekt steckt ein sogenannter „Eigenanteil“, den wir als Oxfam selbst tragen müssen. Ein irreführender Begriff, da Oxfam kein eignes Geld hat, sondern mit den eingenommenen Spenden arbeitet. In diesem Fall tragen 75.000 Euro aus Euren Spenden dazu bei, das Projekt im Nordosten Afghanistans zum Leben zu erwecken.
Falls Ihr weitere Fragen habt, meldet Euch.
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