Gemeinsam mit anderen NGOs und Bündnissen arbeitet Oxfam seit Jahren am Thema Steuervermeidung von Konzernen. Immer wieder haben wir auf die Folgen von Steuervermeidung aufmerksam gemacht. Als Autoren/innen von Blogs, in Kampagnenmaterialien oder in Interviews: Mantraartig haben wir wiederholt, dass Steuervermeidung von Konzernen armen wie reichen Ländern Geld entzieht, das sie für die Finanzierung von Gesundheit, Bildung und anderer wichtiger öffentlicher Infrastruktur dringend benötigen, und so uns allen erheblichen Schaden zufügt. Meistens aber hatte ich dabei das Gefühl, dass dennoch im Verborgenen blieb, was Steuervermeidung wirklich für die Menschen bedeutet.
Oxfams neues Video: ein Bild zur Theorie
Jetzt sind sie da – die Bilder zu dem, was wir seit Jahren schreiben und sagen, und zwar in Form eines Videos. Das Video ist drastisch und als wir hier im Büro den ersten Rohschnitt gesehen haben, mussten auch wir schlucken – und das, obwohl viele meiner Kolleginnen und Kollegen die Auswirkungen der leeren Kassen in armen Ländern bereits selbst gesehen haben, also ganz genau wissen, was es heißt, wenn öffentliche Infrastruktur fehlt oder nicht funktioniert.
Das Video also illustriert die Folgen der Steuervermeidung: Wenn Konzerne ihren fairen Steuerbeitrag nicht leisten, hat das Konsequenzen! Das Ursache-Wirkung-Prinzip von Steuervermeidung durch Konzerngiganten aus meist reichen Industriestaaten und mangelnder Gesundheitsversorgung oder mangelndem Zugang zu guter Bildung in armen Ländern mag nicht immer direkt ersichtlich sein. Fakt ist jedoch: Der Zusammenhang ist da!
Steuervermeidung – kein pessimistisches Zukunftsbild, sondern bitter gelebte Realität
Das Video erscheint wie eine Art Dystopie. Aber das ist es keinesfalls – es ist Realität. Zwar ist es wohl kaum so, dass Menschen mit Masken in Krankenhäuser eindringen, um dort medizinisches Equipment etc. zu rauben, während niemand etwas unternimmt, um das Unrecht aufzuhalten. Das Bild ist jedoch durchaus übertragbar:
Jedes Jahr rutschen 100 Millionen Menschen in die Armut, weil sie immense Summen für ihre Gesundheitsversorgung aufbringen müssen, und weltweit bleiben unzählige Menschen schlichtweg ohne jegliche Behandlung – entweder weil sie sich diese nicht leisten können oder weil es keine Krankenhäuser, keine Medikamente, keine medizinische Ausstattung, keine Infrastruktur und kein gut ausgebildetes medizinisches Personal gibt. Gleichzeitig vermeiden Konzerne in armen Ländern jedes Jahr Steuerzahlungen in Höhe von mindestens 100 Milliarden US-Dollar. Dieses Geld fehlt für dringende Investitionen in Gesundheit und andere öffentliche Dienstleistungen wie Bildung!
Übrigens, Frauen und Mädchen sind die Ersten, die unter fehlenden öffentlichen Diensten leiden: Es sind Mädchen, für die die Tür zur Schule zuerst, oft für immer, geschlossen bleibt, wenn Familien für Bildung bezahlen müssen. Und in Bezug auf Gesundheit, das Thema des Videos, bedeutet das, dass jeden Monat fast 25.000 Frauen an den Komplikationen von Schwangerschaft oder Geburt sterben. Ihr Leben könnte in den meisten Fällen durch eine bessere Gesundheitsversorgung und gut geschultes medizinisches Personal gerettet werden.
Das Video ist also kein pessimistisches Zukunftsbild, sondern für viele bittere gelebte Realität. Das Erschreckende ist, dass nur ein paar Wenige reagieren. Die Politik tut so, als sei es genug, ein paar Behelfsmaßnahmen vorzunehmen. Das ist es aber nicht! Die Botschaft, die mir für diesen Blog wichtig ist: Die Wirklichkeit ist für viele Menschen ebenso düster wie das Video. ABER sie muss es nicht sein! Es gibt Maßnahmen, mit denen die Steuervermeidung von Konzernen effektiv gestoppt werden kann.
Jamaika, „Butter bei die Fische“!
LuxLeaks, SwissLeaks, Panama Papers, Paradise Papers, you name it. Keine halbherzigen Versuche und politischen Lippenbekenntnisse mehr! Die Politik muss handeln. Das heißt ganz konkret: Die zukünftige Bundesregierung muss handeln. Die Bekämpfung der Steuervermeidung muss Thema bei den Koalitionsverhandlungen sein – und hier reicht es nicht, wenn sich die Koalitionärinnen und Koalitionäre dazu bekennen, Steuervermeidung bekämpfen zu wollen. Teilen einer möglichen Jamaikakoalition wird das nicht schmecken, aber auch CDU/CSU und FDP müssen, wie man im Norden so schön sagt, „Butter bei die Fische geben“! Im Koalitionsvertrag müssen konkrete Schritte gegen Steuervermeidung festgehalten werden:
- Transparenz schaffen: Um Steueroasen effektiv ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen, brauchen wir echte Transparenz. Wichtig: Echte Transparenz bedeutet, dass die Informationen aus Registern von Firmen, Stiftungen etc. oder länderbezogener Berichterstattung von Konzernen über Gewinne und darauf gezahlte Steuern öffentlich zugänglich sein müssen und so von NGOs, Wissenschaft und Medien überprüft werden können – nur dann können arme und reiche Länder gleichermaßen profitieren.
- Steueroasen bestrafen: Das Geschäftsmodell Steueroase muss ein Auslaufmodell sein. Deswegen brauchen wir Schwarze Listen mit wirkungsvollen Sanktionen für alle Steueroasen.
- Weltweite Mindeststeuersätze einführen: Um den schädlichen Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze zu beenden, muss sich die Bundesregierung für Mindeststeuersätze einsetzen.
3 Kommentare
Liebe Inga Schmalz,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich freue mich, dass sie unsere Kampagnenaktion unterstützen möchten! Leider ist es bei dieser speziellen Aktion nicht möglich ohne Facebook, Twitter oder Tumbler teilzunehmen. Das ist eine Ausnahme und ich kann Ihnen versichern, dass es bald wieder eine Aktion zum Thema Steuervermeidung geben wird, bei der Sie auch ohne Soziale Medien teilnehmen können.
Übrigens hilft uns bereits Ihre Nachricht, denn es ist schön, Rückenwind zu bekommen.
Wir freuen uns, Sie bei der nächsten Aktion an Board zu haben!
Herzliche Grüße
Charlotte Becker
Steuern auch und gerade für Reiche!
Ich würde gerne die Aktion unterstützen, möchte aber kein Mitglied bei Twitter , Facebook oder anderen sozialen Medien werden.
Wie kann ich auf anderem Wege deutlich machen, dass ich diese Steuerhinterziehung, die schon seit Jahrzehnten läuft, unsozial finde.
Gerade, die, die finanziell in der Lage dazu sind, tragen nicht zum gesellschaftlichen Wohle der Gemeinschaft bzw. ihres eigenen Landes bei.