22. September 2021: Mit Lautsprechern und Transparenten ziehen weit über hundert Farmarbeiterinnen durch die Straßen von Stellenbosch, einem Zentrum der Weinproduktion am südafrikanischen Westkap. Singend und tanzend erreichen die Frauen die Büros des Konzerns Remgro Limited und fordern den Inhaber Johann Rupert auf, die Einführung einer Vermögenssteuer zu unterstützen.
Ungerechte Verteilung
Mit einem Nettovermögen, das 2020 rund 5,8 Milliarden Euro entsprach, ist Johann Rupert der zweitreichste Mensch Südafrikas. Er und seine Familie besitzen mehrere Weinplantagen und halten über Remgro Limited Anteile an zahlreichen Unternehmen – unter anderem an der Distell Group, die alkoholische Getränke auch nach Europa exportiert.
Eine Kameradin ergänzt: „Sie wollen uns kein Land geben, damit wir ein anständiges Leben führen können, also müssen sie eine Vermögenssteuer zahlen.“
Die Feminist Reparation Campaign
Der Protestzug ist lautstarker und wirkungsvoller Auftakt für die Feminist Reparation Campaign („Kampagne für Feministische Reparationen“, FRC), die Oxfams südafrikanische Partnerorganisation Women on Farms Project (WoFP) gemeinsam mit engagierten Farmarbeiterinnen ins Leben gerufen hat. „Mit der FRC fordern die Farmarbeiterinnen ihre Würde ein“, erklärt WoFP-Direktorin Colette Solomon.
Über Social Media und klassische Medien informieren die Aktivistinnen über das Konzept der Vermögenssteuer, die ihrer Überzeugung nach allen in Armut lebenden Menschen im Land nutzen würde.
On- und offline sammeln sie Unterschriften für ihre Forderungen. „Wenn wir diese Vermögenssteuer wollen, müssen wir uns zusammenschließen, als wären wir die Kinder einer einzigen Mutter; eine Familie“, betont eine der Frauen. „Nur dann können wir erreichen, was wir wollen."
Unabhängig dank eigenem Land
Die Steuer soll dringend nötige Maßnahmen finanzieren, um das eklatante Machtmissverhältnis im Land zugunsten der Arbeiterinnen zu verändern.
An erster Stelle steht dabei eine gerechte Verteilung des Farmlandes. Per Klage wollen die Aktivistinnen ihre Regierung zwingen, ein Gesetz zu erarbeiten, das die Umverteilung eines Teils des Landes regelt, das an weiße kommerzielle Farmer verpachtet ist. Vorrangig soll es an bedürftige Frauen gehen – inklusive Bewässerung und Schulungen zu agrarökologischen Methoden.
Doch viele können nicht so lange warten. „Was ich den Frauen ans Herz legen möchte: Nehmt euch das Land, das in eurer Nähe verfügbar ist“, so die Farmarbeiterin und langjährige Aktivistin Magrieta Prins aus De Doorns auf Facebook.
Mit eigenem Land, das sie unabhängiger macht und mit dessen Erträgen sie besser für sich und ihre Kinder sorgen könnten, hätten Frauen auch bessere Möglichkeiten, häuslicher Gewalt zu entkommen. „Wenn ihre Partner die Hauptverdiener sind und auch die Mietverträge auf deren Namen laufen, fällt es Frauen schwer, sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu befreien“ erläutert Carmen Louw, Vize-Direktorin von WoFP.
Zudem braucht es fachkundige Beratungsstellen und Notunterkünfte in der Nähe der Frauen. Und Polizist*innen müssen speziell geschult werden, um sensibel mit Betroffenen umzugehen. Auch das könnte durch die Vermögenssteuer finanziert werden.
Wie geht es weiter?
Was die mutigen Farmarbeiterinnen trotz der Repressalien, denen viele durch ihre Arbeitgeber ausgesetzt sind, bereits erreicht haben, ist beeindruckend. Auch der Unternehmensvorstand von Remgro Limited hat reagiert und ist mit WoFP für weitere Gespräche in Kontakt. Gleichzeitig geht der Protest weiter: Seit März machen die Frauen gezielt auf ihre Arbeitsbedingungen aufmerksam.
Die Forderungen der Farmarbeiterinnen
1. Gerechte Verteilung von Land
Mehr als 80 Prozent der südafrikanischen Nutzflächen befinden sich Schätzungen zufolge in den Händen von weißen Farmern. WoFP fordert, einen Teil des Landes an Farmarbeiterinnen umzuverteilen.
2. Staatliche Gesundheitsversorgung für alle
Viele Farmarbeiterinnen leiden unter Mangelernährung, Pestizidvergiftungen und Verletzungen durch geschlechterbasierte Gewalt. Für sie müssen qualitativ hochwertige Gesundheitseinrichtungen auch in abgelegenen ländlichen Regionen gut erreichbar sein.
3. Hochwertige Grundbildung
WoFP fordert einen uneingeschränkten Zugang zu öffentlicher Bildung. Für Menschen in prekärer Lage muss auch der öffentliche Nahverkehr kostenfrei sein, damit ihre Kinder die Schule erreichen können.
4. Einführung einer Vermögenssteuer
Dem reichsten Prozent der Südafrikaner*innen gehört mehr als die Hälfte des Reichtums im Land. Eine Steuer von 6 bis 18 Prozent auf ihre Vermögen könnte über die genannten Punkte hinaus auch weitere Maßnahmen finanzieren, um die horrende soziale Ungleichheit zu reduzieren.
Nur feministische Lösungen können den Wandel bringen, den sie seit Jahrzehnten fordern. Davon sind sie überzeugt.
In unserem interaktiven Spiel Fruiturama können Sie außerdem Ihre eigenen Erfahrungen als Plantagenarbeiter*in machen und mehr zum Thema menschenwürdige Arbeitsbedingungen und gerechten Lieferketten erfahren.
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