Auch die diese Woche beginnende UN-Weltklimakonferenz COP28 in Dubai (30.11.2023 bis 12.12.2023) findet, wie schon im letzten Jahr die COP27, in einer Zeit großer Krisen statt. Die Kriege in der Ukraine oder im Gaza-Streifen haben den geopolitischen Kontext erheblich verändert. Aber auch die wachsende Schuldenkrise und sinkende finanzielle Spielräume in vielen der einkommensschwachen Länder verändern die Voraussetzungen für Fortschritte in der weltweiten Klimapolitik. Sie bleibt nach wie vor in gefährlichem Ausmaß völlig unzulänglich, wie eine Reihe neuer Analysen und Studien kurz vor Beginn der Konferenz unterstreichen.

Das UN-Klimasekretariat hatte gerade erst in einer aktualisierten Analyse vorgestellt, dass mit den gegenwärtigen Klimaschutzbemühungen der Länder unter dem Pariser Abkommen die weltweiten Emissionen bis 2030 im allerbesten Fall um rund sechs Prozent (gegenüber 2019) sinken, möglicherweise aber sogar noch leicht steigen werden. Um die globale Erwärmung wie im Pariser Abkommen vereinbart auf maximal 1,5°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen und so die schlimmsten Szenarien des Klimawandels noch zu verhindern, müssten die weltweiten Emissionen bis 2030 um 43% Prozent sinken (gegenüber 2019). Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) geht in seiner jüngsten Analyse davon aus, dass die Welt derzeit auf eine globale Erwärmung um 2,5-2,9°C zusteuert, weit jenseits der wichtigen 1,5°C-Schwelle. Das alles sind nicht grundsätzlich neue Erkenntnisse – schon zur Verabschiedung des Pariser Abkommens war die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit hinlänglich bekannt. Bestürzend, aber nicht unpassend, dass der UNEP-Bericht mit „Broken Record“ betitelt ist.

Umsetzung des Pariser Abkommens auf dem Prüfstand

Die COP28 bietet eine der wohl letzten Gelegenheiten zum Gegensteuern. Alle fünf Jahre, so sieht es das Pariser Abkommen vor, wird der Stand seiner Umsetzung in einer umfassenden Bestandsaufnahme (Global Stocktake) aller Aspekte des Pariser Abkommens überprüft. In Dubai findet sie nun zum ersten Mal statt. Mit den jetzt vorliegenden Analysen dürfte die Kernaussage dieser Überprüfung schon feststehen: Die Lücke zwischen den Zielen des Pariser Abkommens und der politischen Realität in den vielen Ländern, insbesondere in den großen Wirtschaftsmächten mit ihren hohen Emissionen, bleibt groß.

Das liegt daran, dass die Klimaschutzziele der Länder völlig unzulänglich sind, und um das Ruder noch herumzureißen, wären erhebliche Anstrengungen nötig. Ob die Delegationen hier mehr als eindringliche Worte finden werden und sich als Ergebnis des Global Stocktake konkret verpflichten, ihre Klimaziele nachzubessern, ist allerdings fraglich. Stattdessen halten die Industrieländer ihre Klimaschutzpläne bereits für ausreichend ehrgeizig und fordern mehr Klimaschutz von den Schwellenländern. Dabei lenken die Industrieländer gerne davon ab, dass sie seit der Industrialisierung den Großteil der Treibhausgase zu verantworten und darauf ihren im Weltmaßstab sensationellen Wohlstand aufgebaut haben. Wären die Industrieländer bereit, fair zum global nötigen Klimaschutz beizutragen, hätten Länder mit Nachholbedarf bei der wirtschaftlichen Entwicklung und beim Kampf gegen die Armut mehr Flexibilität.

Entsprechend halten die Schwellenländer den Industrieländern ihre Versäumnisse beim Klimaschutz in der Vergangenheit vor, die die Welt nun in die derzeitige Lage gebracht hätten. Ein weiterer Vorwurf: Die finanzielle und technologische Unterstützung für die einkommensschwachen Länder fällt zu dürftig aus, um sie zu mehr Klimaschutz zu befähigen. Es wäre wünschenswert, wenn hier die COP28 als Ergebnis des Global Stocktake belastbare Beschlüsse fassen würde, die neben mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz auch die zielgerichtete Unterstützung verbessern und auf ein verlässlicheres Fundament stellen würde.

Ausstieg fossile, Einstieg erneuerbare: COP28 könnte Wendepunkt werden

Man muss es absurd finden, dass weder das Pariser Abkommen noch die Beschlüsse der bisherigen 27 Klimakonferenzen die Welt zum Ausstieg aus den fossilen Energien verpflichten. Zuletzt haben sowohl der UN-Wissenschaftsrat zum Klimawandel (IPCC) also auch die Internationale Energieagentur (IEA) gezeigt, dass die Einhaltung der 1,5°C-Grenze nur mit einem Ausstieg aus den fossilen Energien gelingen kann. Die fossilen Energiekonzerne scheren sich darum wenig, sondern investieren weiterhin hunderte Milliarden Dollar in die Förderung von Kohle, Erdöl und Erdgas – und fahren Jahr für Jahr gewaltige Gewinne ein – unterstützt von milliardenschweren Subventionen der Regierungen, auch der Bundesregierung. Nach einem weiteren UNEP-Bericht, der kurz vor der COP28 veröffentlich wurde, wird mit den gegenwärtigen Plänen die Kohleförderung noch bis 2030 ansteigen, die Förderung von Erdöl und Erdgas bis mindestens 2050. Verantwortungsloser geht es kaum.

Immerhin hatte sich die UN-Weltklimakonferenz COP26 im Jahr 2021 auf einen Appell einigen können, die Nutzung der Kohle perspektivisch abzubauen („phase down“). Auf einen kompletten Ausstieg („phase out“), noch dazu aus allen fossilen Energien, konnte man sich damals nicht einigen – auch wegen des Widerstandes einiger Schwellenländer, die berechtigterweise argumentierten, ohne Aussicht auf angemessene Unterstützung durch die reichen Industrieländer einen vollen Ausstieg nicht bewerkstelligen zu können.

Zur COP28 mehren sich nun die Stimmen, die einen Beschluss zu einem vollständigen Ausstieg aus allen fossilen Energien fordern – darunter auch die High Ambition Coalition (HAC), ein Zusammenschluss von Staaten, die zumindest punktuell mehr Ehrgeiz im Klimaschutz fordern und in der Vergangenheit bei Klimakonferenzen mit gebündelter Kraft Fortschritte durchsetzen konnten. Zuletzt hatte die HAC in einem gemeinsamen Statement nicht nur einen Ausstieg aus den fossilen Energien, sondern auch, wie schon vorher die Gruppe der G20 in ihrer Gipfelerklärung vom September, die Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030 gefordert. Enttäuschend: Deutschland hat dieses Statement nicht unterzeichnet, dem Vernehmen nach wegen des Widerstandes aus dem Kanzleramt.

Trotzdem gilt: Für eine erfolgreiche COP28 und als Signal der Ernsthaftigkeit im Kampf gegen die Klimakrise braucht es nun dringend eine Vereinbarung für den Ausstieg aus allen fossilen Energien (zuerst in den reichen Industrieländern, schrittweise danach in allen übrigen Ländern) und für die Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030. Klar ist, dass solche Beschlüsse nur gelingen können, wenn sie gekoppelt sind an belastbare Beschlüsse für die finanzielle und technologische Unterstützung für die einkommensschwachen Länder, damit diese auch ehrgeizig zum Ausstieg aus den fossilen und dem Einstieg in die erneuerbaren Energien beitragen können.

Unterstützung für einkommensschwache Länder

Bei genau dieser finanziellen Unterstützung hapert es nach wie vor. 2009 hatten die reichen Industrieländer versprochen, diese Unterstützung bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar anwachsen zu lassen. Ihr Versprechen haben die Industrieländer aber gebrochen und 2020 nur 83,3 Milliarden US-Dollar erreicht, 2021 immerhin fast 89,6 Milliarden US-Dollar, wie ein neuer Bericht der OECD zeigt. Für die mühsam zusammengehaltene Vertrauensbasis zwischen den reichen Industrieländern, die zur Unterstützung auch völkerrechtlich verpflichtet sind, und den einkommensschwachen Ländern, die diese Unterstützung dringend brauchen, aber immer wieder vertröstet werden, sind das keine guten Nachrichten. Zwar sollen die 100 Milliarden nun spätestens 2023 erreicht werden und wurden womöglich schon 2022 erreicht, allerdings wehren sich die Industrieländer gegen Forderungen, die Versäumnisse in den Vorjahren durch höhere Unterstützung in den Folgejahren wieder auszugleichen. Zudem kommen über zwei Drittel der Unterstützung in Form von Krediten bei den Empfängerländern an – die ihre Programme zum Klimaschutz oder zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen damit also letztlich selbst bezahlen und sich dafür weiter verschulden müssen.

Weil überdies die besonders gefährdeten Länder seit Jahren bemängeln, dass nur mit einem kleinen Teil der Mittel die Anpassung an die Veränderungen (etwa zur Sicherung der Ernten gegen kommende Dürren oder zum Schutz der Menschen gegen Wirbelstürme oder andere Extremwetterlagen) unterstützt werden, hatte die UN-Klimakonferenz 2021 (COP26) das Ziel ausgerufen, diese Mittel bis 2025 zu verdoppeln. Nun steht fest: Zumindest 2021 sind die Mittel gesunken, nicht angestiegen. Das dürfte auf der COP28 neue Fragen über die Ernsthaftigkeit der Industrieländer hinsichtlich des Verdoppelungsziels aufwerfen.

Entschädigungsfond braucht jetzt Zusagen

Ein möglicher Erfolg der COP28 zeichnet sich ab: Letztes Jahr hatte die COP27 die Einrichtung eines neuen multilateralen Fonds zur Unterstützung gegen unvermeidliche Verluste und Schäden infolge des Klimawandels beschlossen, wenn also trotz (weltweit gesehen nur halbherzigem) Klimaschutz und trotz bestmöglicher Anpassung Dürren die Ernten vertrocknen lassen, der steigende Meeresspiegel ganze Inseln und flache Küstenstreifen unbewohnbar macht oder heftigere Stürme großflächig Zerstörungen anrichten. Ein Jahr hat nun ein eigens eingerichteter Ausschuss („Transitional Committee“) die Details ausgearbeitet, mit zumindest passablem Ergebnis. Der Fonds soll nun bei der Weltbank entstehen und könnte später Programme in gefährdeten Ländern unterstützen, etwa zum Wiederaufbau nach Katastrophen oder beim Ausgleich für schleichende Einkommensverluste der Menschen in der Landwirtschaft.

Es gilt als wahrscheinlich, dass die Empfehlungen des Ausschusses auf der COP28 abgesegnet werden – und dies womöglich schon in den ersten Tagen. Das wäre ein Erfolg, denn immerhin hatten die Industrieländer jahrzehntelang die Einrichtung eines solchen Fonds oder vergleichbare Unterstützungsmechanismen blockiert.

Damit der Fonds nun aber tatsächlich die Arbeit aufnehmen kann, braucht er finanzielle Zusagen. Interessant wird, wer auf der COP28 den Reigen eröffnen wird mit festen Zusagen oder doch zumindest belastbaren Absichtserklärungen. Man darf gespannt sein, welche Länder erste Zusagen oder zumindest doch Absichtserklärungen geben werden. Offenbar bereiten einige Länder der EU eine solche Zusage vor. Deutschland sollte hier, angesichts seiner hohen Verantwortung für die Klimakrise und seiner hohen Wirtschaftskraft eine Führungsrolle einnehmen. Für eine erste Anschubfinanzierung wäre ein deutscher Beitrag von einer Milliarde Euro angemessen – einen substanziellen Anteil davon solle die Bundesregierung auf der COP28 zusagen.

Geschieht all das in den ersten Tagen der Konferenz, könnte eine sehr positive Dynamik entstehen, die das Vertrauen zwischen reichen Ländern und einkommensschwachen Ländern festigt und so auch auf den anderen Feldern erfolgreiche Beschlüsse begünstigen könnte. In diesen krisengeschüttelten Zeiten wäre eine erfolgreiche Klimakonferenz nicht nur für die Bewältigung der Klimakrise wichtig, sondern auch ein deutliches Signal, dass der Multilateralismus nach wie vor funktioniert und Ergebnisse hervorbringen kann.

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