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Manfred Beier 05.10.2014
Was sollte mit der „Grünen Revolution“ eigentlich erreicht werden? Bekämpfung des Hungers durch Steigerung der Flächenerträge mittels verbessertem Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel – aber auch Erschließung riesiger Märkte für diese inputs, gewaltige Umsätze und Gewinne für Firmen der Industrieländer. Es war schließlich die Zeit der Entkolonialisierung, eine Zeit der Umbrüche und Unsicherheiten, aber auch der Chancen: Ein Meilenstein für schnell wachsende Firmen tätig in der industriellen Landwirtschaft, aber günstig auch für die reicheren Bauern in den Ex-Kolonien mit überdurchschnittlichem Landeigentum.
Die „Grüne Revolution“ konnte zwar mittelfristig die drohenden Hungersnöte verhindern, aber mit deutlichen Nachteilen für die Entwicklung der armen Länder. Die Kluft zwischen Armen und Reichen wurde vergrößert als die Verteilung des Eigentums ungünstiger wurde. Seit der „Grünen Revolution“ flossen zu große Teile der EZ an die Wohlhabenderen, die Zeche zahlten aber oft die Kleinbauern und die Landlosen. Die „Grüne Revolution“ war die erste weltweit wichtige Umwälzung der industriellen Landwirtschaft und sie leitete einen Konzentrationsprozess der in der Landwirtschaft tätigen Unternehmen ein, der es heute - etwa 50 Jahre später - Monsanto erlaubt, eine neue Dimension der Marktmacht zu erreichen als es der Firma gelang, die amerikanischen Getreide-Bauern landesweit mittels des Justizapparates zu zwingen, heute nur noch Monsanto Gen-Saatgut anzubauen.
Nicht erst im letzten Jahrhundert sondern schon seit vielen Jahrhunderten vorher hatten Kleinbauern den Umgang mit den Tausenden unterschiedlichen Anbau-Bedingungen verbessert um ihr Überleben zu sichern. Sie schufen eine Vielzahl angepasster Pflanzen, Tierrassen und Landnutzungssysteme. Dass sie erfolgreich waren, zeigt seit langem die Anwendung der Bewässerung im Reisanbau, um nur eines der vielen bekannten Beispiele zu nennen. Entwicklung fand statt weniger durch Studien sondern durch „trial and error“ von Kleinbauern, denen Bildung versagt wurde. Auch heute noch kann der aufmerksame Beobachter viele Beispiele für die Innovationsfähigkeit der Kleinbauern finden. Davon ein weiteres Beispiel: Einem Orangen-Bauer in Tansania wurde vorgeschlagen, die vielen von Ameisen durch zusammen gesponnene Blätter geformten Nester zu zerstören und die Ameisen chemisch zu vernichten. Der Bauer lehnte entsetzt ab. Orangenspezialisten stellten später erstaunt fest, dass die kleine Plantage schädlingsfrei war, obwohl Spritzmittel seit Jahren nicht erhältlich waren. Die Ameisen waren Insektenfresser! Die Vielfalt der weltweiten Anbaubedingungen ist so groß, dass kein noch so gut ausgebildeter Agrarforscher aus den Industrieländern bei seinen kurzen Besuchen darüber urteilen kann.
Wer immer sich für die Entwicklung der Armen einsetzt muss nicht nur Steigerung des Wachstums, ökologischen Landbau, Sicherung der Nachhaltigkeit oder gar „nachhaltige Intensivierung“ anstreben - alles notwendige, sinnvolle und zumindest teilweise sehr erfolgreiche Techniken. Aber hier geht es um Entwicklungsprozesse und deshalb ist ihr Entwicklungspotential noch wichtiger für die Beurteilung der Agrarökologie. Menschen können sich nur selbst entwickeln, und sie müssen selbst bestimmen, wohin und wie sie sich entwickeln wollen. Externe können sie zwar beraten und fördern, entscheiden aber müssen sie selbst. Afrikanische KleinbäuerInnen sind dazu sehr wohl in der Lage und sie beweisen dies durch eine Vielzahl von Innovationen für gut an die Umwelt angepasste Systeme von Mischkulturen, Absicherung gegen Dürren, Züchtung angepasster Nutztierrassen, Terrassierung, etc. Die Probleme, die sie allein nicht bewältigen können sind meistens externer Art, beispielsweise Transport- und Vermarktungsprobleme oder fehlende Finanzierungsmöglichkeiten für sinnvolle Rationalisierung und Intensivierung. Unsere externen Experten können nur selten dabei helfen, sie sind zwar gut ausgebildet, aber nicht dafür.
Nach einem halben Jahrhundert der Förderung der lokalen Eliten ist unübersehbar, dass wir so die Unterentwicklung nicht überwinden können. Selbst die Schwellenländer haben einen unakzeptabel hohen Anteil an chancenlosen Armen. Trotz weltweiter Anstrengungen zur Armutsminderung steigt deren Zahl ständig weiter. Es ist wenig wahrscheinlich, dass weitere Förderung der Bessergestellten den Armen jemals zugute kommen würde. Das Entwicklungspotential armer Länder liegt eher bei den bisher zu sehr vernachlässigten Frauen, Kleinbauern und ihren Kindern, die noch kaum Zugang zu Bildung hatten. Bei ihnen muss Armutsminderung endlich direkt ansetzen, denn ein zu geringer Teil der Mittel der EZ kam bisher bei Ihnen an. Förder-Organisationen müssen endlich glaubwürdig nachweisen, wie viel der zur Verfügung gestellten Mittel letztlich bei den Armen ankam. Dafür sind erfolgreiche Methoden seit Ende der 70er Jahre bekannt, und weit mehr werden grade entwickelt und getestet, u.a. cash transfers.

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