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Ein Arbeiter auf einer Bananenplantage in Ecuador
Ein Arbeiter* auf einer Bananenplantage in Ecuador. Das südamerikanische Land ist einer der führenden Bananenproduzenten der Welt und größter Bananenlieferant für den deutschen Markt. (*Name zum Schutz der Person nicht genannt.)

Lidl und die fairen Bananen

06. Juni 2019

Sein gesamtes Bananen-Angebot nach und nach auf Früchte mit dem Fair-Trade-Siegel umzustellen. Das hatte Lidl im vergangenen September versprochen – mit viel Werbung, mit Unterstützung des deutschen Entwicklungsministers und auch mit öffentlichem Lob von Oxfam. Das war ein wichtiges Signal, angesichts des enormen Preisdrucks und Strukturen von Ausbeutung, Rechtsverletzung und Umweltzerstörung im internationalen Bananenhandel.

Nicht faire Billig-Banane

Nun hat der Discounter eher beiläufig und kleinlaut verkündet, dass es ihnen nicht gelungen sei, „Kunden von unserem Engagement zu überzeugen“. In einem Schreiben von Jan Bock, dem Geschäftsleiter von Einkauf Lidl Deutschland, heißt es: „Sinkende Absätze, auch bedingt durch günstige Aktionspreise im Markt, haben uns letztlich nach über acht Monaten zu einer erweiterten Ausrichtung gezwungen“. Gemeint ist damit die Beibehaltung der nicht fairen Billig-Banane.

Lidls Schritt zu einem ausschließlichen Verkauf von Fairtrade-Bananen mit besseren Preisen und besseren Arbeitsbedingungen hätte zu einem neuen Geschäftsmodell werden können. Dass das möglich ist, zeigen andere Supermärkte in Großbritannien und den Niederlanden. Kund*innen dafür verantwortlich zu machen, dass dies bei Lidl nicht funktioniert, ist also nur vorgeschoben.

Unklare Nachhaltigkeitsstrategie 

Was genau steckt hinter der Entscheidung des Supermarktes, das Modell nun scheitern zu lassen? In jedem Fall hat die Discounter-Strategie den Schwarz-Konzern, zu dem Lidl und Kaufland gehören, mit mehr als 100 Milliarden Euro Umsatz zur größten Supermarktkette Europas und den Besitzer zu einem der fünf reichsten Menschen Deutschlands gemacht.

Dieser Erfolg war ohne langfristige Investitionen und eine klare Strategie nicht möglich. Hier darf man fragen, warum die neue Orientierung auf mehr Nachhaltigkeit bei den fairen Bananen nicht funktioniert haben soll, und auch so schnell wieder aufgegeben wurde.

Brutaler Preiskampf deutscher Supermärkte

Klar ist, dass Lidls Schritt gezielt über Monate von Dumpingangeboten der Konkurrenz –insbesondere Aldi, Edeka und dessen Discounter Netto – begleitet wurde. Dieser brutale Preiskampf deutscher Supermärkte fordert seit Jahren Opfer: Kleine Produzenten und die Beschäftigten in den Bananenplantagen werden mit Hungerlöhnen abgespeist und gesundheitsschädlichen Pestiziden ausgesetzt.  

Der Einfuhrpreis von Bananen in Deutschland ist zwischen 2015 und 2018 um 20 Prozent gefallen und liegt heute unter dem Preis von 2008 – wobei die Produktionskosten in Lateinamerika im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen sind. So verschieben sich die Anteile am Bananengeschäft: Immer mehr bleibt bei den Supermärkten, immer weniger bei den Menschen, die für unser Essen arbeiten. Dies ist nicht nur bei den Bananen so, sondern bei vielen international gehandelten Produkten von Tee bis Krabben, wie Oxfam herausgefunden hat.  

Höhere Qualität für weniger Geld?

Die Preispolitik der Supermärkte steht offensichtlich im Widerspruch zu der „Nachhaltigkeitspolitik“ der großen Ketten. So hat zwar der große Lidl-Konkurrent Aldi (Süd) in den vergangenen Monaten erstmals eine Erklärung zur Achtung der Menschenrechte in seiner Lieferkette veröffentlicht – was ein wichtiger und positiver Schritt ist. Konträr hierzu steht aber die gleichzeitige Ankündigung, den Einkaufspreis pro Kiste Bananen um einen Dollar zu senken.

Dies brachte verständlicherweise in Lateinamerika Regierungen wie Privatwirtschaft, Gewerkschaften wie Unternehmensverbände, große wie kleine Produzenten in Rage: Auf der einen Seite verlangen die Unternehmen immer höhere Qualitätsstandards, auf der anderen Seite wollen sie dafür immer weniger zahlen. Menschenrechte und Nachhaltigkeit haben allerdings ihren Preis. Dieser und die Qualitäten müssen sich im Verkaufs-, aber insbesondere im Einkaufspreis des Produkts widerspiegeln. Dafür trägt der verkaufende Supermarkt eine wichtige Verantwortung, die er nicht einfach auf die Verbraucher*innen abwälzen kann.

Geschmack von Ausbeutung und Rechtsverletzungen

Da dieser Verantwortung nicht nachgekommen wird, braucht es ganz offensichtlich eine strikte gesetzliche Regelung. Für den Schutz und die Durchsetzung von Menschenrechten im internationalen Wirtschaftsleben ist ein Gesetz nötig, einschließlich einer Kontrolle der Marktmacht von Großunternehmen. Sonst werden wir weiterhin damit konfrontiert, dass an vielen Produkten in „unserem“ Geschäft der Geschmack von Ausbeutung und Rechtsverletzungen klebt.

Das trifft auch auf die nicht fairen Bananen zu, die Lidl weiterhin im Angebot führen will: Sie sollen alle mit dem grünen Frosch der Rainforest Alliance ausgezeichnet sein. Dieses Label ist aber keineswegs dafür bekannt, Arbeits- und Menschenrechte wirksam zu schützen. Bei Lidl wird es nun faktisch zu einer Kennzeichnung von Billig-Bananen.

Nötig ist ein Gesetz für Menschenrechte in internationalen Lieferketten

Allein auf die Freiwilligkeit von Unternehmen zu setzen funktioniert offensichtlich nicht. Wir brauchen dringend ein Gesetz, das Menschenrechten in internationalen Lieferketten Vorrang einräumt und verhindert, dass in Zuliefererbetrieben von deutschen Unternehmen Arbeiter*innen ausgebeutet und ihre Rechte systematisch verletzt werden. Entwicklungsminister Müller und Arbeitsminister Heil haben sich für ein solches Gesetz ausgesprochen, Kanzleramt und Wirtschaftsministerium scheinen hierbei jedoch bremsen zu wollen. Oxfam und viele andere Organisationen werden weiter dran bleiben und ein solches Gesetz auch in Zukunft einfordern.

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