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Schüler*innen in einer Schule in Ghana
Mädchen und Jungen beim Schulunterricht in Ghana, wo die geplante Privatisierung von 300 Schulen den freien Zugang zu Bildung bedroht.

Der Kommerzialisierung von Bildung wird ein Riegel vorgeschoben

Bildung für alle statt Profite
21. Juni 2019

Mit einer wegweisenden Entscheidung hat die Globale Bildungspartnerschaft (Global Partnership for Education, GPE) der weiteren Kommerzialisierung der Bildung in Entwicklungsländern nun einen Riegel vorgeschoben: Gewinnorientierte Privatanbieter erhalten keine Entwicklungsgelder der GPE. Die GPE ist eine weltweite Partnerschaft, die Entwicklungsländer dabei unterstützt, ihr Bildungssystem zu stärken und so Bildungschancen für benachteiligte Kinder zu schaffen.

Die Entscheidung hat eine weitreichende Signalwirkung auf weitere internationale Akteure und andere Sektoren: Öffentliche Mittel müssen auch in öffentliche Systeme fließen, um allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen. Es ist ein Etappensieg für das Recht auf gute, gebührenfreie öffentliche Bildung im Vorfeld des „Tag des öffentlichen Dienstes“ der Vereinten Nationen am 23. Juni.

Keine Mittel für kommerzielle Angebote

Anfang der Woche wurde in Stockholm über eine neue Strategie zur Kooperation mit dem Privatsektor abgestimmt. Dort hat der Vorstand der GPE einstimmig einen Beschluss gefasst: „Keine GPE-Mittel können dafür eingesetzt werden, gewinnorientierte Angebote grundlegender Bildungsdienstleistungen zu unterstützen.“

Was in trockener Amtssprache daherkommt, ist tatsächlich ein Donnerhall, der die globale Bildungsarbeit aufrüttelt. Ein Sieg für das Recht auf gute öffentliche Bildung in der aufgeheizten Debatte um die Kommerzialisierung im Bildungsbereich. Der Vorstand bekennt sich klar dazu, dass Bildung ein öffentliches Gut ist, das durch öffentliche Mittel finanziert werden muss.

Die Entscheidung der GPE finden Sie hier: Entscheidung GPE (englisch)

Warnung der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für das Recht auf Bildung

Noch kurz vor der Tagung der Bildungspartnerschaft hatte sich die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für das Recht auf Bildung, Dr. Koumbou Boly Barry, in die Debatte eingeschaltet: Sie legte einen Bericht zu den Auswirkungen von Privatisierung auf Bildung vor. Dr. Boly, einst selbst Bildungsministerin in ihrer Heimat Burkina Faso, wandte sich mit deutlichen Worten an die GPE: öffentliche Gelder sollten ausschließlich zur Stärkung gebührenfreier, guter und inklusiver öffentlicher Bildungssysteme eingesetzt werden. Die GPE dürfe keine Mittel für kommerzielle Akteure bereitstellen. Das würde die ohnehin schlecht finanzierten öffentlichen Systeme aushöhlen und die Umsetzung des Rechts auf Bildung für alle gefährden.

Den Report der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für das Recht auf Bildung finden Sie hier: Report von Dr. Koumbou Boly Barry (englisch)

Es geht um Geld: Kommerzialisierung verschärft Ungleichheiten

Die Warnung kommt nicht von ungefähr. Seit mehreren Jahren breiten sich in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern gewinnorientierte Bildungsanbieter aus. Das passiert teilweise in Abstimmung und mit finanzieller Beteiligung der nationalen Regierungen aber auch teilweise – wie im Falle von Uganda – gegen die explizite Entscheidung von Ministerien und Verwaltungsgerichten.

Es geht um viel Geld! Unter kommerziellen Bildungsunternehmern gilt  „Bildung als größter Wachstumsmarkt des 21. Jahrhunderts“. Während die Unternehmen damit werben, Bildungschancen für Benachteiligte schaffen zu wollen, mehren sich Zweifel am Model „Billigschulen“. Untersuchungen zeigen, dass die Schulen – entgegen den Behauptungen – gerade besonders marginalisierte Gruppen, die vorher keinen Schulzugang hatten, nicht erreichen.

Durch die anfallenden, vermeintlich geringen Schulgebühren sind besonders Mädchen armer Familien, Kinder mit Behinderungen und Minderheiten benachteiligt. Ihnen bleibt der Schulzugang verwehrt, wenn sich die Familien die Gebühren nicht leisten können. Die Qualität des Unterrichts und die Relevanz der Lerninhalte sind äußerst fragwürdig – zum einen, weil Lehrkräfte schlecht ausgebildet und bezahlt werden und zum anderen, weil Unterrichtseinheiten, die per Tablet vorgetragen werden, nicht im jeweiligen Land entwickelt wurden. So verschärft die Kommerzialisierung Ungleichheiten im Bildungsbereich.

Die Analyse der Global Campaign for Education (GCE) finden Sie hier: Analyse der Global Campaign for Education (GCE) (englisch)

Der globale Verbund der Lehrergewerkschaften Education International beobachtet die Kommerzialisierung kritisch mit einer einigen Kampagne: Unite for Quality Education (englisch)

Klares „Nein“ nach langem Ringen

Kein Wunder also, dass die Spannungen nach monatelangen Ringen vor der Entscheidung der Globalen Bildungspartnerschaft groß waren. Die Partnerschaft aus Geberländern und internationalen Organisationen, Entwicklungspartnerländern und Zivilgesellschaft unterstützt mit über zwei Milliarden US-Dollar Reformen im Bildungsbereich in Ländern mit niedrigem Einkommen. Mit am Verhandlungstisch sitzen auch Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, darunter auch Kira Boe von Oxfam IBIS in Dänemark, die die Zivilgesellschaft des globalen Nordens vertritt.

In etlichen Gesprächen und Sitzungen mit Vertreter*innen von Geberinstitutionen hat die Zivilgesellschaft für eine klare Entscheidung gegen die Finanzierung kommerzieller Anbieter geworben. Mit Erfolg.

„Es ist bahnbrechend, dass der größte Bildungsfonds der Welt einstimmig „Nein“ zur Finanzierung von gewinnorientierten Angeboten grundlegender Bildung gesagt hat“ kommentierte Kira nach der Tagung erleichtert.

Diese Entscheidung, für die die Zivilgesellschaft hart gekämpft hat, ist ein Meilenstein für die öffentliche Bildung – und setzt zugleich Standards für andere Geberforen und Sektoren. In den kommenden Tagen steht die Auffüllungskonferenz der International Development Association (IDA) der Weltbank an. Die Geber sind die gleichen, die am Verhandlungstisch in Stockholm saßen. Sie sollten konsequent sein, und in diesem Rahmen ebenfalls dafür stimmen, dass auch über die Weltbank keine Gelder an kommerzielle Anbieter fließen. Zudem sollten sie gründlich prüfen, auch in anderen Sektoren, wie etwa im Gesundheitsbereich, keine öffentlichen Gelder an gewinnorientierte Partner zu geben.

Ghana: Zivilgesellschaft kritisiert mögliche Kooperation mit kommerziellen Anbietern

Wie zeitig und wichtig die Entscheidung der GPE ist, keine öffentlichen Gelder an  kommerzielle Partner zu geben, zeigt sich in Ghana. Dort hat die Regierung Anfang des Jahres den Beschluss gefasst, 300 öffentliche Schulen privatisieren zu wollen, um „kosteneffizienter“ zu arbeiten. Im nationalen Budget für 2019 sind Mittel eingestellt, mit denen private Anbieter statt öffentlicher Schulen gefördert werden sollen.

In Ghana laufen bereits Nichtregierungsorganisationen und Lehrer*innengewerkschaften Sturm gegen diese Pläne. Sie eint die Überzeugung, dass Bildung ein öffentliches Gut ist – und daher auch durch öffentliche Gelder finanziert werden muss. Fließen öffentliche Mittel in kommerzielle Anbieter, höhlt dies das öffentliche System aus. Nach der wegweisenden Entscheidung der GPE, in der auch Ghana Mitglied ist, muss die mögliche Kooperation mit kommerziellen Anbietern überdacht werden.

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