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Oxfam-Studie Bittere Bananen
Landarbeiter*innen auf Bananenplantagen z. B. in Costa Rica müssen endlich gerecht entlohnt werden!

Endlich existenzsichernde Löhne im Bananensektor?

Lidl macht Vorstoß in Richtung gerechte Lieferketten
20. Mai 2022

Noch immer sind die Löhne, die Landarbeiter*innen am Anfang der Lieferkette verdienen, oftmals viel zu niedrig, um davon eine Familie ernähren zu können – das zeigt auch die jüngste Oxfam-Studie „Grenzenlose Ausbeutung“:

Grafik der Mindestlöhne und existenzsichernden Löhne in Costa Rica

Wie vor zwei Wochen angekündigt, will Lidl deshalb bis Ende 2022 für alle seine Plantagenbananen einen Aufpreis für existenzsichernde Löhne zahlen. In Zusammenarbeit mit Fairtrade Deutschland will Lidl zunächst die Lücke zwischen den tatsächlich gezahlten und existenzsichernden Löhnen errechnen und diese Summe aus eigenen Mitteln ausgleichen – ohne dass sich die Preise für Verbraucher*innen erhöhen. Dabei soll stichprobenhaft überprüft werden, dass diese Summe bei den Arbeiter*innen ankommt und nicht etwa bei Zwischenhändler*innen und Bananenfirmen versandet.

Erfolg Oxfams jahrelanger Arbeit

Diese Zusage ist ein zentraler Schritt – und nicht zuletzt ein Erfolg der jahrelangen Arbeit von Oxfam Deutschland zu Ungleichheit in Lieferketten. Gerade am Beispiel Bananen aus Lateinamerika zeigen wir seit Jahren gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen vor Ort auf, dass hinter den „süßen Früchten“ bittere Wahrheiten stecken. Daher haben wir Druck auf die deutschen Supermärkte gemacht, die ihre Marktmacht vorrangig zum Drücken von Erzeugerpreisen anstatt zur Einhaltung von Menschenrechten ausnutzen. Gerade bei Lidl ist infolge unserer Kampagnen einiges im Wandel, das zeigen die Fortschritte bei Oxfams jüngstem Supermarkt-Check:

Lidl darf mit seinem Vorstoß nicht allein bleiben

Aldi und Rewe haben bisher lediglich für sieben Prozent ihrer Bananen existenzsichernde Löhne bis 2023 zugesagt, im Rahmen der Initiative für nachhaltige Agrarlieferketten. Edeka dagegen hat bisher kein solches Versprechen abgegeben und verlässt sich auf die Zertifizierung von Rainforest Alliance und eine Projektpartnerschaft mit dem WWF, bei denen aber nicht ersichtlich ist, ob und wann existenzsichernde Löhne gezahlt werden. Bananen sind das zweitbeliebteste Obst der Deutschen. Deswegen gilt: Würden alle großen Einzelhändler existenzsichernde Löhne durchsetzen, würde dies am Anfang der Lieferkette eine grundlegende Verbesserung für das Leben vieler Familien vor Ort bedeuten.

Mögliche Schwachstellen

Doch ob die Menschen in den Bananenanbaugebieten in Ecuador, Costa Rica oder der Dominikanischen Republik am Ende des Tages tatsächlich deutlich mehr Geld zur Verfügung haben, bleibt aus drei Gründen abzuwarten.

  1. Die errechnete Lohnlücke könnte zu gering ausfallen: Akkordarbeit ist auf den Plantagen weit verbreitet. Arbeiter*innen werden etwa nach geernteter Menge bezahlt statt nach Stunden und überlange Arbeitstage mit 12 oder gar 14 Stunden sind keine Seltenheit. Durch diese nicht erfassten, unbezahlten Überstunden rutschen die Arbeiter*innen wieder deutlich unter den existenzsichernden Lohn. Die Berechnungsmethode von Lidl muss für solche und weitere Tricks der Plantagenfirmen kontrollieren, statt sich auf die offiziellen Lohndaten der Firmen zu verlassen.
  2. Eine wirksame Möglichkeit, Missständen in der Bezahlung auf den Grund zu gehen, ist die Zusammenarbeit mit den Arbeiter*innen selbst, bzw. den Gewerkschaften, in denen sie sich organisieren. Sie haben den besten Überblick über die Probleme der Beschäftigten und könnten eine Kontrollinstanz zu den Angaben der Plantagenbetreiber*innen bieten. Eine systematische Einbeziehung von Arbeiternehmervertretungen ist jedoch in den Plänen von Lidl nicht vorgesehen.
  3. Das Versprechen von Lidl bezieht sich nur auf die Löhne von Plantagenarbeiter*innen, nicht auf das Einkommen von Kleinbäuer*innen. Deren Anteil an Lidls Einkaufsvolumen ist zwar im einstelligen Bereich, aber kleinbäuerliche Landwirtschaft oder Basis-Genossenschaften können erwiesenermaßen ökologischer und sozialer wirtschaften als die Monokulturen der Großkonzerne und sollten entsprechend gestärkt werden. Daher sollte Lidl neben dem „living wage“ auch das „living income“ in sein Projekt einbeziehen und mehr als bisher von kleinbäuerlichen Kooperativen beziehen.
  4. Zudem umfasst die Selbstverpflichtung von Lidl lediglich seine Märkte in Deutschland. Das stark expandierende Handelsunternehmen Schwarz-Gruppe, zu der Lidl gehört, macht jedoch bereits 72 Prozent seines Umsatzes im Ausland (Deloitte 2022). Würde das Unternehmen stattdessen also alle Lidl-Märkte einbeziehen, könnte die Wirkung des Projekts vervielfacht werden.

Vom Gelingen von Lidls Projekt wird vieles abhängen. Wird das Unternehmen sein Versprechen durchhalten oder – wie bei der Umstellung auf Fairtrade 2019 – zurückrudern? Um die Ausbeutung auf den Bananenplantagen wirksam zurückzudrängen, müssen sich auch die anderen Supermarktketten bewegen und endlich gerechte Preise zahlen.

Gemeinsam mit unseren Partner*innen vor Ort noch mehr bewirken

Eine Frau steht mit Sonnenhut, Halstuch, einem langärmligen Oberteil und Schütze in einem Feld.
Zoraida Trejos schützt sich mit Hut, Halstuch und langer Kleidung vor Pestiziden, die auf den Feldern in Costa Rica eingesetzt werden. Als Arbeitsmigrantin hat sie derzeit wenig Möglichkeiten, ihre Arbeitssituation selbst zu verbessern. Ein starkes EU-Lieferkettengesetz könnte sie aber entscheidend unterstützen.

An der Einbeziehung der Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen selbst wird zur Erreichung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen kein Weg vorbeiführen. Wir werden mit unseren Partner*innen vor Ort weiter Druck machen und hier in Europa für ein starkes EU-Lieferkettengesetz werben, das existenzsichernde Löhne per Gesetz festschreibt.

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